Die Dieselaffäre hat ein Problem wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt: Die Luftschadstoffbelastung in den großen Städten. Mehr als 60 deutschen Städten drohen Fahrverbote, weil sie dauerhaft den EU-Grenzwert von 40 µg/m3 im Jahresmittel reißen. Auch Leipzig liegt – trotz Umweltzone – Jahr für Jahr über dem Grenzwert. Aber was tut eigentlich die Leipziger Umweltbehörde, um das Problem in den Griff zu bekommen?

Das wollten die Grünen im Leipziger Stadtrat wissen, als die ersten 16 Klagen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen deutsche Städte bekannt wurden und ausgerechnet die Autostadt Stuttgart ankündigte, zwingend auf Fahrverbote für Diesel zurückgreifen zu müssen.

„Die Stickstoffdioxidbelastung wird hauptsächlich durch den Kfz-Verkehr verursacht. Der Umweltindikatorenbericht der Stadt Leipzig zeigt, dass die Stickstoffdioxidemissionen in Leipzig zwar über Jahre rückläufig waren, seit 2015 aber wieder stiegen und über dem Grenzwert von 40 µg/m3 pro Jahr liegen. Das Umweltqualitätsziel von 20 µg/m3 wurde bis heute nicht erreicht“, stellten die Grünen in ihrer Anfrage fest. „Der Jahresmittelwert für krebserregenden Ruß überschreitet durchgehend den Grenzwert. Auch hier ist das Umweltqualitätsziel in Höhe von 0,8 µg/m3 nicht erreicht. Auch die Feinstaubbelastungen sind zwar sinkend, jedoch konnte das Umweltqualitätsziel von kleiner als 50 µg/m3 nicht erreicht werden.“

Und Leipzig werde sich nicht zurücklehnen können, stellten die Grünen fest: „Nicht zuletzt der Diesel-Abgasskandal hat die Debatte um zusätzliche Möglichkeiten für die Kommune, durch restriktive Maßnahmen für eine bessere Luft zu sorgen, befeuert. Für Herbst wird das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts erwartet, wonach, je nach Urteilsspruch, Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge, ggf. auch bereits nach geltender Rechtslage, möglich sind. In Leipzig wurde trotz Umweltzone in 2016 der Grenzwert für die Belastung durch Stickstoffdioxid an den Stationen Mitte und Lützner Straße überschritten. Gegen Dieselautos, deren tatsächliche Abgaswerte die gesetzlichen Vorgaben deutlich überschreiten, hat die Kommune keine Handhabe. Aber auch wenn die Kommune sicherlich hier neue Möglichkeiten braucht, helfen diese auch nur, wenn ihre Einhaltung kontrolliert wird.“

Das Umweltdezernat hat jetzt geantwortet und nennt auch erstmals Zahlen über die Sünder, die bei den werktäglichen Kontrollen durch die Ordnungskräfte ertappt werden.

„Die Einhaltung des Einfahrtverbotes in die Umweltzone Leipzig wird im Rahmen der werktäglichen Verkehrskontrollen durch die gemeindlichen Vollzugsbediensteten sowie durch den Polizeivollzugsdienst kontrolliert. Anders als in anderen Städten sind die kommunalen Verkehrsüberwachungskräfte für das gesamte Stadtgebiet zuständig, so dass eine flächendeckende Kontrolle der Umweltzone gewährleistet ist“, betont das Umweltdezernat. „Eine Intensivierung der Kontrollen hätte nach Einschätzung der Stadtverwaltung keinen wesentlichen Einfluss auf die Luftbelastung. Die Deutsche Umwelthilfe recherchiert regelmäßig die Kontrollintensität in den deutschen Städten mit Umweltzonen. Die Stadt Leipzig wurde in dem im Jahr 2015 veröffentlichten Bericht mit der maximalen Punktzahl bewertet und bekam die ‚Grüne Karte‘ als Indiz für eine effektive Überwachung der Umweltzone.“

Man bemüht sich also, auch wenn man die Abgasschummelei der Diesel-Hersteller dabei weder aufdecken noch sanktionieren konnte. Übrigens ein Grund für den Deutschen Städtetag im Frühjahr, die Einführung der Blauen Plakette zu fordern, damit man bei Fahrverboten nicht alle Dieselfahrzeuge aussperren muss. Denn viele Diesel-Fahrzeuge, die heute die scheinbar saubere „Grüne Plakette“ tragen, erfüllen die EU-Vorgaben bei weitem nicht, müssten also dann draußen bleiben.

Und wie viele sichtbare Verstöße wurden nun festgestellt?

2015, so das Umweltdezernat, wurden 5.923 Verstöße gegen die Auflagen der Umweltzone festgestellt, für 2.866 gab es Bußgeldbescheide, für 1.169 Kostenbescheide. Wobei die Verwaltung betont, dass sie über die eingenommenen Bußgelder keine Auskunft geben könne, weil das nicht statistisch erfasst würde.

2016 stieg die Zahl der festgestellten Verstöße gegen die Umweltzone dann sogar auf 7.183 Fälle mit 3.650 Bußgeldbescheiden und 2.030 Kostenbescheiden.

Und als Erklärung: „Die o. g. Angaben beinhalten alle angezeigten Verstöße gegen das Verkehrsverbot in der Umweltzone, d. h. Feststellungen durch die Kommunale Verkehrsüberwachung, die Polizei oder andere Anzeigeerstatter (einschl. Privatanzeigen). Mehrheitlich erfolgen die Feststellungen im ruhenden Verkehr (am parkenden Fahrzeug). Im Regelfall ist der Verstoß gegen das Verkehrsverbot in der Umweltzone mit einer Geldbuße von 80 € bedroht; im Einzelfall kann entsprechend den konkreten Umständen (z. B. beim vorsätzlichen Handeln) davon abgewichen werden. Eine statistische Erfassung erfolgt lediglich hinsichtlich der Fallzahl, nicht aber in Bezug auf die daraus resultierenden Einnahmen.“

Wobei die Grünen sich natürlich besonders dafür interessierten, welche Konsequenzen Leipzigs Verwaltung nun aus der aktuellen Diesel-Affäre zieht. Kommt jetzt das Zauberwort „Fahrverbote“?

Noch nicht.

„Die Stadt Leipzig sieht sich in der aktuellen Dieselproblematik in ihrer Ausrichtung bestärkt, eine nachhaltige und intelligente Mobilität in Leipzig zu fördern“, betont das Umweltdezernat. Es ist also nicht nur die vielkritisierte Planungsbürgermeisterin, die in Leipzig für die Schaffung nachhaltiger und umweltfreundlicher Verkehrsstrukturen kämpft. Und auch wenn er noch nicht allzu viel dazu durchblicken lässt, steht auch der Oberbürgermeister dahinter. Logische Folge: „Ein Schwerpunkt der städtischen Handlungsstrategie liegt auf der Stärkung des Umweltverbundes. Dazu bedarf es eines leistungsfähigen Verkehrsmanagements, einer weiteren Verbesserung der Angebotsqualität des Rad- und Fußverkehrs sowie des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). In Leipzig wird der Grenzwert für das Jahresmittel der Konzentration an Stickstoffdioxid stellenweise überschritten, die Luftbelastung selbst ist allerdings deutlich geringer als in anderen bundesdeutschen Städten. Hierdurch eröffnet sich die Möglichkeit, durch anderweitige Maßnahmen im Bereich der Verkehrsorganisation und des Verkehrsmanagements kurzfristig eine Minderung der Luftschadstoffbelastung insbesondere an den Hotspots der Belastung zu erzielen.“

Mehr ÖPNV und Radverkehr tragen also ganz wesentlich dazu bei, die Luftreinhaltepläne in Leipzig irgendwann zu erfüllen und vor allem die Stickoxid-Belastung im Jahresmittel zu halbieren, wie es die Klimaschutzziele der Stadt vorsehen.

Trotzdem sind die Grünen besorgt und fragten: „Welche Maßnahmen des Luftreinhalteplans wird die Stadt Leipzig noch in diesem Jahr 2017 umsetzen, um ihrer Schutzpflicht gegenüber den Leipzigerinnen und Leipzigern ausreichend nachzukommen?”

Das Umweltdezernat dazu: „Der Luftreinhalteplan der Stadt Leipzig wird derzeit fortgeschrieben. Die in der Entwurfsfassung enthaltenen Maßnahmen befinden sich in der verwaltungsinternen Abstimmung. Die Maßnahmen des Luftreinhalteplans 2009 gelten vollumfänglich und sind bei Geeignetheit in Umsetzung. Eine keinen größeren Vorlauf erfordernde in diesem Jahr bereits umgesetzte Maßnahme betrifft das Durchfahrverbot für LKW > 3,5 Tonnen in der Harkortstraße. Aufgrund der festgestellten Spitzenbelastung in dieser Straße ist der Gesundheitsschutz der Anwohner dort besonders dringlich.“

Das dort umgesetzte Fahrverbot resultiert freilich aus der Klage eines Anwohners, der die überhöhten Stickoxidwerte als Grundlage für seine Klage nahm.

Die Antwort des Umweltdezernats.

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