Was sich offensichtlich einige Stadtratsfraktionen nicht trauen in einen Antrag zu gießen, lässt die Piraten Leipzig von Tag zu Tag lauter werden, wenn es um den Katholikentag 2016 und die eine Million städtischen Zuschuss dafür geht. Gemeinsam mit der Giordano-Bruno Stiftung geistern sie seit heute morgen 9 Uhr durch die Leipziger Innenstadt und haben eine bereits aus anderen Städten bekannte Figur dabei.

Moses hob schon im Vorfeld anderer Kirchentage mahnend den Zeigefinger. “Du sollst Deinen Kirchentag selbst bezahlen” steht auf der Steintafel zu lesen – das 11. Gebot kurz vor der Stadtratssitzung am Mittwoch, 16. Juli ist heute und morgen in Leipzig unterwegs.

Ute Elisabeth Gabelmann ist hörbar sauer angesichts der Million, welche die Stadt Leipzig für die Durchführung des Katholikentages vom 25. bis 29. Mai 2016 bezahlen soll. Und so mancher Passant überrascht. Gehört haben viele noch nicht, was da morgen noch kurz vor der Sommerpause durch den Stadtrat gehen soll. Verstehen können es wenige an diesem 15. Juli in der Leipziger City, viele schütteln den Kopf. Dass Leipzig Probleme hat, das wissen hingegen alle – fehlende Schulen, Kürzungen im Sozial- und Kulturbereich, die eiligen Kitabauten, der Zustand so mancher Straße und die nach wie vor hohen Arbeitslosenzahlen in der Messestadt – irgendwie passt in den sonstigen Canon des fehlenden Geldes diese Million nicht so richtig hinein.

Zwar haben die Grünen für die Sitzung am 16. Juli (ab 14 Uhr im Livestream auf L-IZ.de) eine Reduzierung der Leipziger Summe auf 300.000 Euro beantragt, doch Gabelmann und den vier Aktivisten von der Giordano-Bruno Stiftung geht es längst ums Prinzip. “Für eine Million Euro muss ein KiK-Mitarbeiter etwa 83 Jahre arbeiten. Man könnte 100 Seat Ibiza damit kaufen. Oder einen Hartz-IV-Empfänger 237 Jahre damit unterstützen. Angesichts dessen finde ich allein den Antrag der Glaubensgemeinschaft schon schäbig.”

Wo Gabelmann und mancher Leipziger noch überrascht über dieses Vorgehen ist, kennt die Giordano-Bruno Stiftung das Thema bereits länger. Weshalb ihr Moses in Begleitung von David Farago schon einige Städte vor Leipzig bereiste. Auf der Seite 11tes-gebot.de listen die Aktivisten alle bereisten Städte und die jeweils in Kirchentage investierten Gelder seit 2001 auf. Obwohl manche Jahre aufgrund fehlender Daten nicht berechnet werden konnten, ergibt sich eine Gesamtsumme von 85,3 Millionen Steuergelder – ohne dabei Kosten für z. B. die Polizei und Bereitstellung öffentlicher Gebäude wie z.B. Schulen und Turnhallen an Teilnehmende zu berücksichtigen. Ebenfalls nicht berücksichtigt, dass viele Sponsoren wie etwa Polizei- und Feuerwehrverbände ganz oder weitgehend vom Steuerzahler finanziert werden, so die Betreiber der Seite.

In einem offenen Brief wendet sich seit heute auch die Giordano-Bruno-Stiftung an die Stadträte Leipzigs (zum Download am Ende des Artikels). Darin heißt es unter anderem, verfasst von Maximilian Steinhaus, Förderkreismitglied der Stiftung: “Wir bitten Sie darum, den Katholikentag nicht zu bezuschussen, denn dagegen sprechen unseres Erachtens gewichtige Gründe, sowohl verfassungsrechtlicher als auch praktischer Art.” So gäbe es nach dem über Artikel 140 des Grundgesetzes (GG) inkorporierten Artikel 137 Absatz 1 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) keine Staatskirche in Deutschland. “Dies verbietet sowohl eine institutionelle als auch finanzielle Identifikation zwischen Kirche und Staat. Vielmehr ist der Staat (und damit auch die Stadt Leipzig) zur weltanschaulichen Neutralität verpflichtet. Durch die Subventionierung des Katholikentages würden Sie aber Partei ergreifen für diese Glaubensgemeinschaft”, so Steinhaus.

Die Subventionierung des Katholikentages in Leipzig sei deshalb nicht mit anderen Subventionen für zum Beispiel Theaterveranstaltungen vergleichbar und müsse aufhören. “Kirchen- und Katholikentag bleiben jedoch trotz aller Offenheitsbekundungen und Einladungen an Andersdenkende immer ein christliches Ereignis, mit dem sich anders- oder nicht-konfessionelle Menschen nicht identifizieren können und die daher in der Regel nicht die Früchte der öffentlichen Förderung wahrnehmen können. Die öffentliche Finanzierung innerkirchlicher Angelegenheiten widerspricht der von der Verfassung geforderten weltanschaulichen Neutralität des Staates.”

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Auch den Gleichbehandlungsgrundsatz aller Religionen sehen die Verfasser der Giordano-Bruno Stiftung nicht gewahrt und weisen darauf hin, dass sich hier also die Frage neben den zurückgehenden Zahlen von Kirchenmitgliedern stellt, warum die beiden christlichen Kirchen mit hohen Subventionen ausgestattet werden und andere Kirchen nicht. Die Antwort auf diese fehlende Gleichbehandlung der verschiedenen in Deutschland vertretenen Religionen könne kaum darin bestehen, nun auch alle anderen Religionen ebenfalls mit mehr und mehr Steuergeldern zu unterstützen. Entgegen der Beteuerungen der Verwaltungsvorlage und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) sieht die Stiftung auch die Wirkung eines “klerikalen Ereignisses” anders, als nur ein Zeichen der Weltoffenheit und Toleranz. “Für moderne Hightech-Industrien dürfte ein klerikales Umfeld eher abschreckend wirken, denn `die Religionen (inklusive Christentum) waren summa summarum keine Motoren, sondern Bremsklötze des kulturellen Fortschritts – und sie sind es bis zum heutigen Tage geblieben!` (Zitat: Michael Schmidt-Salomon).”

Vielleicht wollte man in Leipzig all diese nun anhebenden Debatten lieber vermeiden. Die Eile und die leise Gangart bei der Herbeiführung des morgigen Stadtrats-Beschlusses findet jedenfalls die designierte Stadträtin der Piraten ebenfalls nicht korrekt.

In einer gleichzeitig zur Aktion durch die Leipziger Piraten versandten Pressemitteilung heißt es: “Das Naturkundemuseum bröckelt uns unter den Händen weg, in London kämpft der Oberbürgermeister gegen die drohende Stadtpleite und still und leise werden hier vor der Sommerpause noch solche weitreichenden Entscheidungen vorgelegt”, so Gabelmann. “Ich muss annehmen, dass eine breite Diskussion über solche Grundsatzentscheidung nicht gewollt ist und das macht mich stutzig. Wenn dieser Katholikentag angeblich so eine positive Wirkung auf Leipzig haben wird, dann bräuchte der Stadtrat ja die öffentliche Meinung nicht zu scheuen.”

Auf L-IZ-Nachfrage betont sie nochmals: “Offenbar haben einige Fraktionen nicht den Mut, hier einen entsprechenden Antrag einzubringen, der die Summe, welche die Stadt zahlen soll, auf null reduziert oder den Beschluss vertagt.”

Der Protestbrief als PDF zum download.

Weitere Informationen über das Kunstprojekt

www.11tes-gebot.de

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