Es ist deutschlandweit ein Thema. Immer wieder geraten Radfahrer in den toten Winkel von Lkw und werden überrollt. Mehrere dieser dramatischen Vorfälle haben ja im Frühjahr auch Leipzig erschüttert. Und sofort gab es ganz ähnliche Forderungen wie auch auf Bundesebene: Abbiegeassistenzsysteme sollen das Problem endlich lösen, auch im städtischen Fuhrpark. Das hatte zumindest die SPD-Fraktion angefragt.

Aber es ist wie bei so vielen Versprechungen auf eine einfache technische Lösung: Es gibt sie noch gar nicht als Normalausstattung zu kaufen.

Eine Tatsache, die auch im Bundestag schon zur Sprache kam. Die Bundesregierung hat zu dieser Thematik auf die Kleine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Andreas Wagner und weiteren Bundestagsabgeordneten der Fraktion Die Linke vom 13. März 2018 wie folgt geantwortet: „Es existieren verschiedene Nachrüstlösungen, die die Anforderungen nach Kenntnis des BMVI nicht erfüllen. Solche Nachrüstsysteme verwenden in der Regel Sensorik, die nicht hinreichend zwischen bewegten und statischen Objekten unterscheiden kann und daher anfällig für Fehlwarnungen ist.“

Die aktuell verfügbaren Abbiegeassistenzsysteme führen nicht zwangsläufig zu einer gesicherten Verbesserung der Verkehrssicherheit, stellt denn auch das Dezernat Allgemeine Verwaltung fest.

Und deswegen gibt es in der Leipziger Stadtverwaltung auch noch keine Kraftfahrzeuge mit Assistenzsystem.

„Die Fahrzeuge vom Typ LKW der Stadtverwaltung Leipzig, im Einsatz in der Branddirektion, den Bauhöfen, Sportamt, Verkehrs- und Tiefbauamt und dem Amt für Stadtgrün und Gewässer, sind nicht mit Abbiegeassistenten ausgestattet“, stellt das Verwaltungsdezernat fest.

„Es handelt sich um ca. 70 Fahrzeuge (ohne Feuerwehrfahrzeuge), deren Nachrüstung von den jeweils technischen Voraussetzungen abhängig ist. Nachrüstungen sind technisch nicht immer möglich. Nachrüstlösungen passen nicht an alle Aufbauarten von Lkw der Stadtverwaltung. Nicht alle Nachrüstlösungen, die ggf. zur Aufbauart des Lkw passen, sind zuverlässig und wirksam. (Eine gesetzliche Regelung gibt es bisher nicht.)“

Die letzte Ausschreibung für 25 Löschfahrzeuge (22 HLF und 3 MLF) im August 2017 sei ohne Abbiegeassistenten ausgeschrieben worden.

Der Grund: „Während der Erstellung der Leistungsbeschreibung sind solche Assistenzsysteme noch nicht als Serie oder Sonderausstattung bei den europäischen Fahrgestellherstellern angeboten worden.“

Ein Nachrüsten sei bei Fahrzeugen der Branddirektion zurzeit auch nicht vorgesehen. Funktionierende Systeme aus dem Zubehörhandel seien zurzeit nicht vorhanden. Aktuelle Lösung: „Einsatzfahrzeuge der Branddirektion werden zu 95 % mit einem Beifahrer besetzt. Durch den Beifahrer und moderne Spiegel (Frontspiegel, Rampenspiegel und Weitwinkelspiegel) sind alle Bedingungen erfüllt, andere Verkehrsteilnehmer zu sehen, gerade beim Rechtsabbiegen mit kreuzenden Fahrradfahrern.“

Und auch in den Eigenbetrieben und Tochtergesellschaften seien derzeitig keine Fahrzeuge mit Abbiegeassistenten ausgestattet.

Wobei die Anfrage der SPD-Fraktion nicht ganz ins Leere läuft.

„Sobald Anbieter von Feuerwehrfahrzeugen und auch für weitere LKW funktionierende Abbiegeassistenzsysteme anbieten, werden Nutzfahrzeuge künftig mit einem Abbiegeassistenten beschafft. Dafür sind zusätzliche finanzielle Mittel aufzubringen. Derzeit ist eine Nachrüstung mit Abbiegeassistenten im Haushaltsplan noch nicht geplant. Die Förderung (De-minimis) greift für die meisten Lkw der Stadtverwaltung nicht“, verspricht der Verwaltungsbürgermeister. „Da lediglich LKW mit mindestens 7,5 Tonnen Gesamtgewicht und ausschließlich für den Gütertransport bestimmte Fahrzeuge über ‚De-minimis‘ gefördert werden, müssten die Ausgaben in Höhe von mindestens 1.500,00 € pro Fahrzeug zuerst in die Haushaltsplanung 2021/2022 aufgenommen werden.“

Und dasselbe gilt auch für die Eigenbetriebe und Tochtergesellschaften – von den Transportern der Oper über die Abfallfahrzeuge bis hin zu den Einsatzwagen von Wasserwerken und LVB.

„Innerhalb der zukünftig durchzuführenden Fahrzeugbeschaffungen und der damit verbundenen vorgeschalteten Leistungsbeschreibung wird der Abbiegeassistent als Bestandteil der gewünschten Fahrzeugausstattung mit aufgenommen. Jedoch ist gemäß Rückinformation von den entsprechenden Herstellern der Einsatz dieses Ausstattungsdetails noch nicht bei allen Fahrzeugtypen möglich“, hegt das Verwaltungsdezernat die Erwartungen ein.

„Derzeit wird geprüft, für welche Fahrzeuge des EB Stadtreinigung Leipzig eine Nachrüstung technisch infrage kommen könnte. Hier steht der EB Stadtreinigung bereits in Kontakt mit den entsprechenden Zulieferern. Die Gesamtkosten werden analysiert und in die Wirtschaftsplanung aufgenommen. Es wird auch die Förderfähigkeit im Rahmen von De-minimis berücksichtigt. Derzeit werden schwere Fahrzeuge ab 7,5 t mit 2.000 Euro gefördert. Der absolute förderfähige Betrag beläuft sich jedoch auf insgesamt 33.000 Euro.“

Lkw-Durchfahrtsverbot? Abbiegeassistenzsysteme? Radnetzplanung? Eine sanfte Bitte um Rücksichtnahme

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