Sonnenblume, Froschgrün - ja, kennt man irgendwie. Sind die Grünen. Die hatten schon bisher eine der aktivsten Seiten unter den Leipziger Stadtratsfraktionen. Obwohl Aktivität ja allein noch kein Qualitätskriterium ist. Denn die ungelöste Frage aller Politik ist ja auch im Informationszeitalter immer noch: Wie informiert man die Nutzer so, dass sie wirklich etwas damit anfangen können? Und hoppla: Man stolpert über vier kaum auffallende Links.

Was schon etwas heißen will in einer Stadt wie Leipzig, die ja bekanntlich den höchsten Anteil von Migranten aller Städte in Sachsen hat. Was sich bislang kaum irgendwo spiegelt. Auch nicht auf der Homepage der Stadt, die sich bislang nur zu einem englischsprachigen Angebot durchgerungen hat.

Die Grünen versuchen es nicht nur in Englisch, Französisch und Russisch (die größte Migrantengruppe in Leipzig stammt aus den Staaten der ehemaligen GUS), sie bietet auch erstmals ein Angebot, das auf amtlichen Seiten in Sachsen selten ist: eines in leichter Sprache.

Leichte Sprache? Das ist heute ja längst nicht mehr nur ein Thema für Menschen, die beim Lesen ein paar Schwierigkeiten haben. Die schlichte Wahrheit ist: Die meisten Mediennutzer sind nach 30 Jahren Privatisierung und Boulevardisierung von Rundfunk und Fernsehen nicht mehr in der Lage, komplizierte Sachverhalte zu verstehen.

Eigentlich muss man für diese Menschen wieder ganz von vorn anfangen. So, wie es die Grünen jetzt vormachen. Was ist Politik? – „Wenn sich Menschen treffen und sagen wie sie zusammen leben wollen.“

So einfach kann man das sagen. Und so einfach kann man sagen, was alles im Leben der Leipziger tatsächlich politisch ist.

„Die neu aufgebaute Webseite www.gruene-fraktion-leipzig.de wurde nicht nur optisch aufgefrischt. Wir legen ein besonderes Augenmerk auf die Funktionalität. Sehr wichtig ist für uns ein einführendes Angebot, in einfacher Sprache die Inhalte und Grundlagen unserer Politik zu präsentieren. Wir wollen damit den besonderen Bedürfnissen von Menschen nach barrierefreier Kommunikation entsprechen. Ebenso sind nun auch Informationen in englischer, französischer und russischer Sprache verfügbar. Unsere Initiative für die barrierefreie Webseite der Stadt Leipzig wartet noch auf ihre Umsetzung, die Stadtverwaltung arbeitet daran“, betont das Grünen-Büro.

Da weiß man wenigstens, dass das gar nicht so einfach ist. Denn: „Politiker reden manchmal kompliziert. Und sie schreiben schwere Texte.“

Verwaltungen sind meistens sogar noch viel komplizierter.

Und Medien haben es immer eilig und nehmen sich meist nicht die Zeit, alles noch einmal ganz einfach zu erklären. Das geben wir gern zu. Aber wer fördert einen Extra-Redakteur, der nur dazu da ist, die wichtigsten Texte noch einmal ganz einfach zu erzählen? Das ist aufwendige Arbeit.

Und es ist viel Arbeit. Das merkt man schon beim Besuch der Grünen-Website. Denn man will ja nicht nur Politik verständlich machen, sondern auch die eigene Motivation. Das vergessen die meisten Abgeordneten immer wieder zu erzählen: Dass sie alle ganz persönliche Motive dafür haben, dass sie Politik machen. Wer behauptet, er hätte keine, der schwindelt.

„Unsere Stadträtinnen und Stadträte haben ihre Motivationen und Ziele auf ihren persönlichen Unterseiten beschrieben“, teilt denn das Fraktionsbüro der Grünen mit. „Hier ist auch zu finden, wer in welchem kommunalen Politik- und Aufgabenfeld ehrenamtlich in den Gremien des Stadtrats aktiv ist und wer welche Sprecherfunktion hat. Nicht vergessen worden sind unsere Fach- und Stadtbezirksbeiräte, die unsere Arbeit mit ihrer Kompetenz ergänzen.“

Aber natürlich möchten die gewählten Stadträtinnen und Stadträte auch, dass die Besucher der Website erfahren, was sie gerade tun. Denn die Ratsversammlung ist ja kein monolithischer Block. Es gibt durchaus ein paar Fraktionen darin, die ihr Profil deutlich vertreten. Und da wird es spannend: Denn wie packt man das so auf eine Seite, dass auch zufällige Besucher intuitiv finden, was sie suchen?

Da haben sich die Grünen die Latte recht hoch gelegt: „Obwohl wir immer aktuell sind, ist es uns zugleich wichtig, auch zuverlässig und nachvollziehbar mit der Webseite eine langfristige Datenbank über unsere Themen und Meinungsäußerungen auch aus der Vergangenheit aufzubauen. So findet man unsere Anträge von 2010 bis heute sowie Anfragen ab 2011. Die Suche-Funktion führt zu jedem verfügbaren Thema. Unsere Webseite kann, soll und will allerdings das Elektronische Ratsinformationssystem AllRis nicht ersetzen, denn wir bilden auf unserer Seite allein unsere Initiativen ab“, betont die Fraktion.

Und wer schon mal versucht hat, das Ratsinformationssystem unvoreingenommen zu benutzen, weiß, dass man dort auch scheitern kann an Verkastelung, Unauffindbarkeit, Unübersichtlichkeit. Da verzweifeln auch die Programmierer. Denn: Wie stellt man das ganze veröffentlichte Material einer Stadt dem Bürger so zur Verfügung, dass er es mit wenig Mühe auch finden kann?

Unmöglich. Es ist einfach viel zu viel. Und die Verwaltung denkt zwangsläufig in ganz anderen Schubladen als der Bürger, den nun gerade sein Stadtteil besonders brennend interessiert.

Selbst bei den Grünen sammelt sich im Lauf der Zeit eine Menge wichtiger Kram an: „Seit 2012 wurden an die 350 Pressemitteilungen herausgegeben, die man hier finden kann. Wir halten unseren ‚Ratschlag‘ – die Fraktionszeitschrift zum Nachlesen immer aktuell zum Download bereit. Auch die älteren Ausgaben seit 2010 stehen zum Download bereit. Die von unserer Fraktion im Rahmen des Livetickers berichteten Themen aus der Ratsversammlung enthalten zudem die Reden unserer Stadträte und Stadträtinnen ab 2014.“

Und da fängt das Grübeln schon an: Welcher Ratsticker unter welchem Datum ist jetzt eigentlich der richtige, um zum Beispiel die Diskussion zum Lärm in Leipzig nachzulesen? Und wo sind die Abstimmungsergebnisse, nach denen man sich auch im AllRiss dumm und dämlich sucht? Und wo ist die Themenseite, die man ansteuern kann, wenn man wissen will, was die Grünen zu Bürgerbeteiligung, Radfahren oder Kommunaleigentum denken?

Dass das alles auch auf dem Smartphone funktionieren sollte, ist ja auch so ein Gebot der Stunde: „Und weil die Datennutzung auch mobil genau so gut funktionieren soll, freuen wir uns nun sehr über die Fertigstellung der angepassten Darstellung unserer Webseite für alle mobilen Endgeräte. Das Relaunch unserer Webseite und die Nutzbarkeit für die mobilen Endgeräte (responsives Webdesign Ausgabe) wurde durch die Leipziger Firma Kommunikatisten GbR sehr gut und frisch umgesetzt und ist zur Benutzung freigegeben.“

„Jetzt kann jede Frau und jeder Mann bei der Grünen Fraktion auch in der Straßenbahn schnell nachlesen, wie das mit dem Antrag zu den Biostädten oder dem Demokratiejahr war“, kommentiert die Fraktionsvorsitzende Katharina Krefft den Relaunch. „Wer uns besucht, wird mit vielen Anregungen und Impulsen bereichert weiterblicken. Und wer uns etwas übergeben will, kann dies über das Kontaktformular gerne tun oder sich über die Fraktionsgeschäftsstelle mit uns in Verbindung setzen. Tatsächlich leben wir von Interaktivität, sie bereichert unsere Arbeit als Fraktion Bündnis ´90/ Die Grünen.“

Oh nee. Da enttäuscht uns die Suchmaschine. Auf das Suchwort Demokratiejahr spuckt sie uns „Keine Ergebnisse für Demokratiejahr (0.0037 Sekunden)“ aus. Geht es uns also wie so oft im AllRiss, wo es uns immer wieder passiert wie Doktor Allwissend im Märchen der Brüder Grimm. Man weiß genau, dass es drin sein muss. Und trotzdem sagt die Suchmaschine, dass sie es nicht findet.

Da ahnt man erst, was in der digitalen Welt eigentlich noch alles an X und Y ungelöst ist.

Und jetzt wäre es schön, wenn auch die anderen Stadtratsfraktionen noch was draufpacken. Politik müssen sie nämlich alle erklären. Und je mehr sie es tun, umso schöner ist das für die Bürger.

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