Im April gab der Stadtrat der Verwaltung eine richtig harte Nuss zu knacken auf. Denn da lehnte er mit großer Mehrheit eine Erhöhung der Kita-Beiträge ab. Die eigentlich fällig gewesen wären, damit die Stadt die Regularien und Bemessungsgrenzen des Freistaats bei den Kita-Beiträgen einhält. Das hat Folgen, denn die 9,6 Millionen Euro für die fällige Erhöhung hatte die Stadt schon im Doppelhaushalt 2025/2026 eingeplant.

Die fehlen einerseits. Andererseits scheint – so FDP-Stadtrat Sven Morlok – eine Mehrheit im Stadtrat für die Erhöhung der Leipziger Kita-Beiträge zu sein. Aber das bitteschön einkommensabhängig.

Denn die Probleme entstehen bei all jenen Eltern, die knapp über der Grenze verdienen, bis zu der die Stadt Beiträge in den Kindertagesstätten erlassen kann. Weswegen die Freie Fraktion auch keinen Antrag stellte, die Kita-Beiträge nun doch zu erhöhen, sondern den Oberbürgermeister nach Dresden zu schicken, damit er sich – nach dem Vorbild anderer Bundesländer – dafür einsetzt, dass Kita-Beiträge in Sachsen einkommensabhängig erhoben werden können.

„Derzeit ist in Sachsen keine einkommensabhängige Gestaltung der Kitabeiträge möglich. Das führt dazu, dass insbesondere Familien, welche mit ihrem Einkommen knapp über der Grenze des Leipzig-Passes liegen, erheblich belastet werden und Bezieher von sehr hohen Einkommen in den Genuss niedriger Beiträge kommen“, heißt es im Antrag der Freien Fraktion, den Sven Morlok am Pult auch erstaunlich emotional begründete.

„In Sachsen verfügt die Staatsregierung derzeit über keine parlamentarische Mehrheit und ist bei Gesetzen auf die Zustimmung von Oppositionsabgeordneten angewiesen. Dies schafft Einflussmöglichkeiten aller Leipziger Landtagsabgeordneten.

Der Oberbürgermeister wird deshalb beauftragt, das Thema mit den Leipziger Landesabgeordneten zu thematisieren, ihre Positionen transparent zu machen, diese dem Stadtrat zu berichten und den weiteren Handlungsbedarf klar zu definieren.“

Denn eigentlich muss der Sächsische Landtag nur die Regularien verändern und den Kommunen ein Mittel in die Hand geben, die Kita-Beiträge an den Einkommensverhältnissen der Eltern auszurichten.

Eine erstaunliche Kooperation

Was dann – erstaunlicherweise – zwei Ratsmitglieder zusammenbrachte, die man in dieser Konstellation noch nie hinter einem gemeinsamen Antrag sah: den Vorsitzenden der CDU-Fraktion, Michael Weickert, und die Vorsitzende der Linksfraktion, Franziska Riekewald. Sie fanden, das Thema gehöre eindeutig auf die Bundesebene. Und deshalb wollten sie den OBM gleich nach Berlin schicken, damit er sich sogar für eine echte Reform – einen beitragsfreien Kita-Besuch – einsetzt.

Frau Franziska Riekewald (Die Linke) im Leipziger Stadtrat am 26.11.2025. Foto: Jan Kaefer
Franziska Riekewald (Die Linke) im Leipziger Stadtrat am 26.11.2025. Foto: Jan Kaefer

„Das bestehende System der Kindergeldzahlungen stellt sich derzeit zuallererst als großangelegte Umverteilungsmaßnahme mit hohem Verwaltungsaufwand dar. Das den Eltern ausbezahlte Kindergeld wird als Kita- oder Hortbeitrag bzw. für die Essensversorgung wieder vollständig oder gar in größerem Umfang wieder an den Staat zurückgezahlt“, begründeten sie ihren gemeinsamen Antrag.

„Mit einer kompletten Neuausrichtung in diesem Bereich ist es möglich, Steuergelder zielgenauer und effektiver einzusetzen und auch Diskussionen über die Höhe kommunaler Elternbeiträge künftig zu vermeiden.“

Ihr dritter Antragspunkt „Wegfall staatlicher Kindergeldzahlungen bzw. Reduzierung auf ein erforderliches Minimum gekoppelt am Nachkommen der Schulpflicht im Grundschulalter“, um die Beitragsfreiheit in Kitas und Horten gegenzufinanzieren, löste dann freilich einige Ratlosigkeit in der Ratsversammlung aus, sodass sich Franziska Riekewald genötigt sah, den Punkt genauer zu erläutern und darauf hinzuweisen, dass das Sozialsystem gerade beim Kindergeld sowieso ungerecht ist und Bürgergeldbezieher das Kindergeld sogar vorenthalten wird.

Herr Michael Weickert (CDU) im Leipziger Stadtrat am 26.11.2025. Foto: Jan Kaefer
Michael Weickert (CDU) im Leipziger Stadtrat am 26.11.2025. Foto: Jan Kaefer

Aber das macht die Sache nicht einfacher. Und OBM Burkhard Jung erinnerte daran, dass die aktuelle Regierung in Berlin sowieso schon heillos in Debatten um das deutsche Sozialsystem verstrickt ist und sogar droht, wichtige Sozialleistungen zu streichen, weil die Regierung den Bundeshaushalt nicht mehr finanziert bekommt.

Die Steuerpolitik für die Superreichen hat ihren Preis. Und gerade die Union kennt da nur eine Lösung: bei den Sozialsicherungen zu sparen, also bei den eigentlich Bedürftigen.

Für die Kitas sind Kommune und Land zuständig

Was dann auch die Frage mit sich brachte: Wer bezahlt dann eigentlich, wenn OBM Burkhard Jung das Wunder vollbrächte, die Bundesregierung dazu zu bringen, die Kita-Beiträge abzuschaffen? Die Kommune kann diese Mehrkosten nicht tagen. Der Bund müsste also Geld zuschießen.

Aber der Bund ist für die Kitas gar nicht zuständig, erinnerte Burkhard Jung. Für den Betrieb der Kindertagesstätten sind allein die Kommunen zuständig und die Länder stehen mehr oder weniger in der Pflicht, anteilig Kosten zu übernehmen. Weswegen der Weg nach Dresden natürlich sinnvoller ist. Und so bekam der Antrag der Freien Fraktion, der den OBM auffordert, genau das zu tun, auch eine deutliche Zustimmung mit 37:26 Stimmen.

Herr Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) im Leipziger Stadtrat am 26.11.2025. Foto: Jan Kaefer
Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) im Leipziger Stadtrat am 26.11.2025. Foto: Jan Kaefer

Den Antrag von Franziska Riekewald und Michael Weickert stimmte die Ratsversammlung dann punktweise ab. Die ersten beiden Punkte bekamen eine klare Zustimmung: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, sich auf Bundesebene für eine grundsätzliche Neuausrichtung der Sozialleistungen mit folgenden Eckpunkten einzusetzen: Elternbeitragsfreiheit in Kinderkrippe, Kindergarten und Hort; kostenloses Essen in Kindertageseinrichtungen und Schulen …“

Nur beim dritten Punkt folgte die Ratsmehrheit nicht dem Anliegen, einen „Wegfall staatlicher Kindergeldzahlungen bzw. Reduzierung auf ein erforderliches Minimum gekoppelt am Nachkommen der Schulpflicht im Grundschulalter“ zu verlangen.

Aber selbst das Vorsprechen von Leipzigs Oberbürgermeister beim Bund, um dort für die Beitragsfreiheit von Kita, Hort und Kita-Essen zu werben, hält Burkhard Jung für ganz schwierig. Den Antrag müsste wohl die Unionsfraktion im Bund selbst an Friedrich Merz richten.

Die aktuelle Debatte um die Sozialstaatsreform wäre schon schwierig genug und Jung erwartet bestenfalls zwei kleinere Reförmchen, aber kein echtes Reformpaket. Dazu bräuchte man wohl einen Bundeskanzler mit wirklich breiten Schultern, der auch eine Idee davon hat, wie ein gut funktionierender Sozialstaat ohne Antragschaos tatsächlich aussehen könnte.

Die Chancen, wenigstens in Sachsen eine Änderung zu bewirken, hält Jung für deutlich größer.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar