Ein bisschen ratlos schauten Heiko Rosenthal, Rüdiger Dittmar und Thomas Knorr am Freitag, 14. Oktober, dann doch drein, als sie über große anstehende Baumfällungen ab Montag, 17. Oktober, im Waldgebiet Nonne informierten. Das ist das Waldgebiet, das direkt an den Clara-Zetkin-Park angrenzt. Und Grund dafür sind kranke, absterbende Eschen. Aus Sicherheitsgründen müssen viele davon gefällt werden.

Die Ursache für das Problem, das Thomas Knorr, Sachgebietsleiter Revier Connewitz der Abteilung Stadtforsten, seit 2011 umtreibt, ist ein Schädling aus Fernost, das Falsche Weiße Stängelbecherchen, Chalara fraxinea oder Hymenoscyphus fraxineus, nicht zu verwechseln mit Hymenoscyphus albidus, dem (echten) Weißen Stängelbecherchen. Doch selbst die Fachleute haben die beiden Schlauchpilze lange verwechselt, konnten sich nicht erklären, warum das Weiße Stängelbecherchen sich auf einmal in einen schädlichen Parasiten verwandelt haben sollte, der die europäischen Eschen befällt, krank macht oder gar zum Absterben bringt.

Der Groschen fiel erst 2005 in Polen, als man den Erreger der Krankheit endlich als einen Pilz identifizierte, der eigentlich nur in Nordostasien vorkommt, der seinem europäischen Vetter aber zum Verwechseln ähnelt.

Die Schäden hatte man aber schon 1995 in Polen beobachtet, 2002 auch in Deutschland. Heute vermutet man, dass der asiatische Schädling schon in den 1970er Jahren über das Baltikum nach Europa kam. Seit mindestens 1978 ist er hier präsent. Und der Grund dafür, dass er erst seit rund 15 Jahren mit immer massiveren Schäden auffällig wird, liegt nach Vermutung der Forscher an den gestiegenen Durchschnittstemperaturen. Womit Chalara fraxinea zu den eingewanderten Lebewesen gehört, die durch die Folgen des Klimawandels begünstigt werden.

Wie das Falsche Weiße Stängelbecherchen erst die Blätter der Esche befällt und dann den ganzen Baum krank macht. Grafik: Stadt Leipzig
Wie das Falsche Weiße Stängelbecherchen erst die Blätter der Esche befällt und dann den ganzen Baum krank macht. Grafik: Stadt Leipzig

Seit 2007 ist der Schlauchpilz auch in Deutschland identifiziert, seit 2011 ist er auch in den Leipziger Stadtforsten nachgewiesen. Seitdem beobachten Leipzigs Stadtförster die Eschenbestände im ganzen Stadtgebiet. Alljährlich ziehen sie los und machen eine neue Bestandsaufnahme bei den Eschen, die nicht nur in Parks wie dem Stötteritzer Wäldchen vorkommen, sondern auch im Auenwald. Die Esche ist einer der häufigsten Bäume im Leipziger Auwald.

Allein in der Nonne sind von 18.000 Festmetern gewachsenem Holz rund 10.000 Festmeter Esche. Seit dem Frühjahr sind etliche der dort stehenden Eschen von der Stadtförsterei markiert – vorgesehen zum Einschlag.

„Wir sind jetzt noch einmal herumgegangen und haben überprüft, ob wir da richtig lagen. Und zu 95 Prozent lagen wir richtig“, sagt Knorr.

Ab Montag, 17. Oktober, geht es los, werden am Schleußiger Weg die ersten Abschnitte abgesperrt, beginnt dort der Einschlag.

Aber warum nur? Kommt der Wald mit absterbenden Bäumen nicht allein zurecht?

„Es geht vor allem um Sicherheit“, betont der zuständige Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal. Gerade durch ihre Lage am Clara-Zetkin-Park ist die Nonne einer der am stärksten frequentierten Waldabschnitte in Leipzig. Die Gefahr, dass Waldspaziergänger durch herabstürzende abgestorbene Äste oder  abgestorbene Bäume verletzt werden, sei zu groß, betont Rüdiger Dittmar, Leiter des Amtes für Stadtgrün und Gewässer. 100-jährige Eschen können immerhin Höhen von 30 und 35 Metern erreichen.

Deswegen verbinde man jetzt in der Nonne das Notwendige mit dem sowieso Geplanten. Denn als Waldbesitzer ist Leipzig gegenüber dem Freistaat auch verpflichtet, den Waldbestand durch Auslichtungen zu verjüngen und regelmäßig einige tausend Festmeter zu fällen. Im Fall der Nonne sind es jetzt 3.000 Festmeter. „Also doch schon ein erheblicher Eingriff“, betont Rosenthal. Deswegen sei es jetzt wichtig, die Bevölkerung zu informieren und vor allem darauf hinzuweisen, dass die Absperrungen an den jeweils bearbeiteten Waldwegen auch respektiert werden.

Die Baumkrone einer gesunden Esche. Foto: Ralf Julke
Die Baumkrone einer gesunden Esche. Foto: Ralf Julke

Die Leipziger Stadtforste nutzen die Gelegenheit nicht nur dazu, alle in Wegnähe stehenden kranken Eschen zu fällen. Die weiter im Waldinneren befindlichen bleiben übrigens stehen. „Wir fällen wirklich nicht alle Eschen“, sagt Knorr. Nur jene müssen weichen, deren kranker Zustand Passanten auf den Wegen gefährdet. Parallel dazu aber werden auch die Femellöcher wieder freigeschnitten, die es auch in der Nonne schon seit ein paar Jahren gibt. Femellöcher sind künstliche Lichtungen im Wald, die vor allem den dort stehenden Eichen volle Lichteinstrahlung verschaffen sollen. Die Eiche ist nun einmal der wichtigste Baum im Auenwald, so Knorr. Und sie kann ohne Licht nicht wachsen.

Die Baumfällaktion in der Nonne, die sich bis Februar 2017 hinziehen wird, verbindet also die Eingriffe gegen die kranken Eschen mit den sowieso geplanten Waldpflegemaßnahmen. Und damit sie dabei gleich die richtige Forstpraxis bekommen, hat die Leipziger Stadtförsterei das Ganze gleich zu einem Ausbildungsprojekt für die drei dort ausgebildeten künftigen Forstarbeiter gemacht. Sie werden jetzt zeigen, wie man einen Stadtwald ausholzt.

Aber nicht nur in der Nonne hat das Falsche Stängelbecherchen zugeschlagen. Auch im Stötteritzer Wäldchen sind größere Bestände von Eschen sichtlich kahl und mürbe. „Dort sind wir schon seit dieser Woche an der Arbeit“, erzählt Thomas Knorr. Auch das nicht ohne vorherige Information und Begehung – in diesem Fall mit dem Stadtbezirksbeirat Südost, der sich das Malheur vor Ort beschauen konnte. Hier werden 765 Festmeter Holz geschlagen, um die Gefahr für die Besucher des Stötteritzer Wäldchens zu bannen.

Wie der Pilzbefall die Stämme junger Eschen zerstört. Grafik: Stadt Leipzig
Wie der Pilzbefall die Stämme junger Eschen zerstört. Grafik: Stadt Leipzig

„Das Problem wird uns auch in den nächsten Jahren beschäftigen“, sagt Knorr. „Sie werden in nächster Zeit auch Mitarbeiter von uns an der ‚Linie‘ im südlichen Auenwald zugange sehen. Auch da werden wir einige Bäume, die direkt in Wegnähe stehen, fällen müssen.“

Die Beobachtungskarte für den Eschenbefall in Leipzig ist bunt gescheckt. Gerade im südlichen Auenwald vom Ratsholz bis zum Cospudener See gibt es immer wieder größere und kleinere Eschenbestände, die aufgrund des Schädlingsbefalls unter Beobachtung stehen und wo es in nächster Zeit zu Holzeinschlägen kommen wird.

Im nördlichen Auenwald gibt es deutlich weniger Schädigungen. Rüdiger Dittmar führt das auf die Tatsache zurück, dass der Leipziger Auenwald eigentlich ein Biotop verschiedenster Eschenarten ist. „Einige davon scheinen regelrecht resistent gegen den Pilz zu sein. Andere kommen ganz gut mit dem Befall zurecht“, sagt er.

Womit er eigentlich ein richtig starkes Argument genannt hat für alle Verfechter eines gesunden und wieder regelmäßig gefluteten Auenwaldes. Denn zu dieser Eschenvielfalt konnte es ja nur kommen, weil sich das Flussbiotop über Jahrhunderte entwickeln konnte und zum Zufluchtsort nicht nur für Tiere und Insekten entwickeln konnte, sondern auch für eine Pflanzenvielfalt, die die Gewässernähe liebt.

Was noch nicht bedeutet, dass Leipzig den Kummer mit den kranken Eschen so bald loswird. Ein Heilmittel gegen den parasitären Pilz ist noch nicht gefunden. Bayern meldete schon ganze Täler voller abgestorbener Eschen. Sachsen hat 2011 schon reagiert und ein Setzverbot für neue Eschen erlassen. „Wir pflanzen seitdem auch wirklich keine mehr an“, sagt Knorr.

Ob sich jetzt die anfälligen von den resistenten Eschenarten scheiden, ist noch völlig offen. „Wir wissen nicht, wie sich das noch entwickelt“, sagt Dittmar. Dazu sei die Begegnung mit dem Phänomen noch zu neu und die Erfahrungen mit dem Pilz sind zu gering. Deswegen könnten jetzt erst einmal nur Sicherungsmaßnahmen im Vordergrund stehen, damit den Waldbesuchern nichts passiert.

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