Man merkt auch in Leipzig, dass die großen Grenzverteidiger der EU in Griechenland alles dicht gemacht haben. Die Balkanroute für die Flüchtlinge aus den Kriegsländern des Nahen und des Mittleren Osten ist quasi dicht. Und so kommen auch deutlich weniger Flüchtlinge nach Sachsen und Leipzig, als noch zu Jahresbeginn erwartet. Die Stadt hat für Juni ihre neuesten Zahlen vorgelegt.

Danach kamen – bis Ende April 2016 – knapp 7.000 Asylbewerber nach Sachsen. 2015 waren im gleichen Zeitraum 6.642 Asylbewerber gekommen. Der Vergleich trügt freilich, denn die meisten Flüchtlinge kamen 2015 ja erst ab Juli in Sachsen an. Die meisten kamen dann auch erst ab Oktober in die Obhut der Stadt Leipzig. Die Zuweisungszahlen für Januar bis Juni liegen jetzt zwar über den Vorjahreszahlen – aber es sieht nicht so aus, als würde jetzt im Sommer wieder mit einem großen Ansturm zu rechnen sein.

Und während sich alle möglichen Marktschreier 2015 gegenseitig überboten in immer neuen Prognosen, sind sie 2016 nun erstaunlich still. Kein zornesroter Politiker läuft durch die Lande und ruft Millionen-Zahlen in die Welt. Augenscheinlich hat das mediale Gezeter sein Ziel erreicht: Man hat die Griechen gezwungen, die Flüchtlingslager zu räumen und viele Flüchtlinge in die Türkei zurückzuschicken. Und die Türkei spielt das Spiel mit und macht das Weiterschicken der Flüchtlinge Richtung Deutschland zum Kuhhandel.

Und so kann auch Leipzigs Sozialdezernat nur feststellen, dass man für 2016 eigentlich noch keine Zielgrößen hat: „Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat bislang noch keine Prognose für 2016 veröffentlicht. Die Landesdirektion Sachsen hat am 21.04.2016 eine Fortschreibung der landesinternen Zuweisung bis zur Kalenderwoche 22 mitgeteilt. Das Soll für die Stadt Leipzig beträgt weiterhin 6.895 Personen für das Jahr 2016.“

Wobei dieses Soll auf die Flüchtlingszahlen von 2015 berechnet ist und der vagen Vermutung, 2016 könnten sogar 1,5 Millionen Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Jetzt sieht es erst einmal so aus, dass die Zahl der neu an Leipzig überwiesenen Asylsuchenden in diesem Jahr deutlich niedriger liegen wird als im Vorjahr. Bis zur Marke 21. Juni gilt: „Im Jahr 2016 wurden der Stadt Leipzig bis Ende der 25. Kalenderwoche 1.259 Asylsuchende neu zugewiesen.“ 2015 waren es am Ende 4.230 gewesen.

Was natürlich nicht heißt, dass Leipzig die Flüchtlinge problemlos unterbekommt. Schon 2015 hatte man arge Probleme, die nötigen Unterkünfte in der verfügbaren Zeit aus dem Boden zu stampfen. Einige davon mussten und müssen in diesem Jahr wieder aufgelöst werden.

Im Text der Vorlage des Sozialdezernats dazu: „Alle in Leipzig verfügbaren kommunalen Platzkapazitäten für die Unterbringung von Asylsuchenden und Geduldeten in Gemeinschaftsunterkünften und Pensionen sind derzeit ausgelastet. Die vorhandenen Kapazitäten reichen noch nicht aus, um die für das Jahr 2016 zu erwartende Zahl von Personen aufnehmen zu können. Weitere Unterkünfte müssen deshalb für eine Nutzung vorbereitet werden – auch angesichts der Tatsache, dass bei sieben Gemeinschaftsunterkünften mit insgesamt 2.091 Plätzen sowie 104 Plätzen in Pensionen in diesem bzw. im nächsten Jahr die Nutzung endet und einige Notunterkünfte mittelfristig durch geeignetere Objekte ersetzt werden sollen.“

Nach wie vor kommen die Asylsuchenden vor allem aus den Kriegs- und Bürgerkriegsländern, die meisten aus Syrien, Afghanistan und dem Irak.

Dabei lebten von den Personen, die zu Ende Mai 2016 Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhielten (4.911) 63 % in einer Gemeinschaftsunterkunft einschließlich Pensionen und in einem Übergangswohnheim sowie dem Übernachtungshaus für Wohnungslose, heißt es in der Vorlage. Wobei auch deutlich wird, dass nach und nach die Ankömmlinge in eigene Wohnungen und erste Integrationsprogramme wechseln. 4.293 Menschen, die einen Asylantrag gestellt haben, werden mittlerweile nach Maßgabe des SGB II betreut.

Aber die rückläufigen Zahlen sind aus Sicht der Stadt kein Grund, den Bau neuer Unterkünfte zu unterlassen. Im Gegenteil: Es werden weiter neue Kapazitäten geschaffen – auch weil eben Vieles, was 2015 entstand, nur provisorisch war.

In der Zusammenfassung klingt das so: „Für 2016 werden derzeit 2.185 neue Plätze geplant und für 755 Plätze wird die Nutzung beendet. Für 2017 sind derzeit 3.024 neue Plätze geplant und für 1.420 Plätze soll die Nutzung beendet werden. Für 2018 sind 350 neue Plätze geplant und für 600 Plätze soll die Nutzung beendet werden. Im Jahr 2019 sind derzeit keine neuen Plätze geplant, aber 1.202 Plätze sollen nicht weiter genutzt werden. – Die Nutzung von Notunterkünften wie in den Zelten und der Messehalle 17 wird so bald wie möglich beendet, wenn ausreichend andere Kapazitäten zur Verfügung stehen.“

Im Juli kommt nun zum Beispiel das ehemalige Verwaltungsgebäude der Stadtwerke Leipzig in der Eutritzscher Straße 17 – 19 als neue Gemeinschaftsunterkunft mit 369 Plätzen neu dazu, das Containerdorf An den Tierkliniken kommt im August mit 350 Plätzen dazu, das noch immer nicht sanierte Schulgebäude in der Karl-Heine-Straße 22b kommt ab September mit 310 Plätzen dazu, 306 Plätze entstehen auf dem Barnet-Licht-Platz bis Dezember als Containerdorf, 220 Plätze entstehen bis Oktober in einem ehemaligen Autohaus in der Lindenthaler Straße 63 – 65 und mit 250 Plätzen wird auch ein weiteres Containerdorf in der Braunstraße bis August bezugsfertig. Das sind zumindest für 2016 die größeren Einheiten – während zum Beispiel der Baumarkt in der Schomburgkstraße im September wieder als Asylunterkunft aufgelöst werden kann. Und auch aus dem alten Plattenbau der 3. Grundschule können die kurzzeitigen Bewohner im Dezember ausziehen. Dann kann dort – mit deutlicher Verspätung – die längst anstehende Sanierung der Schule beginnen.

Die Juni-Zahlen zu Asylsuchenden in Leipzig.

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