Beschlossen hat der Leipziger Stadtrat die Einrichtung eines Willkommenszentrums für Geflüchtete und MigrantInnen schon im November 2015. Jetzt ist auch klar, wo es entstehen soll: direkt an der Einmündung der Otto-Schill-Straße 2 in den Dittrichring in einem umgebauten Ladenlokal. Die Leipziger sollen sehen, dass Leipzig Integration wirklich ernst meint.

„Um eine gute Erreichbarkeit für die Zielgruppe und auch die nicht zu unterschätzende Signalwirkung in die Stadtgesellschaft zu gewährleisten, ist erforderlich, dass das WZL zentral, gut erreichbar, solitär, sichtbar und transparent untergebracht ist“, betont das Verwaltungsdezernat in seiner Vorlage. „Der gewählte Standort – eine ehemalige Ladenfläche im demnächst neu öffnenden Stadthaus Otto-Schill-Straße 2 – erfüllt diese Kriterien und die Voraussetzungen für die beschriebenen Aufgaben und Personal. Er erlaubt die Umsetzung eines offenen Raumkonzepts mit 2-3 Beratungsplätzen und einem Besprechungsbereich, die durch die Fenster zum Ring und zum Bürgeramt für Transparenz sorgen. Dieser Standort hat zudem den Vorteil kurzer Wege zu vielen relevanten Ämtern/Referaten im Neuen Rathaus und im Stadthaus. Damit bietet er sich auch für kleinere Schulungen städtischer Bediensteter an. Auch die Nähe zum jetzigen Bürgeramt Mitte, für das eine generelle Verwendung im Bereich Bürgerdialog, Planverfahren und Beteiligung geplant ist, lässt Synergien erwarten, denn dieser könnte für Info- und Begegnungsveranstaltungen von Kooperationspartnern, interkulturellen Vereinen und Migrantenorganisationen genutzt werden.“

Die Grünen hatten also den richtigen Antrag gestellt. Auch wenn die Verwaltung in ihren Stellungnahmen immer gern ein wenig abwiegelte. Denn ein recht umfassendes Informations- und Beratungsangebot für Menschen mit Migrationshintergrund gibt es ja. Nur der Ort fehlt, wo alles zusammenläuft und wo das Ankommen für Menschen, die neu in Leipzig sind,  barrierefrei möglich ist.

Und es kommen jede Menge. Leipzig als weltoffene Stadt im Westen Sachsens erzielt schon seit langem auch einen Zuwanderungsgewinn aus allen Himmelsrichtungen.

„Leipzig ist zurzeit die am schnellsten wachsende Großstadt Deutschlands. Allein im Jahr 2015 war ein Netto-Einwohnerzuwachs von fast 16.000 Personen zu verzeichnen. 10.250 von ihnen (= 64 %) hatten einen Migrationshintergrund. Auch im laufenden Jahr setzt sich diese Entwicklung fort. Zum 30.06.2016 hatten insgesamt 74.474 Einwohner/-innen der Stadt  (= 13 % der Wohnbevölkerung) einen Migrationshintergrund“, betont das Verwaltungsdezernat.

„Gelingende Integration braucht Angebote, Informationen und Service – Leipzig ist dahingehend recht gut aufgestellt. Das neue Willkommenszentrum wird als Mittler erheblich dazu beitragen, den Zugang zu den verschiedensten Dienstleistungen und Hilfsangeboten wie auch in die Bürgergesellschaft zu finden“, freut sich Petra Čagalj Sejdi, migrationspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion und Mitglied des Migrantenbeirats. „Es dient den Geflüchteten sowie den Migrantinnen und Migranten der optimalen Orientierung im städtischen Leben und wird eine Arbeitserleichterung für alle an den Integrationsprozessen Beteiligten sein. Ziel der Idee war immer, den Neuankömmlingen, Migranten und Migrantinnen und Geflüchteten in Leipzig bei ihrer Integration zu helfen, indem man eine Kompetenzen-Schnittstelle schafft, die es für diese komplexe Aufgabe braucht. So ist es sehr begrüßenswert, dass dieser Netzwerkgedanke im beauftragten Konzept, welches der Oberbürgermeister nunmehr vorgelegt hat, eine tragende Rolle spielt. So sollen Netzwerk- und Kooperationsbeziehungen mit anderen Bürgerämtern, dem Familieninfobüro, dem Welcome Center der Universität, der HWK und IHK, den Arbeitsmarktakteuren dazu beitragen, um dem Willkommenszentrum eine Strahlkraft auf die Bereiche Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung, Kultur, Sport u.a. zu eröffnen.“

Für die Stadträtin kann das Willkommenszentrum zu einem Schlüssel für eine gelingende Integration werden. Und auch die Verwaltung ändert sich ein wenig, aber noch nicht genug, wie Dr. Gesine Märtens, gleichstellungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion betont: „Die Anbindung an das Referat Migration und Integration ist in der aktuellen Verwaltungsstruktur folgerichtig. Nichtsdestotrotz wird meine Fraktion nicht müde, in diesem Zusammenhang den Oberbürgermeister aufzufordern, die Organisationsstruktur im Bereich Migration, Integration und Teilhabe auf den Prüfstand zu stellen. Wir setzen uns weiter für eine Etablierung einer eigenständigen Verwaltungseinheit ein und favorisieren dabei ein Amt für Migration, Integration und Diversität.“

Wahrscheinlich wird auch dieser Vorstoß einen langen Atem brauchen, denn wenn Verwaltungen sich nicht ändern wollen, tun sie sich schwer mit einem Jubelschrei.

Märtens: „Statt dahingehend wohlwollend eine interne und ergebnisoffene Prüfung unseres Anliegens zu veranlassen, wurde lediglich mitgeteilt, dass ein solcher Antrag rechtswidrig sei, da eine Änderung der Verwaltungsstruktur nicht im Kompetenzbereich des Stadtrates läge. Wir hoffen, der Oberbürgermeister nutzt die Weihnachtszeit tatsächlich als Zeit der Besinnung und zeigt sich im neuen Jahr offen, auch diese Strukturen zu hinterfragen und neu zu justieren.“

Das Referat für Migration und Integration bekommt zumindest zusätzliche personelle Ressourcen von mindestens 0,5 Volzeitäquivalenten (VzÄ), um erst mal die ganze organisatorische Arbeit „zur Gewinnung, Bindung und Koordinierung der o.g. Kooperationspartner und ihrer Beratungsangebote, Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit, Informationsbeschaffung, -bündelung und -weitergabe, Anlage interner Arbeitshilfen u.a.m.“ zu leisten. Eine halbe Stelle für so einen Berg Arbeit in der Anschubphase? Das hat es in sich.

Für die Personalstelle des Bürgeramts im neuen Willkommenszentrum hingegen entstehen keine zusätzlichen Kosten.

Und prüfen, ob das  Willkommenszentrum den Praxistest besteht, will man auch: „Nach einer Erprobungsphase von ca. 1,5 Jahren wird die Arbeit des WZL evaluiert, anschließend wird dem Stadtrat eine Kurzbewertung vorgelegt, die eventuell erforderliche Anpassungsvorschläge beinhaltet.“

Die Vorlage des Verwaltungsdezernats zum Willkommenszentrum.

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