Am heutigen Mittwoch, 18. April, wird sie im Stadtrat Thema werden: Die viel diskutierte OBM-Galerie im Neuen Rathaus. Die Linksfraktion hat ja geschafft, dass der OBM bereit ist, Erich Zeigner, den zweiten Nachkriegs-OBM, in die Galerie aufzunehmen. Wogegen sich jetzt Tobias Hollitzer im Namen des Bürgerkomitees Leipzig e.V. verwahrt. Aber vielleicht stimmen die Ratsfraktionen auch lieber dem SPD-Antrag zu. Denn wer eine OBM-Galerie anlegt, kann sich nicht einfach seine Lieblinge rauspicken.

Die SPD-Fraktion hat einen Änderungsantrag zum Antrag der Linksfraktion eingebracht. Die hatte ja nicht nur die Aufnahme von Erich Zeigner in die Galerie gefordert, sondern auch die Erwähnung der Oberbürgermeister aus der DDR-Zeit (Max Opitz, Hans Uhlich, Walter Kresse, Karl-Heinz Müller, Bernd Seidel und Günter Hädrich) wenigstens mit Kurzbiografie.

Aber auch das wäre ja nur ein Flickwerk, das sich ein Stück Geschichte schönmalt – und große Löcher lässt. Gudrun Neumann und Christian Wolff haben es ja schon deutlich angesprochen: Wer so ein Projekt anpackt, der muss die ganze Geschichte zeigen. Der kann nicht einfach das, was einem nicht gefällt, unters Bett kehren und zu tun, als hätte man damit nichts zu tun.

Wobei die SPD-Fraktion für eine abgestufte Präsentation plädiert: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, in Zusammenarbeit mit dem Stadtgeschichtlichen Museum ein wissenschaftlich fundiertes Konzept für die Porträt-Galerie der ehemaligen Leipziger Oberbürgermeister zu erarbeiten. Dabei sollen Fragen zur Bewertung verschiedener Wahlen und insbesondere zu strittigen Personen im Rahmen ihres historischen Kontextes in der Galerie thematisiert werden und Varianten zur Darstellung der historischen Personen erarbeitet werden“, lautet der Änderungsantrag.

Den die SPD-Fraktion auch begründet: „Die mittlerweile acht Jahre alten Absprachen zur Gestaltung einer Galerie der Leipziger Oberbürgermeister haben sich in der Umsetzung 2018 nicht bewährt. Gerade die Debatte um Erich Zeigner zeigt, welche Emotionalität mit einzelnen Oberbürgermeistern verbunden ist. Daher ist es nötig, ein wissenschaftlich fundiertes Konzept zur Ausgestaltung dieser Galerie zu haben, das Möglichkeiten und Varianten der kritischen Würdigung aufzeigt. Ziel soll es daher sein, eine historische Einordnung der einzelnen Persönlichkeiten und ihrer teilweise durchaus streitbaren Viten und politischen Werdegänge zu ermöglichen.

Gerade die Diskussion, wie demokratische Wahlen zu definieren und welche Oberbürgermeister zu zeigen sind, zeigt das Bedürfnis nach einer parteipolitisch neutralen Klärung auf. Hierbei soll nicht nur geklärt werden, wie strittige historische Sachverhalte zu bewerten sind, sondern auch welche Konsequenzen sie auf die Porträt-Galerie haben sollten und wie sie ggf. überarbeitet werden muss.

Es macht aus unserer Sicht wenig Sinn, einzelne Oberbürgermeister aus der historisch langen Reihe herauszugreifen und diese in der Galerie zu würdigen, wo doch auch die Oberbürgermeister, insbesondere jene während der Zeit des Dritten Reiches und der DDR, ebenso Teil der Leipziger Stadtgeschichte sind. Eine historische Kontextualisierung wäre hier angebracht.“

Denn wenn man Geschichte nicht auch mit ihren Abgründen und Brüchen zeigt, lernt man nichts draus.

So gesehen ist auch Tobias Hollitzers Standpunkt zum Antrag der Linksfraktion nicht besonders lehrreich: „Die Linkspartei folgt hier der überwunden geglaubten SED-Geschichtsklitterung, indem sie den eigentlichen vom US-amerikanischen Stadtkommandanten eingesetzten Nachkriegsbürgermeister Wilhelm Johannes Vierling dabei gänzlich ignoriert. Dass nun auch die Leipziger Stadtverwaltung die Ansichten der Linkspartei teilt und zur morgigen Stadtratssitzung am 18. April 2018 vorschlägt, einzig und allein Erich Zeigner zusätzlich in diese Galerie aufzunehmen, ist nicht nachvollziehbar.“

Wobei man das Ignorieren Johannes Vierlings nicht der Linkspartei ankreiden kann. Die hat nun mal für „ihren“ Erich Zeigner gekämpft. Für Vierling hat aber bislang niemand gekämpft, auch keine bürgerliche Partei. Natürlich macht sein Fehlen besonders sichtbar, wohin man kommt, wenn man anfängt, Lücken zu lassen. Wahrscheinlich haben all jene Recht, die die komplette Reihe der Oberbürgermeister fordern. Leipzig hat keine ungebrochene Geschichte seit 1849, sondern auch finstere und schäbige Zeiten erlebt – übrigens auch mit sich schäbig verhaltenden Teilen der Stadtverwaltung. Das lässt sich nicht einfach wegretuschieren. Aber es lässt sich benennen.

Die beste Galerie ist eine, aus der man was gelernt hat, wenn man durchgegangen ist.

Die komplette Stellungnahme des Bürgerkomitees Leipzig e.V.

Gudrun Neumann plädiert für eine komplette OBM-Galerie im Neuen Rathaus

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