Es ist zwar ein echtes Novum, dass Oberbürgermeister Burkhard Jung ein Sofortprogramm zum Klimanotstand der Stadt Leipzig vorlegt, das der Stadtrat nun beschließen soll. Aber auch aus Sicht der Leipziger „Scientists for Future“ schafft es das Programm nicht ansatzweise, Leipzig auf den Kurs zu bringen, seine Klimaziele für das Jahr 2026 zu erreichen. Dann hat Leipzig nämlich sein Co2-Budget rechnerisch völlig aufgebraucht, ohne dass die Emissionen tatsächlich spürbar gesunken sind.

Am 30. Oktober 2019 hat der Leipziger Stadtrat den „Klimanotstand“ ausgerufen. Nun wird ein Sofortmaßnahmen-Programm aufgelegt, das am Mittwoch, 8. Juli, wahrscheinlich beschlossen werden soll. Mit anderen Maßnahmen zusammen (z. B. im Rahmen des Energie- und Klimaschutzprogramms) soll es helfen, den Ausstoß von Treibhausgasen in Leipzig zu reduzieren.

„Wir als ,Scientists 4 Future, Leipzig‘ begrüßen jegliche Maßnahmen zum Klimaschutz außerordentlich. Allerdings möchten wir auch hervorheben, dass die bisher geplanten Maßnahmen bei weitem nicht ausreichen“, sagt der Physiker Dr. Christoph Gerhards stellvertretend für die Leipziger Gruppe „Scientists for Future“.

Die Tatsache wird umso brisanter, als auch die Bundesregierung nicht wirklich begriffen zu haben scheint, wie dramatisch die klimatischen Veränderungen schon sind. Die Entscheidungen zum Kohleausstieg sind nicht mal ein Kompromiss, sondern ein einziger Kotau vor den alten Kohlekonzernen.

Dabei war man in Paris 2015 schon weiter.

„Aus dem Pariser Klimaschutzabkommen kann ein Emissionsbudget abgeleitet werden, das jedem Bürger zusteht. Im Begleittext zu den Sofortmaßnahmen wird darauf hingewiesen, dass dieses Emissionsbudget schon 2026 aufgebraucht sein könnte“, stellt Gerhards fest.

„Die Summe aller Maßnahmen muss daher so ausgelegt sein, dass die Senkung der Leipziger Treibhausgasemissionen zügig und substanziell angegangen und das verbleibende CO2-Budget eingehalten wird. Der Ausstieg aus der Fernwärmeversorgung durch Braunkohle und das Ziel der angestrebten Klimaneutralität 2035 in der Verwaltung und 2040 in der Strom- und Wärmeversorgung der Stadt sind dabei wichtige Schritte.

Zur Einhaltung des Emissionsbudgets sind jedoch weitere Zwischenziele zwingend nötig sowie geeignete Maßnahmen, die das Erreichen der Pariser Klimaziele für Leipzig sicherstellen. Dies betrifft insbesondere das vorliegende Zukunftskonzept zur Fernwärmeversorgung. Die großen Fragen von Verkehrswende und Energieversorgung sowie Energieverbrauch und -effizienz werden mit den bisherigen Klimaschutzmaßnahmen nicht ausreichend berücksichtigt.“

Übrigens alles Ziele, die eigentlich längst auch mit Stadtratsbeschlüssen untersetzt sind. Doch gerade das Klimaschutzkonzept leidet massiv darunter, dass die meisten darin aufgelisteten Maßnahmen nur zögernd oder fragmentarisch umgesetzt wurden. So richtig ernst genommen hat Leipzigs Verwaltung das Thema seit 2011 eben nicht. Das hat erst das Jugendparlament mit seinem Antrag erreicht, in Leipzig den Klimanotstand auszurufen.

„Auch der klaren Kommunikation der nötigen Maßnahmen sollte eine besondere Rolle zukommen, ebenso der Bürgerbeteiligung und der Transparenz in den Entscheidungen, die ergriffen werden“, sagt Dr. Christoph Gerhards. „Denn eine echte Leipziger Emissions- und Energiewende ist nur unter großer Bereitschaft zur technischen Erneuerung und zum gesellschaftlichen Fortschritt unter der Mitwirkung der Leipziger/-innen zu schaffen.“

Zum Sofortprogramm des OBM gibt es folglich auch schon einen Berg von Änderungsanträgen. Die Diskussion in der Kongresshalle, wenn der Stadtrat darüber diskutiert, wird auf jeden Fall spannend.

Grüne Fraktion beantragt eine ganze Liste von Nachbesserungen beim Sofortmaßnahmenprogramm zum Klimanotstand

Grüne Fraktion beantragt eine ganze Liste von Nachbesserungen beim Sofortmaßnahmenprogramm zum Klimanotstand

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