Es ist eine berechtigte Sorge, die André Paul da als simpler Einwohner der Stadt Leipzig umtrieb. Denn als Oberbürgermeister hat Burkhard Jung ja schon ein volles Arbeitspensum. Aber dazu kommen dann noch 43 diverse nebenamtliche und ehrenamtliche Tätigkeiten. Und seit Juni ist Jung ja auch noch Präsident des Deutschen Städtetages. Wie kriegt er das eigentlich alles unter einen Hut, wollte Paul wissen. Und der nächste OBM-Wahlkampf beginnt ja gerade erst.

Denn am 2. Februar 2020 will Burkhard Jung ja zum dritten Mal Oberbürgermeister von Leipzig werden. Ein echter Herausforderer ist nicht in Sicht. Aber das bedeutet ja nicht, dass diese Wahl ein Spaziergang wird.

„Ich bin ein ,normaler‘ Einwohner der Stadt Leipzig, das heißt: Arbeit, Essen, Schlafen, Familie, Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstags, Sonntag, immer derselbe Rhythmus. Und ganz oft reichen die 24 Stunden des Tages um allen Zwängen, Verpflichtungen, Verantwortungen und Schönheiten des Lebens gerecht zu werden, einfach nicht aus“, stellte André Paul in seiner Einwohneranfrage fest. „Nun sind die Konsequenzen meiner Handlung weniger bedeutsam, und wirken auf ein geringeres Umfeld, wie des Oberbürgermeisters. So beschäftigt mich die Frage: wie der Oberbürgermeister Jung all seine Verpflichtungen, Verantwortungen und Schönheiten in 24 Stunden, 7 Tagen, 4 Wochen, 12 Monaten gerecht wird.“

Eigentlich genug Arbeit, oder nicht?

„Leipzig ist eine Stadt mit vielen Herausforderungen und braucht, meiner Meinung nach, viel Aufmerksamkeit“, betonte André Paul. „Oberbürgermeister Jung ist in weiteren 43 (!) (laut Oberbürgermeister Burkhard Jungs Übersicht Einkünfte und Nebentätigkeiten 2017) Verpflichtungen und Verantwortungen, neben der des Oberbürgermeister von Leipzig, tätig. Also wie viele Stunden von einem Tag ist Oberbürgermeister Jung der Oberbürgermeister von Leipzig – der Bürgerinnen und Bürger der Stadt Leipzig, wie viele Stunden von einem Tag ist Oberbürgermeister Jung der Präsident des Deutschen Städtetags, wie viele Stunden von einem Tag ist Oberbürgermeister Jung für Unternehmen (Sachen Bank, Stadt und Kreissparkasse Leipzig, Ostdeutscher Sparkassenverband, European Energy Exchange AG, Mitteldeutsche Flughafen AG und viele andere) tätig? Ist der Oberbürgermeister, bei 43 Ehrenämtern, Nebentätigkeiten und Tätigkeit im Hauptamt in der Lage die Verpflichtungen des Amts des Oberbürgermeister, der Bürgerinnen und Bürger der Stadt Leipzig, gerecht zu werden? Welche zeitlichen Ressourcen binden die Ehrenämtern, Nebentätigkeiten und Tätigkeit im Hauptamt in 24 Stunden, 7 Tagen, 4 Wochen, 12 Monaten?“

Burkhard Jung hat ihm nun geantwortet.

Aber irgendwie scheint er keinen wirklich genauen Terminkalender zu haben. Denn zu seinem nebenamtlichen Zeitaufwand erklärt Burkhard Jung: „Eine Aufsplittung des Zeitaufwandes für die im Rahmen meiner Nebentätigkeiten, öffentlichen Ehrenämter oder im Hauptamt wahrgenommen Aufgaben pro Tag ist nicht möglich, da der Arbeitsaufwand stark variiert und von vielen unterschiedlichen Faktoren abhängt.“

Und dazu kommt, dass er viele der ehrenamtlichen Aufgaben nicht in seiner Freizeit wahrnimmt, sondern in seiner Funktion als Oberbürgermeister. Da gehören sie dann, so Burkhard Jung, zur ganz normalen Arbeitszeit: „Das heißt: diese Aufgaben (2017: 20 Gremienmitgliedschaften) führe ich nicht neben meiner Tätigkeit als Oberbürgermeister aus, sondern sie stellen einen Teil meiner Tätigkeit als Oberbürgermeister dar. Gleiches gilt auch teilweise für die von mir bekleideten öffentlichen Ehrenämter. So ist beispielsweise im § 10 Abs. 1 des Gesetzes über die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute im Freistaat Sachsen und die Sachsen-Finanzgruppe festgelegt, dass bei Sparkassen, bei denen eine Kreisfreie Stadt Träger ist, der Leiter der Verwaltung des Trägers, also der OBM, Vorsitzender des Verwaltungsrates ist. Mit anderen Worten, die Funktion des Vorsitzenden des Verwaltungsrates ist per Gesetz an das Amt des Oberbürgermeisters gekoppelt.“

Wenn Jung also zu Aufsichtsratssitzungen diverser kommunaler Unternehmungen fährt, ist das Arbeitszeit als OBM, kommt also nicht obendrauf.

„Durch meine – als Nebentätigkeiten eingestuften – Gremienmitgliedschaften, welche überwiegend auf einen Stadtratsbeschluss basieren, vertrete ich in diesen Gremien die Interessen der Stadt Leipzig und damit der Bürgerinnen und Bürger und übe diesbezügliche Steuerungs- und Kontrollfunktionen zum Wohle der Stadt aus. Dies vorwiegend in Funktionen im Aufsichtsrat, Stiftungsrat, oder als Präsident“, betont Jung. Aber ohne Überstunden geht das auch nicht: „Unbestritten habe ich als Oberbürgermeister ein hohes Arbeitspensum zu bewältigen, welches neben einem ausgezeichneten Zeitmanagement auch eine Reihe von Abstrichen im privaten/persönlichen Bereich erfordert. Darüber hinaus werde ich insbesondere bei der von mir im Rahmen meines Hauptamtes ausgeübten Tätigkeiten durch meine Mitarbeiter/-innen und Beigeordneten in der Stadtverwaltung tatkräftig unterstützt. Das Amt des Präsidenten des Städtetages wird z. B. durch eine Geschäftsstelle unterstützt und begleitet.“

Auf die dritte Frage – die nach den zeitlichen Ressourcen, die die Ehrenämter, Nebentätigkeiten und die Tätigkeit binden – wich Burkhard Jung dann wieder aus. Vielleicht war ihm das zu persönlich oder er wollte nicht verraten, wie viele Überstunden an so einem OBM-Job hängen.

„Im Rahmen meiner ausgeübten Nebentätigkeiten habe ich im Jahre 2017 an 36 Sitzungen und im Jahre 2018 an 51 Sitzungen teilgenommen. Die Anzahl der Sitzungen bezüglich der öffentlichen Ehrenämter belief sich sowohl im Jahr 2017 als auch im Jahr 2018 auf 21.“

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Es gibt 2 Kommentare

“… vertrete ich …. die Interessen der Stadt Leipzig und damit der Bürgerinnen und Bürger…”

Nein, tut er nicht. Warum diese Lügen? Bei anderen wären diese als Fake entlarvt worden. Jung vertritt nicht die Interessen der Bürgerinnen und Bürger. Er vertritt die Gemeinde.
Art. 28 Abs. 4 GG (kommunale Selbstverwaltung) können die Bürgermeister im Schlaf herbeten. Damit ihnen ja niemand auf ihre klebrigen Finger haut, wenn sie wieder sinnlos Steuergeld zum Fenster rausschmeißen.

In Deutschland besteht ein Über-/Unterordnungsverhältnis Staat (dem die Kommune zuzurechnen ist)/Bürger. Wie man aus diesem bestehenden Interessenkonflikt die Interessen der Bürger wahrnemen will, ist schleierhaft.

Jung vertritt also die Gemeinde als selbstständiges Rechtssubjekt. Diese tritt oft genug gegenüber dem Bürger auf. Und zwar gegen den Bürger, um keine Zweifel offen zu lassen. Siehe Flughafen, Forstwirtschaftsplan/Abholzung Auwald, Gewässerausbau und Gewässermotorisierung, etc..

§51 SächsGemO
“ Der Bürgermeister ist Vorsitzender des Gemeinderats und Leiter der Gemeindeverwaltung. Er vertritt die Gemeinde.“

https://www.revosax.sachsen.de/vorschrift/2754-Saechsische-Gemeindeordnung#p51

Der Herr OBM hat wie ein Fuchs geantwortet.
Allerdings wirft das allgemeine Fragen zum Verständnis dieses Systems, welches sogar mit Verordnungen reglementiert wird, auf:

Wenn der OBM im Rahmen seines ‘Hauptamtes’ öffentliche Ehrenämter wahrnimmt, gehört das zum Job.
Wieso bekommt er dann Aufwandsentschädigungen gezahlt?

Beispiel 2017:
Für 4 öffentliche Ehrenämter der Sparte Sachsenbank / Sparkassen bekam er EUR 21963; davon führte er EUR 2196,30 an die Stadt ab. Den Rest (EUR 19767) darf er versteuern und behalten! Wow!

Die Vergütungen, die aber dem Hauptamt zugeordnet werden, sind eher ein Witz. EUR 1024,52.
Diese wanderten in die Haushaltskasse.

Aber auch unabhängig von der Entlohnung sind 43 artfremde Tätigkeiten, die nicht unmittelbar mit dem ursprünglichen Aufgabengebiet eines Oberbürgermeisters zu tun haben, nicht zu vermitteln.
Was bleibt dann für Zeit für die tatsächlichen Aufgaben des OBM übrig?

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