Sie gehen einkaufen. Sie kündigen Ihren Handyvertrag. Sie mieten sich eine neue Wohnung an. Sie wechseln den Job. Alles Beispiele für Rechtsgeschäfte, die wir im Alltag abschließen. Und trotzdem klingen Recht und Rechtsstaat abstrakt, nach trockener Aktenfresserei ohne Zweck und Verstand. Dass uns die Thematik jenseits dieser Klischees alle angeht, ist die Grundannahme der Stiftung Forum Recht, die am Freitag in Leipzig offiziell ihren deutschlandweit zweiten Standort eröffnete. Künftig soll auch hier der Austausch gefördert werden.

Seien es die sogenannten „Klimakleber“ der „Letzten Generation“ und die Reaktionen wütender Autofahrer (Notwehrrecht, ja oder nein?), angesichts verstärkter Zuwanderung die Feinheiten des Asylrechts oder ganz aktuell die Verurteilung der Studentin Lina E. in Dresden: Immer geht es um Fragen von Recht und Rechtsstaat, die in der Gesellschaft lebhaft diskutiert werden.

Hinzu kommt die als Problemfeld wahrgenommene Bedrohung der Demokratie, auf welche auch die Stiftung Forum Recht hinweist: 80 Prozent der Menschen in Deutschland sind der Ansicht, die Demokratie sei stärker bedroht als noch vor fünf Jahren, so der frappierende Befund einer Umfrage des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung. „Unser Anliegen ist es daher, ganz speziell das Verständnis von Rechtsstaatlichkeit, Recht und Demokratie zu fördern – und das mitten in einer wachsenden Vertrauenskrise“, sagt Stiftungsdirektorin Henrike Claussen.

Der Standort Leipzig ist kein Zufall

Nun hat die erst 2019 gegründete Stiftung Forum Recht mit Leipzig am Freitag, dem 2. Juni, ihren bundesweit zweiten Standort eröffnet, als Interim liegt dieser in der Universitätsstraße 20.

Dass die Wahl neben Karlsruhe auf die alte Messestadt im Osten fiel, ist dabei kein Zufall: Während Karlsruhe als Sitz vom Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, dem Bundesgerichtshof (BGH) selbst sowie dem Bundesverfassungsgericht (BVG) als „Residenz des Rechts“ gilt, beherbergt auch Leipzig neben einer langen Rechtstradition mehrere Institutionen des Rechts mit bundesweiter Bedeutung: seit 2002 das Bundesverwaltungsgericht, außerdem sind zwei Strafsenate des BGH als „Ableger“ hier angesiedelt, neben dem sächsischen Landesverfassungsgerichtshof und weiteren. Dazu kommt Leipzigs Rolle als ein Zentrum der Revolution von 1989.

„Es ergänzen sich zwei Orte kongenial“, meint der stellvertretende Stiftungsdirektor Stefan N. Barthelmess gegenüber der LZ.

Die ersten Diskussionen über die Idee einer Stiftung wurden schon vor mehreren Jahren in Karlsruhe geführt. Am 13. Mai 2019 gründete sich die Stiftung Forum Recht per Beschluss des Deutschen Bundestags. Sie ist eine bundesunmittelbare Stiftung des öffentlichen Rechts und wird durch den Bund finanziert.

„Der Rechtsstaat ist stets präsent, aber man sieht ihn nicht“

Ihr erklärtes Ziel besteht darin, die Menschen gegenwarts- und praxisbezogen zur Debatte über das Thema Recht und Rechtsstaat einzuladen: Wo zeigt sich beides im Alltag? Wie funktionieren Gerichte und Gerichtsprozesse? Wie arbeitet eine moderne Verwaltung? Wie hat sich der Rechtsstaat in Deutschland historisch entwickelt?

„Der Rechtsstaat ist stets präsent, aber man sieht ihn nicht“, sagt Vize-Direktor Barthelmess. „Er sorgt dafür, dass die Menschen in Freiheit und Frieden leben können.“ Das erklärte Ziel: „Dass wir mit unserer Arbeit die Menschen dazu kriegen, über den Rechtsstaat, über ihre Erfahrungen mit dem Rechtsstaat zu sprechen.“

Um die Leute abzuholen, will das Team der Stiftung verschiedene Angebote entwickeln: Neben der fixen Arbeit in Leipzig und Karlsruhe sind dazu mobile Formate an verschiedenen Standorten geplant, dazu kommt das Digitalangebot der Stiftung. Sie versteht sich ausdrücklich nicht als „klassisches Museum“, sondern als „Ort der gelebten Auseinandersetzung, des Dialogs und der Teilhabe an den schwierigen Fragen des Rechtsstaats.“

Zur Angebotspalette gehören Podiumsdiskussionen, Ausstellungen, Workshops, Projekttage, Podcasts und vieles mehr, auch Kooperationen mit anderen Einrichtungen aus Justiz, Bildung, Kultur, Kunst und Wissenschaft sind vorgesehen.

Neubau auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz

Bis zur Fertigstellung des Forums Rechts als Ausstellungs- und Kommunikationszentrum auf dem nahen Wilhelm-Leuschner-Platz, die bis 2020 geplant ist, wird die Stiftung ihren Leipziger Sitz in der Universitätsstraße 20 behalten und hofft auch, durch die Nähe zur Juristenfakultät zu profitieren.

Neben dem Tag der offenen Tür am Freitag, dem 2. Juni, der sich auch am Samstag fortsetzen wird, ist für Leipzig eine Reihe weiterer Veranstaltungen im zweiten Halbjahr 2023 geplant.

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Zitat: Statistik der EU….3 von 10 Bürgern glauben nicht mehr an einen Rechtsstaat. In Deutschland glauben nur noch 50% an den Rechtsstaat.

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