Eigentlich könnte die Einführung der Gesundheitskarte für Asylbewerber in Leipzig ganz einfach sein. Acht Krankenkassen hatten in Verhandlungen mit der Stadt Leipzig ihr klares Interesse bekundet. Und dann scheiterten die Verhandlungen trotzdem, weil der Bund augenscheinlich mit dem Asylbewerberleistungsgesetz unüberwindliche bürokratische Hürden gebaut hat. Linke-Stadträtin Juliane Nagel zeigt sich gründlich verwundert.

Laut Antwort auf eine aktuelle Stadtratsanfrage der Linksfraktion wird es eben doch noch keine Gesundheitskarte für Geflüchtete in Leipzig geben. Das Dezernat Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule legt in seiner Antwort dar, dass mit insgesamt acht Krankenkassen Verhandlungen über eine kommunale Lösung geführt wurden. Die Verhandlungen seien aufgrund mangelnder Detaillösungen allerdings gescheitert.

Genauer, wie in der Antwort auf die Nachfrage der Linken nachzulesen: „Im Ergebnis der Verhandlungen zeigten verschiedene Krankenkassen an, wesentliche (sich aus dem Gesetz ergebende) Anforderungen nicht umsetzen zu können. Dies betrifft z. B. die Einschränkung des Leistungsumfangs für Personen mit gekürzten Leistungen nach § 1a Asylbewerberleistungsgesetz oder die Prüfung des Leistungsumfangs nach den §§ 4 und 6 Asylbewerberleistungsgesetz durch die Krankenkassen. Andere Krankenkassen schlugen die Fortsetzung der Verhandlungen vor, ohne jedoch Lösungsvorschläge für die Weiterarbeit aufzuzeigen.“

Womit eigentlich ein erfolgversprechender Leipziger Vorstoß vorerst in der Sackgasse gelandet ist.

Die sächsische Landesregierung hatte schon vorher klargemacht, dass sie an der Einführung einer Gesundheitskarte für Asylbewerber kein Interesse hat. Obwohl dadurch für die Betroffenen nicht nur eine Menge Fahrerei entfallen würde, sondern auch eine Menge Bürokratie.

Hintergrund der Initiative auf Einführung einer Gesundheitskarte ist die Benachteiligung von Schutzsuchenden im Asylverfahren in den ersten 15 Monaten ihres Aufenthalts in Deutschland. Sie haben in dieser Zeit keinen Zugang zur regulären Krankenversicherung und können laut Asylbewerberleistungsgesetz lediglich Akut- und Schmerzbehandlungen sowie Hilfen bei Schwangerschaft und Geburt in Anspruch nehmen. Erschwerend kommt hinzu, dass sie nicht einfach zum Arzt gehen können, sondern beim Sozialamt einen Behandlungsschein beantragen müssen, wo zumeist SachbearbeiterInnen über die Notwendigkeit der Behandlung entscheiden. Dieses Prozedere entspricht nicht fachlichen Standards und ist eine bürokratische Hürde für die Betroffenen wie auch für die behandelnden ÄrztInnen.

Die Ausreichung von Gesundheitskarten vom Tag der Zuweisung aus der Erstaufnahme in die Kommunen würde zumindest den barrierefreien Zugang zu Gesundheitsleistungen und eine fachgerechte und schnelle Erkennung und Behandlung von Krankheiten sowie auch für die Stadt eine erhebliche Reduktion des Verwaltungsaufwandes bedeuten.

Im Mai 2016 beschloss dann der Stadtrat einen Antrag der Linksfraktion zur Einführung einer Gesundheitskarte für Geflüchtete. Der Stadtrat forderte die Verwaltung auf, dahingehend Verhandlungen mit Krankenkassen aufzunehmen. Im August 2016 stellte die Verwaltung die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte mit Beginn des Jahres 2017 in Aussicht. Aber dann blieb man in den bürokratischen Regeln des Asylbewerberleistungsgesetzes hängen.

„Es ist wenig verständlich, warum die Einführung der Gesundheitskarte auf kommunaler Ebene wegen Detailregelungen nun zu scheitern droht. Sowohl Verwaltung als auch Krankenkassen sind in der Pflicht, hier ergebnisorientiert weiter zu verhandeln. In unserer Zeit muss es doch möglich sein, elektronische Lösungen auch für Ausnahmetatbestände oder eingeschränkte Leistungsberechtigungen zu finden“,  zeigt sich Stadträtin Juliane Nagel enttäuscht.

Aber sie sieht nicht allein beim Leipziger Sozialdezernat die Schuld. Denn der eigentliche Maurermeister sitzt ja in Dresden.

„Vor allem aber ist der Freistaat Sachsen in der Pflicht, sich einer landesweiten Lösung zu öffnen. Denn dann wären auch keine Insellösungen in den Kreisfreien Städten oder Landkreisen nötig“, nennt Nagel das eigentliche Problem beim Namen. Eine Regelung für ganz Sachsen, und die Sache wäre geklärt.

„Mit dem Asylverfahrenbeschleunigungsgesetz vom Oktober 2015 vereinfachte der Bund die Einführung von Gesundheitskarten auf Landesebene. Nach Hamburg und Bremen machen nun auch Flächenbundesländer, z. B. Schleswig-Holstein, Niedersachsen oder Rheinland-Pfalz, davon Gebrauch. Wo ein Wille ist, ist also auch ein Weg. Die Staatsregierung muss ihre Blockadehaltung aufgeben und die elektronische Gesundheitskarte landesweit einführen. Alle drei sächsischen Großstädte haben diese Forderung mit Stadtratsbeschlüssen bekräftigt.“

Die Antwort des Sozialdezernats auf die Anfrage zur Gesundheitskarte.

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