Leipzigs Verwaltung hat ein Problem. Das hat sie auch schon selbst thematisiert: Es fällt ihr schwer, Nachwuchs mit Migrationshintergrund zu bekommen. Alle Werbekampagnen nützen nichts. Und das in der ostdeutschen Stadt – nach Berlin – mit dem höchsten Migrantenanteil. Ein Thema, das jetzt auch den Migrantenbeirat beschäftigt. Denn wo bleibt da die interkulturelle Kompetenz?

“Der Anteil von Migrantinnen und Migranten in der Stadt Leipzig steigt und lag Ende 2016 bei 77.559 Personen (13,4 %) und der Anteil von Ausländerinnen und Ausländern bei 51.861 Personen (8,9 %). Diese Veränderungen spiegeln sich noch nicht in den Mitarbeiter/innenstrukturen der Behörde wider, geschweige denn, dass sich Behördenmitarbeiter/innen in Hinblick auf Sprach- und interkulturelle Kompetenzen ausreichend auf die heterogene Gruppe der Migrant/innen eingestellt hätten”,  stellt der Migrantenbeirat in seinem Antrag an die Ratsversammlung fest.

Im Gesamtkonzept zur Integration der Migrantinnen und Migranten in Leipzig (beschlossen am 12.12.2012, vgl. RB V-1458/12) werde dazu ausgeführt: „Defizite in der interkulturellen Öffnung führen nicht nur dazu, dass Migrantinnen und Migranten das Angebot / die Leistung nicht finden oder annehmen, womit u.a. soziale Ungleichheit unterstützt wird, sondern kann auch zu Missverständnissen und Konflikten führen.“

Gleichzeitig werde aber auch konstatiert, dass „das Personalamt verschiedene Fortbildungsmaßnahmen zur interkulturellen Öffnung der Stadtverwaltung Leipzig sowie der Verbesserung fremdsprachiger Kompetenzen für Mitarbeiter/innen der Stadtverwaltung organisiert“ hat, „jedoch festgestellt werden [muss], dass die interkulturellen Fortbildungen nur von einer relativ geringen Zahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besucht wurden und in den letzten Jahren infolge fehlender Nachfrage nicht mehr angeboten wurden.“

Und das war 2012. Seitdem hat sich nicht viel geändert. Leipzigs Verwaltung ist noch so gemütlich sächsisch wie anno dunnemals. Und der Migrantenbeirat stellt fest: “Aus zahlreichen Erfahrungsberichten lässt sich schließen, dass insbesondere bei Mitarbeiter/innen städtischer Behörden wie z.B. der Ausländerbehörde und dem Sozialamt große Defizite auf der individuellen Ebene des Umgangs mit Menschen mit Migrationshintergrund gibt.”

Das passt nicht wirklich zu einer Stadt, die von sich behauptet, weltoffen zu sein. Vielleicht fängt ja die Attraktvität einer Stadtverwaltung für junge Leute mit Wurzeln in aller Welt erst dann an, wenn die Verwaltung selbst deutlich mehr interkulturelle Kompetenz ausstrahlt. Der Migrantenbeirat jedenfalls wünscht sich: “Mit diesem Antrag soll vor allem die Erlangung interkultureller Kompetenzen der Mitarbeiter/innen der Stadtverwaltung und – wenn möglich – auch der Eigenbetriebe und Beteiligungsunternehmen der Stadt forciert werden.”

Aber bevor man Vermutungen anstellt, woran es liegen könnte, dass Leipzigs Verwaltung so wenig interkulturell ist, muss man natürlich erst mal rauskriegen, was schon geschehen ist, um das zu ändern.

“Der Oberbürgermeister wird beauftragt, zu berichten, welche Maßnahmen zur interkulturellen Öffnung der Stadtverwaltung, der Eigenbetriebe und Beteiligungsunternehmen der Stadt Leipzig in den vergangenen fünf Jahren stattgefunden haben. Zudem wird er beauftragt, zu berichten, welche Maßnahmen in dem Zeitraum durchgeführt wurden, um den Bediensteten interkulturelle Kompetenzen zu vermitteln bzw. um diese zu erweitern”, ist deshalb der erste Beschlusspunkt des Antrags.

Man hört ja nichts davon. Gab es überhaupt solche Maßnahmen? Und wurde wenigstens diesmal fleißig dran teilgenommen?

Und wie sieht es damit aus, so etwas zur dauerhaften Maßnahme zu machen?

Beschlusspunkt 2 also: “Der Oberbürgermeister wird beauftragt, für die Bediensteten der Stadtverwaltung, der Eigenbetriebe und wenn möglich auch der Beteiligungsunternehmen der Stadt eine Weiterbildung zur Erlangung von interkulturellen Kompetenzen und zur interkulturellen Öffnung einmal jährlich und für alle Bediensteten verpflichtend anzubieten. Die einmal im Jahr verpflichtende Teilnahme gilt für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch für Führungskräfte (Sachgebiets- und Abteilungsleiter/innen sowie Amts- und Referatsleiter/innen). Im ersten Schritt sollen die folgenden Ämter und Behörden modellhaft dazu verpflichtet werden: Ordnungsamt, Bürgerämter, Amt für Jugend, Familie und Bildung, Standesamt und Sozialamt.”

Und damit sich die Verwaltung diesmal Rat von außen holt, gibt es noch Beschlusspunkt 3: “Um die Maßnahmen auf eine fundierte Grundlage zu stellen, werden sie wissenschaftlich evaluiert. Nach der Evaluierung werden sie bedarfsgerecht angepasst und zunächst auf weitere Ämter mit Publikumsverkehr ausgeweitet.”

Der Antrag des Migrantenbeirats.

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