Es wurde schon viel orakelt darüber, welche Strukturprojekte nun in den Kohleregionen vom Bund finanziert werden, um den Kohleausstieg abzufedern. Die Landkreise und Kommunen haben alle möglichen Projekte angemeldet, ein regelrechter Gemischtwarenladen. Darin auch jede Menge uralter Pläne, die wieder nur die Umwelt schädigen. Der BUND Leipzig warnt davor, ausgerechnet für solche Dinosaurier-Projekte wieder Geld auszugeben und die Umwelt zu zerstören.

Die Fördermittel aus dem Strukturgesetz zum Kohleausstieg dürfen nicht für neue Klimasünden verwendet werden. Das fordert der BUND Leipzig angesichts von Klimawandel und weltweitem Artensterben. Viele der Vorschläge, die unter den Begriffen „Nachhaltige Mobilität“ und „Grün-Blaue-Infrastruktur“ angepriesen werden, entpuppen sich als teure Straßenbau-Projekte oder Kanalbauten

„Für die Schaffung einer postfossilen Gesellschaft als Reaktion auf den Klimawandel sind derartige Projektvorschläge ein Rückschritt“, kritisiert der Vorsitzende des BUND Leipzig, Martin Hilbrecht. „Es werden Unsummen in den Ausbau des Straßennetzes gesteckt und dies noch als ÖPNV-Förderung getarnt. Projekte zum Radverkehr oder Radschnellwege fehlen hingegen. Was das mit Nachhaltigkeit zu tun haben soll, bleibt ein Geheimnis. Das ist Klientelpolitik aus dem Betonzeitalter, aber keine Zukunftsorientierung.“

Als Oberbürgermeister Burkhard Jung die Leipziger Antragsliste vorstellte, verwies er auf die Eile, mit der die angemeldeten Projekte in den Ämtern der Verwaltung zusammengekehrt wurden. Augenscheinlich meldete jeder Amtsleiter an, was schon ewig in der Schublade lag. Darunter Projekte, die schon storniert wurden, weil sie überhaupt nicht mit den Klimazielen der Stadt vereinbar sind.

Während der Leipziger „Agra-Tunnel“ im Zuge der B2 in Anbindung an den Südraum für den BUND noch nachvollziehbar scheint, sei die Schließung des Mittleren Straßenrings quer durch Parkanlagen und Auenlandschaft absolut inakzeptabel. Erst kürzlich demonstrierten die Bewohner des Leipziger Ostens mit einem großen Spaziergang gegen das Wiederaufleben dieses 200-Millionen-Euro-Trassenneubaus.

Auch die Vorschläge zum technischen Gewässerausbau stoßen beim BUND auf Unverständnis.

„Stadt und Freistaat kommen seit Jahren ihren Verpflichtungen für einen naturnahen Gewässer- und Auenzustand nicht nach. Anstatt die als Folge der Kohle-Industrie kanalisierten Flüsse wieder zu beleben, stehen Elster-Saale-Kanal, Markkleeberger Wasserschlange und die Öffnung der Alten Elster auf der Wunschliste“, verweist der Leipziger BUND-Vorsitzende auf die teuren Projektanmeldungen.

Für solche höchst umstrittenen Motorboot-Projekte des Wassertouristischen Nutzungskonzepts (WTNK) solle nun die Bundesregierung zunächst 250 Millionen Euro lockermachen. Kostensteigerungen und weitere WTNK-Projekte seien absehbar. Der BUND Leipzig kritisiert schon lange, dass beispielsweise die Öffnung der Alten Elster der Leipziger Nordwestaue endgültig das Wasser abgraben würde und die Perspektive des Elsterbeckens zunächst einer Prüfung zu unterziehen wäre.

In diesem Zusammenhang aufschlussreich sei die aktuelle Studie zur landseitigen „Inwertsetzung des Elster-Saale-Kanals“ durch einen Radweg. Für insgesamt nur 7 Millionen Euro könnten so wesentliche Impulse für Sport, Naherholung und Tourismus gesetzt werden. Ein späterer Ausbau für Motorboote würde jedoch die Rudersportnutzung komplett infrage stellen.

Hilbrecht appelliert daher an Bundesregierung und Gesetzgeber: „Gehen Sie den unsinnigen Projektvorschlägen nicht auf den Leim. Verabschieden Sie ein Strukturgesetz, das den Ausbau des ÖPNV und des Radverkehrs sowie die Revitalisierung der Leipziger Flüsse und Auen vorsieht. Ein nachhaltiges Leipzig bietet echte Chancen für Lebensqualität und Wertschöpfung – für alle Leipziger und Gäste. Wer beim Strukturwandel gefördert werden will, muss auf die weltweiten Veränderungen Antworten liefern, statt neue Klimasünden zu begehen.“

Stadträte fragen, Verwaltung antwortet: Jobcenter, Kohleausstieg und Nahverkehrsplan + Video

Stadträte fragen, Verwaltung antwortet: Jobcenter, Kohleausstieg und Nahverkehrsplan + Video

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Endlich redet auch mal einer der großen Leipziger Naturschutzvereine Klartext: Die Gelder gehören in Projekte zur Wiedergutmachung der Schäden, die durch den Kohleabbau angerichtet wurden! Die Renaturierung der noch verbliebenen, aber durch fehlendes Wasser zunehmend entwerteten Auenlandschaften; insbesondere die Weißen Elster bietet hierfür viel Potential in und um Leipzig! Nicht mal Radwege und ÖPNV hätten im eigentlichen Sinne dort etwas zu suchen, das sind klassische Sturkturentwicklungsaufgaben (für die nur deswegen kein Geld da ist, weil der politische Wille dafür fehlt, gerade wieder zu erleben an den völlig fehlgeplanten und von Leipzig unwidersprochen abgenickten ICE-Brückenneubauten im Nordwesten) schon gar nicht eine Kopfgeburt von Lobbyisten wie der Elster-Saale-Kanal und weitere Grün- und Naturzerstörung für den Autoverkehr. Man darf gespannt sein, wie ausdauernd und ggf. nachdrücklich das Engagement des BUND bezogen auf dieses Statement ist und ob es überhaupt diejenigen erreicht, die über die Verteilung zu entscheiden haben.

Schreiben Sie einen Kommentar