Was ist erlaubt und was nicht? Welche Regeln gelten aktuell in dem Bestreben, das Coronavirus einzudämmen? Wo es ohnehin leicht ist, im Mischmasch bundesweiter-, landesweiter- und kommunaler Maßnahmen den Überblick zu verlieren, stellt die aktuelle Lage für nicht-deutschsprachige Menschen ein erhebliches Problem dar. Das Willkommenszentrum der Stadt Leipzig setzt deshalb seit einigen Wochen auf kompakte Informationen in den sozialen Medien und erleichtert damit die Arbeit zahlreicher zivilgesellschaftlicher Vereine und Initiativen in der Stadt.

„Es ist wichtig, dass wir angesichts der Pandemie noch mehr auf das Thema Integration setzen, denn wir wissen, dass gerade Menschen mit Migrationshintergrund in Berufen und Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, die als erste unter Druck geraten; vielleicht Menschen ihre Arbeit verlieren“, machte schon Kanzlerin Merkel beim Integrationsgipfel Mitte Oktober deutlich. Dass zugewanderte Menschen hart von der Krise getroffen werden, bestätigt auch der Internationale Migrationsausblick 2020 der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

Doch nicht „nur“ der Verlust der Arbeit sorgt für Unsicherheit. Noch dazu fehlen vielen Menschen mit Migrationshintergrund oftmals die Informationen. Diese findet man größtenteils auf Deutsch, mitunter wird ins Englische übersetzt. Wer dieser Sprachen nicht mächtig ist, muss sich anderweitig Hilfe suchen.

„Als es anfing mit den ersten Beschränkungen im März dieses Jahres waren wir überfordert“, erzählt Roberto Fratta, Mitglied beim Verein Deutsch Spanische Freundschaft e. V.. Eine Flut an E-Mails und Anrufen hatte den Verein im Frühjahr erreicht, mit dem Übersetzen der Informationen der Regierung ins Spanische, Arabische und viele weitere Sprachen kamen die Mitglieder/-innen kaum hinterher. „Die Menschen sind verunsichert, manche verließen in den ersten Wochen nicht ein einziges Mal ihre Wohnung, weil sie dachten, das wäre die Regel.“

Nun, mit Beginn der zweiten Welle, habe sich der Ansturm an Fragen verringert. Das Feedback zu den Social-Media-Posts des Willkommenszentrums ist enorm. „Wir merken das ganz deutlich – die Anzahl an Mails und Anrufen hat stark abgenommen und die Menschen, die sich an uns wenden, empfinden die Posts als große Hilfe“, bestätigt auch Roberto.

Seit einigen Wochen würden diese kompakt zusammengefassten und mit Bildern versehenen Informationen sogar gezielt angefragt. „Migrant[/-inn]engruppen haben ein Interesse daran, dass Regeln eingehalten werden und nicht der Eindruck einer Sonderbehandlung entsteht Dazu müssen sie die Regeln aber kennen“, führte der Politologe Gero Neugebauer in diesem Zusammenhang auch im Rahmen des Integrationsgipfels an.

Roberto Fratta weist ebenso auf die Verantwortung hin, die gemeinnützigen Vereinen, Organisationen, Gruppen und Initiativen übergestülpt wird mit der Sammlung von Informationen und Übersetzung in diverse Sprachen. Gerade in einer Situation, in der alles schnell, parallel und aktuell passieren muss, vergrößert sich das Potential für Fehler schnell – schließlich besitzt der Großteil der Menschen kaum ausreichend Expertise im Bereich Virologie, auch, wenn Teile der Bevölkerung das derzeit anders sehen.

Auch durch jene Menschen, die die Existenz und Gefährlichkeit des Virus’ anzweifeln, würden unter anderem in sozialen Medien Falschinformationen gestreut. Wer diese aufgrund von Sprachbarrieren nicht bewerten kann, läuft schneller Gefahr, zweifelhaften Quellen zu vertrauen.

Allein schon, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, sei die Arbeit der Stadt zu begrüßen. Wünschenswert wäre es, so Fratta, dort einen „Pool“ an Übersetzer/-innen zusammenzustellen und die Informationen in einheitlicher Art weiterzuleiten. Er sieht aber auch die besondere Lage, in die das ganze Land – und damit auch die Behörden – im Frühjahr geworfen wurden. „Alles gleichzeitig ist nicht zu schaffen, umso mehr hoffen wir, dass die Arbeit so fortgesetzt wird.“

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