Wie wird eine Stadt wirklich klimaneutral? Wie wird sie ihre riesigen Mengen an Abfall los? Eigentlich weiß man das auch in Leipzig schon lange. Das geht ohne eine funktionierende Kreislaufwirtschaft nicht. Auch nicht beim Bauen. Gebaut werden müsste eigentlich so, dass alle Bauteile beim Abriss des Hauses wiederverwendet werden könnten. Mit einem solchen Antrag preschten die Grünen vor – und verprellten mal wieder die Bauexperten von CDU und AfD.

„Mit dem vorliegenden Antrag soll der Kreislaufgedanke Eingang in die nachhaltige Baustrategie Leipzigs finden, indem ‚das Ende von Anfang an mitgedacht wird’‘, hatten die Grünen in ihrem Antrag geschrieben, den am 15. November Fraktionsvorsitzender Dr. Tobias Peter einbrachte.

„Damit kann Leipzig Vorbildern wie der Stadt Heidelberg folgen, die sich als erste Stadt Europas dem Urban Mining-Prinzip verschrieben hat. Der Begriff ‚Urban Mining‘ lenkt den Blick auf die Stadt als Lagerstätte von Rohstoffen, welche in Infrastrukturen, Gebäuden und Elektrogeräten u. a. gebunden sind und die als Sekundärrohstoffe für eine zukünftige Nutzung von Interesse sind.“

Es wird zwar seit Jahrzehnten über Kreislaufwirtschaft geredet – aber wirklich komplette Wiederverwertungsketten gibt es noch nicht. Auch nicht für Baustoffe. Was teilweise an geltenden Gesetzen und Regeln liegt, wie CDU-Stadtrat Claus-Uwe Rothkegel erklärte. Der einmal mehr seiner Befürchtung Ausdruck verlieh, der Grünen-Antrag könnte Bauen noch teurer machen.

Aber der Grundidee stand auch die Verwaltung offen gegenüber.

Zeit für Baustoffbörsen

Im Grünen-Antrag lautet die: „Baustoffbörsen ermöglichen es, urbane Rohstoffe zu erschließen und bei Umbau oder Rückbau wiederzuverwenden. So kann bereits beim Neubau relativ unkompliziert eine Eintragung der verwendeten Materialien erfolgen. Wenn ein Rückbau ansteht, können alte wiederverwendbare Materialien über die Börse zur Verfügung gestellt werden. Somit können Materialkreisläufe geschlossen werden und der CO₂-Ausstoß, der bei der Herstellung von Baumaterialien sehr groß ist, gesenkt werden.

Ebenso soll die Stadt bestehende Initiativen zur Wiederverwendung von Baumaterialien unterstützen (einen ersten SecondHand-Baumarkt gibt es bereits mit dem Materialbuffet) und/oder eigene Lager kommunal aufbauen.“

Die Kritik von Rothkegel und dem AfD-Stadtrat Udo Bütow, die Idee sei weltfremd, war also nicht wirklich stichhaltig.

Auch weil die Grünen sich in einer Neufassung ihres Antrags noch einmal konkretisierten: „Der Prüfauftrag des ursprünglichen Änderungsantrags wird mit der Neufassung weiter gefasst. Es soll nicht nur die Einrichtung eines einzelnen Materiallagers geprüft werden, sondern das Thema auf die ganze Stadt bezogen betrachtet werden. Das Prüfergebnis soll Auskunft darüber geben, ob ein Betrieb durch die Stadt finanziell darstellbar ist oder die Privatwirtschaft als Akteur angesprochen werden sollte.“

Was die Freibeuter dazu animierte, auf einen ihnen wichtigen Punkt mit einem eigenen Antrag hinzuweisen: das liebe Geld. Den die Stadt wird so ein Projekt mit ihrem knappen Haushalt nicht finanzieren können.

Konkret heißt es darin: „Die Stadt Leipzig unterstützt vorhandene Projekte zur Wiederverwendung von Baumaterialien und prüft die Einrichtung eines eigenen Materiallagers im Bereich Hochbau in Zusammenarbeit mit dem Eigenbetrieb Stadtreinigung im Zuge der Umsetzung des Zero Waste City Konzepts. Dabei ermittelt sie gesamtstädtisch die anfallenden Kosten für den Aufbau und den Betrieb von einer, mehrerer oder durch externe Dritte betriebene Einrichtung(en).“

Ein Anliegen, das die Grünen gut übernehmen konnten. Und das wesentlich konkreter war als die Vorwürfe aus CDU und AfD, das ganze Anliege sei sinnlos.

Es gibt längst Partner in Leipzig

Das Amt für Gebäudemanagement hatte in seiner Stellungnahme sogar bestätigt, dass man den Grünen-Antrag überhaupt nicht dumm fand und sogar schon entsprechende Sondierungsgespräche geführt hat: „Die Stadt Leipzig hat bereits Gespräche zur Eintragung in eine Rohstoffbörse, mit gesellschaftlichen Akteuren (Bauzirkel Leipzig) geführt und wird einen geeigneten Partner prüfen (Madaster/Concular/Materialbuffet).

Ziel dieser Anmeldung soll es vor allem sein, Rohstoffe von rückgebauten Objekten der Stadt Leipzig für Projekte Dritter zugänglich zu machen. Eine Verwendung von wiederverwendbaren und über Baustoffbörsen erworbenen Materialien für Hochbaubauprojekte der Stadt Leipzig ist insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung der Gewährleistung und die verfügbaren bzw. notwendigen Mengen nur schwer realisierbar.“

Der Bauzirkel Leipzig hat sich insbesondere da ökologische Bauen auf seine Fahne geschrieben. Selbst der Verwaltungsstandpunkt bestätigt also, dass es längst Akteure in der Stadt gibt, die sich um zirkuläres Bauen im Sinne des Grünen-Antrags bemühen.

Einzige Schwierigkeit ist im Grunde, dass die Stadt Bauherren nicht vorschreiben kann, wie sie zu bauen haben. Und das auch nicht in Bebauungspläne schreiben kann, das ist gesetzlich so nicht vorgesehen, betont das Amt für Gebäudemanagement: „Im Rahmen von Bauleitplanverfahren gibt es derzeit keine Rechtsgrundlage, diese Thematik – über bewusste Ansätze des Bestandsschutzes hinaus – zu berücksichtigen.“

Was andererseits wieder bestätigt, dass gerade in der Sanierung des wertvollen Altbaubestandes der Stadt sowieso schon versucht wird, historische Baustoffe wiederzuverwenden. Und in dem Sinn fand Tobias Peter historische Bautraditionen sogar sehr lobenswert.

Traditionen, die mit dem industriellen Bauen im 20. Jahrhundert oft einfach abgerissen sind, sodass heutige Gebäude in der Regel aus völlig neu gewonnenen und erzeugten Materialien – mit hohem CO₂-Aufkommen, wie Peter betonte – gebaut werden.

Mit Verbundstoffen, die später nicht wiederverwendet werden können. Und so natürlich mit einer schlechten Klimabilanz, auch wenn sie dann dick in Dämmplatten gepackt werden.

Genau betrachtet ist auch dieser Antrag nur ein kleiner Baustein zur Leipziger Klimaneutralität und einem neuen Verständnis vom rohstoffsparenden Bauen, das noch längst nicht wieder das übliche im Baugeschehen ist.

Da Ergebnis war eigentlich am Ende klar: Der neu gefasste Antrag der Grünen mit dem aufgenommenen Freibeuter-Antrag erhielt mit 38:18 Stimmen ein klares Votum. Und da die Stadt sowieso schon dabei ist, das Gebiet zu sondieren, ist das „Ja“ zum Antrag auch eine klare Aufforderung, dranzubleiben.

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Die Botschaft hör ich wohl, jedoch mir fehlet aus Erfahrung der Glaube. Nachwachsende Rohstoffe sind mir noch nicht bekannt. Schaut euch die Abrissarbeiten im Rittergut Großzschocher. Der Einsatz von cradle to cradle zertifizieren Materialien bei Neubauten sollte zwingend vorgeschrieben haben.

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