Zur letzten Ratsversammlung machte – wohl eher ungewollt – der CDU-Stadtrat Michael Weickert deutlich, wie unsere heutige „Informationsgesellschaft“ funktioniert. Denn mit informiert hat sie kaum noch etwas zu tun. Die Nachrichtenzyklen sind auf Sekunden eingedampft und die von Existenzpanik besessenen Medien sorgen dafür, dass Themen erst durch die Berichterstattung den Wert bekommen, der sie am Ende erst als Alarmthemen erscheinen lässt. Und dann die Politik in Panik versetzt. Oder einige Politiker.

Das aktuelle Beispiel ist der scheinbar bundesweit um sich greifende Antisemitismus. Neuerdings untersetzt mit einer gemutmaßten Judenfeindlichkeit bei den Zuwanderern mit arabischem Hintergrund. Mit dem Kippa-Vorfall in Berlin scheint nun endgültig bewiesen, dass der Antisemitismus in Deutschend ein neues Ausmaß erreicht.

Was bezweifelt werden darf. Der Antisemitismus ist nicht neu. Und die meisten antisemitischen Vorfälle gehen nach wie vor auf das Konto rechtsradikaler Eingeborener. Die Polizei registriert Straftaten als Hassverbrechen, wenn zum Beispiel ein religiös motivierter Hintergrund dabei erkennbar ist.

Anfang des Jahres machte ja ein anderer Blödsinn die mediale Runde: Die scheinbar horrenden Zahlen christenfeindlicher Vorfälle. 127 hat die Polizei im Vorjahr registriert. Etliche der großen Medien berichteten so, als würden jetzt auf einmal die Christen in Deutschland zur gefährdeten Bevölkerungsgruppe werden.

Erst der Vergleich macht deutlich, dass ganz andere Hass-Kriminalität das Bild bestimmt: 1.096 Straftaten richteten sich 2017 gegen Personen, Symbole und Einrichtungen des Islam in Deutschland. Auch hier sichtbar: das fremdenfeindliche Raster der deutschen Rechtsradikalen.

Und auch die meisten der 1.495 registrierten antisemitischen Vorfälle gehen auf das Konto dieser politischen Extremisten.

Aber als dann gar noch die Geschichten über antisemitische Vorfälle in Berliner Schulen für einen neuen Hype sorgten, machte das den Leipziger Stadtrat Michael Weickert (CDU) zutiefst besorgt.

Schon der Ton seiner Stadtratsanfrage klang ziemlich aufgeregt: „In ganz Deutschland kommt es vermehrt zu antisemitischen Angriffen verbaler und physischer Art gegenüber Schülerinnen und Schülern jüdischen Glaubens. Auch steigt laut Medienberichten (bspw. Stern, BZ) die Zahl der religiös motivierten Gewalttaten in Schulen. Daher frage ich an:

Sind der Stadt Leipzig Fälle bekannt, in denen Schülerinnen und Schüler aufgrund ihrer religiösen Ansichten mit verbaler oder physischer Gewalt bedroht wurden? Wenn ja, welche Maßnahmen wurden ergriffen?

Wenn es religiös motivierte Gewalt an Leipziger Schulen gibt, wie wird diese erfasst? Lassen sich bestimmte Schulen als besondere Schwerpunkte ermitteln? Wenn ja, welche Schulen sind es? Welche Maßnahmen ergreift die Stadt?

Wenn es zu religiöser Gewalt kommt, gibt es Auffälligkeiten bezüglich der Religionszugehörigkeit? Wenn ja, welche?“

Vielleicht sollte man einige Medien doch lieber nicht lesen, wenn man nicht ständig aus einer Panik in die nächste verfallen will? „Stern“ und „BZ“ gehören schon lange zu den Medien, die das Rennen um die schnellste und lauteste Schlagzeile unbedingt mitmachen wollen. Und dann entsprechende Schlag-Zeilen produzieren.

Und was ist nun an dieser In-ganz-Deutschland-Geschichte dran? Nichts, wie das Sozialdezernat nun in seiner Antwort feststellt.

„Sind der Stadt Leipzig Fälle bekannt, in denen Schülerinnen und Schüler aufgrund ihrer religiösen Ansichten mit verbaler oder physischer Gewalt bedroht wurden? Wenn ja, welche Maßnahmen wurden ergriffen?“, hatte Weickert gefragt.

„Nein, weder dem Amt für Jugend, Familie und Bildung, noch dem Landesamt für Schule und Bildung sind religiös motivierte Gewalttaten an Schulen bekannt“, teilt das zuständige Dezernat mit.

„Wenn es religiös motivierte Gewalt an Leipziger Schulen gibt, wie wird diese erfasst? Lassen sich bestimmte Schulen als besondere Schwerpunkte ermitteln? Wenn ja, welche Schulen sind es? Welche Maßnahmen ergreift die Stadt?“, wollte Weickert wissen.

„Fälle religiös motivierter Gewalt an Schulen würden als ‚Besonderes Vorkommnis‘ dokumentiert und der Schulaufsicht sowie dem Schulträger zur Kenntnis gegeben“, erklärt das Sozialdezernat.

Weickert: „Wenn es zu religiöser Gewalt kommt, gibt es Auffälligkeiten bezüglich der Religionszugehörigkeit? Wenn ja, welche?“

Antwort: „Dem Amt für Jugend, Familie und Bildung und dem Landesamt für Schule und Bildung sind keine Fälle von religiös motivierter Gewalt an Schulen in Leipzig bekannt.“

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Es gibt 2 Kommentare

Bin ich wieder zu pessimistisch, wenn ich an die nächste Landtagswahl denke? Mit wem wird die CDU dann wohl koalieren? Mit allen anderen gegen die AfD, falls das überhaupt noch geht?

Wenn man beim lesen glatt vergisst, dass es von der CDU kommt und weiter unten denkt: typisch AfD…

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