Vielleicht hätten sich die Fraktionen im Leipziger Stadtrat vor ihren Antragstellungen zum Doppelhaushalt 2019/2020 noch ein bisschen intensiver abstimmen sollen. In einigen Bereichen wie der Vereinsförderung haben sie es ja getan und damit die Grundlage dafür gelegt, dass ihre gemeinsamen Anträge auch Teil der Beschlussfassung werden. Aber einige nicht ganz unwichtige Posten tauchen nun doch wieder verstreut auf.

Das ist kein Zufall. Denn über alle brisanten Themen, die auch die Stadtverwaltung als Problem erkennt, wird ja auch in den Ausschüssen des Stadtrates diskutiert. Zumindest, wenn ein solcher Ausschuss existiert. Und wenn die in die Ausschüsse entsandten Stadträtinnen und Stadträte aufmerksam sind und der Verwaltung auf den Zahn fühlen.

Und das Problem in diesem Fall meldete sich im Wirtshaftsausschuss: Das Programm zur Begleitung von Unternehmensgründungen für Migrantinnen und Migranten läuft aus. Es gibt keine Nachfolgefinanzierung. Deshalb steht es auch nicht im Entwurf zum Doppelhaushalt 2019/2020.

Ein Unding, findet zum Beispiel FDP-Stadtrat Sven Morlok. Denn das Programm war immer stärker nachgefragt, als es das Budget eigentlich hergab. „In den vergangenen drei Jahren haben wir uns darum gekümmert, dass die Flüchtlinge alle ein Dach über dem Kopf haben“, sagt Morlok. „Aber die eigentliche Integration fängt jetzt erst an.“

Heißt: Jetzt müssen die Menschen eine Chance bekommen, sich ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. „Und gerade Migranten haben eine hohe Motivation, sich selbstständig zu machen.“

Aber da sie noch nicht so sicher in Sprache und Bürokratie sind, brauchen sie oft eine professionelle Unterstützung bei Behördengängen oder auch entsprechende Sprachmittler. Erfolgreich angewendet wurden die Projektgelder schon in den Bereichen Gastronomie und Dienstleistungen, so Morlok. Da wäre es ein Unding, gerade dieses Programm jetzt auslaufen zu lassen. „Wir dürfen die Migranten und Migrantinnen gerade jetzt nicht hängenlassen.“

Also schrieb die Freibeuter-Fraktion einen eigenen Antrag, das Programm zur Unternehmensgründung von Migrantinnen und Migranten weiterzuführen und in den Jahren 2019 und 2020 jeweils mit 30.000 Euro zu untersetzen.

Und dann blättert man die langen Antragslisten der anderen Fraktionen durch und merkt – zumindest zwei haben das Problem genauso wahrgenommen. Und dann ebenfalls eigene Änderungsanträge zum Doppelhaushalt geschrieben.

Die SPD-Fraktion zum Beispiel.

„Für die Fortsetzung des Migranten-Gründerprojektes im Unternehmensgründerbüro werden für die Jahre 2019 und 2020 jeweils 18.000 Euro im Haushalt zur Verfügung gestellt.“

Und die SPD begründet das Anliegen so: „Das Gründerprojekt für Migranten arbeitet in Bezug auf das Verhältnis von Teilnehmenden an den Coachings und den daraus resultierenden tatsächlichen Unternehmensgründen sehr erfolgreich, sodass eine Fortführung des Projekts wünschenswert ist. Das Gründerprojekt für Migranten ist darüber hinaus ein gutes Beispiel für erfolgreiche Integrationsarbeit.“

Genau das ist jetzt das große Thema. Und so sieht es auch die Linksfraktion, die genau wie die SPD-Fraktion 18.000 Euro pro Jahr als Unterstützung für machbar hält.

Sie begründet den Antrag noch ein bisschen ausführlicher: „Die Gründungsunterstützung für Migrantinnen und Migranten wurde mit dem Ziel eingeführt, diese Menschen nachhaltig zu integrieren und von staatlichen Transferleistungen unabhängig zu machen. Dafür werden sie auf dem Weg zur wirtschaftlichen Selbstständigkeit gezielt gefördert.“

Und bei der Projektbeschreibung liefert die Linke auch gleich noch ein paar Zahlen mit: „Die Förderung erfolgt intensiv und bedarfsgerecht. Nach einem Erstgespräch folgen inhaltliche Workshops und individuelle Beratungen zum Thema Existenzgründung. Unterstützung wird auch im Umgang mit Ämtern und Behörden gegeben, sodass sprachliche und kulturelle Barrieren auf dem Weg zur Selbstständigkeit überwunden werden.

Das Interesse daran ist sehr groß. Das Projekt ist bislang erfolgreich verlaufen. Im Jahr 2017 nahmen 271 Migrantinnen und Migranten am Programm teil. 81 Teilnehmer waren Bezieher von ALG II. 61 nutzten die intensive Betreuung, und das führte zu 34 erfolgreichen Gründungen. Damit sind 34 Selbstständige und ihre Familien Teil einer gelungenen Integration.

Diejenigen Gründer, die nicht mehr auf Transferleistungen angewiesen sind, tragen auch zu Einsparungen im Stadthaushalt bei. Das wurde bisher mit finanziell eher bescheidenen Mitteln (jährlich 26.400 €) erreicht. Umso unverständlicher ist die geplante Streichung dieses erfolgreichen und zukunftsorientierten Angebotes.“

Auch für Sven Morlok ist die Streichung unverständlich, weil das eines der wenigen Förderprogramme ist, die sich schon nach wenigen Gründungen rechnen, also dem Haushalt eine viel größere Entlastung bringen, als ursprünglich als Förderung eingesetzt wurde.

Da müssen sich jetzt eigentlich nur noch drei Fraktionen zusammensetzen und einen gemeinsamen Vorstoß draus machen. Dann dürfte auch das im neuen Doppelhaushalt seinen Platz finden.

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Ach, deswegen die ganzen Barber-Shops und neuen Döner Läden in Eisenbahnstraße und Jahnallee. Hab mich schon gewundert…

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