Nicht nur die Grünen fragten sich, warum sich Leipzigs Verwaltung so schwer tut mit einem Tourismuskonzept für die Stadt. Auch die CDU-Fraktion kam in diesem Frühjahr ins Grübeln und fragte sich noch dazu: Wer kontrolliert die Leipzig Tourismus und Marketing GmbH eigentlich? Und warum hat der Stadtrat keine Möglichkeiten zur Kontrolle? Die Verwaltung hat jetzt eine Antwort gefunden. Eine sehr lange.

Vier Seiten brauchte das Wirtschaftsdezernat, um auseinanderzudröseln, wie die Leipzig Tourismus und Marketing GmbH (LTM) eigentlich angebunden ist und warum der Antrag der CDU-Fraktion, den Stadtrat über die Steuerung der LTM mitreden zu lassen, so nicht umsetzbar ist.

Wahrscheinlich wird auch den CDU-Stadträten nach Lesen der Antwort klar, warum die LTM eher so etwas wie ein UFO ist, das seine Kreise zieht, aber irgendwie nicht wirklich zur Stadt gehört.

Die Gründe liegen im Jahr 2006, als das heutige Konstrukt zusammengebastelt wurde. Bis dahin erledigte der Leipzig Tourist Service e.V. (LTS) die touristische Vermarktung der Stadt. Quasi stellvertretend. Der Verein bekam Geld von der Stadt, um seine Aktivitäten zu unterstützen. Das Geld wurde auch immer wieder mal gern gekürzt. Die Stadt musste sparen und der LTS musste sich was einfallen lassen, um Werbepartner zu finden.

Und es gab ein Ärgernis, das auf den damals wirklich noch diskutanten Tourismusfrühstücken des LTS immer wieder auf den Tisch kam: Nichts passte zusammen. Der LTS machte emsige touristische Graswurzelarbeit und brachte die Touristenzahlen in Leipzig so langsam zum Wachsen. Und daneben schwirrte seit 2001 eine städtische Tochter namens Leipzig Marketing GmbH, die so eine Art Marketing für die Stadt machte – meist schön groß, schillernd, eher für Investoren gedacht. Das berühmteste Kind dieser Truppe war der Slogan “Leipziger Freiheit”. Da ging es eindeutig nicht um Tourismus, sondern um strategische Werbung für die Stadt selbst.

Aber 2008 wurde das alles in eins gegossen. Mit der Sächsischen Gemeindeordnung kompatibel, schreibt jetzt das Wirtschaftsdezernat. Der LTS wurde quasi zum Trägerverein gemacht und darunter wurden das operative touristische und das Marketinggeschäft in der LTM GmbH sozusagen gebündelt.

Warum der LTS so ein UFO ist, wird schon sichtbarer, wenn das Wirtschaftsdezernat aufzählt, wer alles Mitglied ist in diesem Verein: “Mitglieder sind neben der Stadt Leipzig mit Oberbürgermeister, Bürgermeister und Beigeordneter für Kultur, Bürgermeister und Beigeordneter für Wirtschaft und Arbeit sowie zwölf Kultureinrichtungen der Stadt Leipzig, vor allem Wirtschaftsunternehmen, wie die Leipziger Messe GmbH, Flughafen Halle/Leipzig GmbH, Hotels, Pensionen, Gastronomiebetriebe, Freizeit- und Kultureinrichtungen, Sparkasse Leipzig, Verbände, sonstige Unternehmen und Privatpersonen. Der Verein hatte zum 31.12.2014 99 Mitglieder. Die Stadt Leipzig verfügt über 15 von 99 Stimmen (Stand: 31.12.2014). – Die Mitglieder des Vorstandes des LTS e.V. sind Burkhard Jung als Vorsitzender, Uwe Albrecht als 1. Stellvertretender Vorsitzender, Michael Faber als 2. Stellvertretender Vorsitzender, Martin Buhl-Wagner, Axel Ehrhardt, Rita Fleischer, Dr. Jörg Junold, Dr. Harald Langenfeld, Dierk Näther, Dr. Dettloff Schwerdtfeger, Dr. Joachim Lamla und Axel Hüpkes.”

Einfach noch einmal die Institutionen zu den hier erwähnten Vorstandsmitgliedern aufgedröselt:

Burkhard Jung als OBM ist klar, Uwe Albrecht als Wirtschaftsbürgermeister auch, ebenso Michael Faber als Kulturbürgermeister.

  • Martin Buhl-Wagner (Leipziger Messe)
  • Axel Ehrhardt (Mercure-Hotel)
  • Rita Fleischer (IHK)
  • Jörg Junhold (Zoo)
  • Harald Langenfeld (Sparkasse)
  • Dierk Näther (Mitteldeutsche Flughafen AG)
  • Dettloff Schwerdtfeger (Bach-Archiv)
  • Joachim Lamla (Porsche Leipzig)
  • Axel Hüpkes (DEHOGA).

Die bestimmen also im Kopf des LTS so ungefähr, wo es lang gehen soll. Da hat der Stadtrat ganz unübersehbar keinen Einfluss, wenn man von Burkhard Jung als offizielles Stadtratsmitglied einmal absieht. Und da es kein aktuelles Tourismuskonzept gibt, ist auch nicht absehbar, dass die drei städtischen Vertreter hier irgendetwas wie eine Linie vorgeben.

Ergebnis ist wahrscheinlich genau der Gemischtwarenladen, als den man das Leipziger Marketing wahrnimmt.

Ist natürlich die Frage, ob sich das in der LTM GmbH, die die eigentliche praktische Arbeit macht, irgendwie korrigiert. Immerhin ist es die LTM, die jedes Jahr die städtischen Zuschüsse von 2,2 Millionen Euro, ab 2016 dann 2,3 Millionen Euro bekommt – plus 300.000 Euro Projektförderung für die Destinationsentwicklung.

“Alle Marketingleistungen kommen aus einer Hand (Incominggeschäft, Ticketverkauf, Merchandising, Erlöserzielung aus Sponsoring). Das Konstrukt ermöglicht durch entgeltliche Leistungen an Dritte das Erwirtschaften von Eigenumsatz. Die Zuschussgewährung an die LTM GmbH erfolgt umsatzsteuerfrei auf Grundlage einer verbindlichen Auskunft des Finanzamtes”, heißt es in der Vorlage.

Auf der Website der LTM heißt es übrigens: “Der Verein übt über seinen Vorstand die Steuerungs- und Kontrollfunktion der GmbH aus.” Nicht der Verein steuert, sondern der Vorstand. Das muss man sich merken

Aber wer kontrolliert, wie das Geld der Leipziger ausgegeben wird? Wer gibt die Marschrichtung vor und erklärt auch, was die “Destination” sein soll und was nicht? Das passiert augenscheinlich alles im Vorstand des LTS. Es gibt zwar nach Auskunft des Wirtschaftsdezernats auch eine Gesellschafterversammlung der LTM, deren Vorsitzender wieder Burkhard Jung ist – aber wie die sich anders zusammensetzt als der Vorstand der LTS, erklärt das Dezernat nicht. Da die LTM eine komplette Tochter des LTS ist, sind also die Mitglieder des LTS auch die Gesellschafter der LTM. Seit 2008 “liegt die Hauptaufgabe des Vereins neben der Kontroll- und Überwachungsfunktion der Aktivitäten der Tochter als deren Gesellschafter in der Betreuung der Mitgliederbelange.”

Die aktuelle Werbekampagne der LTM in Leipzigs Partnerstadt Wroclaw. Foto: LTM
Die aktuelle Werbekampagne der LTM in Leipzigs Partnerstadt Wroclaw. Foto: LTM

Aber wo wird gesteuert? Wer entscheidet, ob die Werbestrategie die richtige ist oder nicht?

Dafür gibt es dann bei der LTM noch einen Marketingbeirat. Wer da aktuell drin sitzt, steht auch nicht in der Vorlage. Aber zumindest wird hier noch einmal betont, wie der LTS-Vorstand quasi die Politik vorgibt: “Die Mitglieder des Marketingbeirates werden von der Gesellschafterversammlung in Abstimmung mit dem Vorstand des Leipzig Tourist Service e.V. berufen. Sie sind ehrenamtlich tätig und erhalten keine Vergütung.”

Womit sich der Vorstand des LTS und dieser Marketingbeirat als die Steuermodule herausstellen, mit denen die dort vertretenen Personen entscheiden, wie für Leipzig geworben wird und wie nicht. Dass das ohne einen gewählten Vertreter des Stadtrates gar nicht geht, sieht Leipzigs Verwaltung sogar ein. Warnt aber davor, dieses komplizierte Konstrukt zu verändern. Aber die Warnung klingt zumindest recht struppig: “Eine Änderung des Modells zieht umfangreiche Prüf-, Genehmigungs- und Neustrukturierungsprozesse nach sich, die mit nicht unerheblichen Kosten und Risiken behaftet sind. Beispielsweise hat sich seit 2012 die Genehmigungspraxis der LDS hinsichtlich wirtschaftlich agierender Vereine insofern geändert, dass nunmehr für diese eine Genehmigungspflicht gesehen wird.”

Ein heikler Punkt: Der LTS ist also ein wirtschaftlich agierender Verein, der eine GmbH steuert, die aber keine Geschäftsberichte veröffentlicht, so dass die Leipziger nicht erfahren, ob mit ihrem Geld gut gewirtschaftet wurde oder nicht. Oder haben die anderen Mitglieder im Vorstand mehr Einfluss auf das Geschäftsgebaren, wenn das Wirtschaftsdezernat schon erklärt: “Die Geschäftstätigkeit erfolgt unter Berücksichtigung der Interessen der Stadt Leipzig sowie wichtiger Branchenunternehmen und Interessenvertreter des Tourismus- und Standortmarketings”?

Vermischen sich hier also die Interessen der Stadt mit denen der Wirtschaft?

Trotzdem stellt das Wirtschaftsdezernat verblüfft fest: “Nach Antragsprüfung ist festzustellen, dass außer dem Oberbürgermeister keine Vertreter der Ratsversammlung der Stadt Leipzig in Organen oder sonstigen Gremien des LTS e.V. und der LTM GmbH aktiv sind.”

Aber: “Die Beteiligung der politischen Vertreter an der Arbeit von LTS e.V. sowie LTM GmbH wird durch die Verwaltung als zielführend erachtet. Die Ausweitung der Partizipation von weiteren Mitgliedern der Ratsversammlung der Stadt Leipzig an der Arbeit des Leipzig Tourist Service e.V. ist im Auftrag der Ratsversammlung mittels Beschlussfassung durch die Vertreter der Stadt Leipzig im LTS e.V. anzustreben. Im Ergebnis der Bestrebungen können die im Stadtrat der Stadt Leipzig vertretenen Fraktionen jeweils einen Vertreter benennen, der Mitglied des LTS e.V. mit allen Rechten wird, jedoch ohne die Pflichten. Die Fraktionen des Stadtrates können jeweils einen Vertreter benennen, der in den Marketingbeirat der LTM GmbH berufen wird. – Der Vorsitzende des Fachausschusses Wirtschaft und Arbeit wird Mitglied des Vorstandes des LTS e.V.”

Entscheiden, ob die Stadträte mit an den Tisch dürfen, muss aber der LTS e.V.: “Die Umsetzung der Partizipationserweiterung erfolgt ggf. mittels Satzungsänderungen. Diese sind abhängig von der Zustimmung durch die Mitglieder des LTS e.V. entsprechend der Vereinssatzung. Hierzu werden die Vertreter der Stadt Leipzig auf den LTS e.V. unter Beachtung der Vereinssatzung, insbesondere von § 15 Änderung der Satzung, im Auftrag des Stadtrates einwirken.”

Das ist sozusagen ein billiges Geschenk, ohne dass die gewählten Stadträte tatsächlich in die Entscheidung über die Ziele und Inhalte des Leipzig-Marketing eingreifen können, denn im Vorstand sitzen sie ja nicht. Und in der Mitgliederversammlung wären sie nur fünf Hanseln unter 100 Mitgliedern, von denen 20 allein von der Leipziger Verwaltung aus städtischen Einrichtungen berufen sind.

Eigentlich ein Witz, was die Verwaltung da vorschlägt.

Jetzt kann man gespannt sein, ob die CDU-Fraktion das Spiel mitspielt.

Die komplette Antwort des Wirtschaftsdezernats.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Gratulation Herr Julke, ein sehr guter Beitrag.

Und schon wären wir wieder beim Geld bzw. bei der Kontrolle der Steuergelder. Ich möchte mich zu solchen Themen erst einmal zurück halten. Das hat verschiedene Ursachen, Eine davon ist, dass es es zu solchen Themen wesentlich schlauere bzw. sachkundigere Personen als den “Finanzrevisor Pfiffig aus der DDR” in den Reihen der L-IZ sowie unter den Kommentatoren gibt, wie in letzter Zeit zur Genüge nachlesbar war. Deshalb bin ich an sachkundigen Beiträgen aus diesem Personenkreis sehr interessiert.
Gerne lerne ich noch etwas dazu, auch im Ruhestand.

Der Hauptgrund ist, dass gegenwärtig von mir sehr viele nerven- und zeitaufwendige Aktivitäten erfolgen, damit u.a. bei den Landtagswahlen 2016 in verschiedenen Bundesländer die Thematik “Reform der kommunalen Finanzkontrolle” ein wesentliches Wahlthema sein wird. Weder von der CDU, noch von der SPD, auch nicht von den Linken, auch ….! Lassen sie sich überraschen.

Schreiben Sie einen Kommentar