Auch das Thema Fluglärm spielt im Leipziger OB-Wahlkampf eine Rolle. Der Leipziger Flughafen, dessen 2007 eröffnete Südbahn dafür sorgt, dass Tausende Leipziger aus dem Schlaf gerissen werden, ist so einiges. Ein Jobmotor in gewisser Weise, ein Motor für das Logistikkreuz Leipzig/Halle auch. Bei der Frage nach dem Steuerbringer wird's schon schwierig. Bei den Folgekosten erst recht.

Auch die gesundheitlichen Belastungen all der Leipziger, die nachts aus dem Schlaf gerissen werden, sind Folgekosten. Andernorts in Deutschland – man nehme nur Frankfurt/Main – ist das den politischen Akteuren durchaus bewusst. In Berlin hat ein Gericht jetzt gar die noch nicht einmal in Betrieb gegangene Flugroute über Wannsee verboten. Man denkt an die Flugroutendiskussion in den Planungen zur Südbahn in Leipzig zurück – sie versackte im Nirwana, denn die am Ende tatsächlich geflogenen Routen kamen in den Bauplanungen gar nicht vor.

Aber nicht nur das sorgt seit fünf Jahren für anschwellenden Ärger. Jetzt hat die IG Nachtflugverbot Leipzig/Halle e.V. in einem offenen Brief an der Flughafen Leipzig/Halle GmbH, Dierk Näther, den Rücktritt des Flughafensprechers Uwe Schuhart gefordert – wegen “bewusster Falschaussagen”. Michael Teske, der den Brief im Namen der IG verfasste, bezog sich dabei auf Aussagen Schuharts, die Anfang Januar in der LVZ zu lesen waren.

“Bewusst verleumdete er die vom Fluglärm besonders stark belasteten Anwohner durch seine Behauptung, die Vielzahl der Anzeigen gegen den Lärm vom Flughafen sei durch automatisch erzeugte Beschwerden verursacht worden. Diese angeblich automatischen Beschwerden würden bei sonstigen Ereignissen wie Silvesterböllern oder gar Hundegebell generiert”, schreibt er an Näther.

Hintergrund sind die 126.000 im Vorjahr registrierten Fluglärmbeschwerden beim Flughafen Leipzig/Halle. Zum Vergleich: Berlin kam nur auf 5.000. Der Unterschied ist natürlich die uneingeschränkte Nachtflugerlaubnis in Schkeuditz für Fracht- und Militärtransporte. Die Militärtransporte sind zwar – Dank Barack Obama – 2012 erstmals deutlich zurückgegangen und damit auch die Zahl der nächtlichen Flüge schwerer Flugzeuge (“Heavy”). Aber bis zu 2.800 Starts und Landungen in der Nacht, so wie im Juli 2012, sorgen nicht nur im sogenannten Lärmschutzgebiet mit seinen 30.000 Einwohnern für schlaflose Nächte. Aus dem Schlaf gerissen werden auch weitere Einwohner insbesondere von Halle-Süd und Leipzig-West, 70.000 an der Zahl, wie der Chef der Mitteldeutschen Flughafen AG, Markus Koop, 2011 vor dem Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr des Landtags von Sachsen-Anhalt bestätigte.
Dass Uwe Schuhart nun erklärte, ganze 82 Personen seien für die Fluglärmbeschwerden beim Flughafen Leipzig verantwortlich, bringt die Gemüter in den Bürgerinitiativen gegen Fluglärm mächtig auf die Palme.

Normalerweise müssten selbst die Lärmberichte des Flughafens selbst dafür sorgen, dass sich am Lärmschutz um den Flughafen deutlich etwas ändert. Darin wird freilich nur das Messtellennetz ausgewertet, dass der Flughafen selbst innerhalb der “Lärmschutzzone” betreibt. Aber auch die Messungen im etwas abseits gelegenen Raßnitz zeigen, dass die höchste Lärmbelastung nicht am Tag stattfindet, sondern in der Nacht – und dass gerade in der Nacht dutzendfach Lärmpegel über 65 und 70 dB überschritten werden. Aktuell sind die Messwerte vom November 2012 verfügbar. Sie enthalten auch die Nutzungsdaten zu den beiden Start- und Landebahnen.

Im OB-Wahlkampf bekam das Ganze noch zusätzlich Feuer, als OBM Burkhard Jung, der sich am 27. Januar wieder der Wahl stellt, auf eine Nachfrage hin am 23. Januar im Stadtrat sagte, Leipzig brauche den Flughafen, “damit die Stadt künftig finanziell wieder auf eigenen Füßen stehen kann.”

Darauf reagierte Matthias Zimmermann, Sprecher der Bürgerinitiative “Gegen die neue Flugroute” mit einer geharnischten Pressemitteilung: “Es ist schlichtweg falsch, dass Leipzig von Steuern des Flughafens partizipiert. Das Gegenteil ist der Fall. Die einzige Kommune, die von irgendwelchen Steuereinnahmen profitiert ist Schkeuditz, und zwar über die Grundsteuer, da der Flughafen auf Schkeuditzer Land steht. Insofern müsste Herr Jung zunächst einmal eine seiner Begehrlichkeiten umsetzten, die Eingemeindung von Schkeuditz, um an diese Geld zu gelangen. Und die Körperschaftssteuer? Seit 1991 Null, Jahr für Jahr. Gemäß Aussage der Sächsischen Staatsregierung auf eine Anfrage im Landtag in 2011 hat die öffentliche Hand von der Mitteldeutsche Flughafen AG bisher noch keinen Euro Gewinn erhalten. Es stellt sich somit die Frage, in welchem Leipziger Stadthaushalt Einnahmen aus dem ‘Jungbrunnen’ LEJ zu finden wären? – Der Flughafen Leipzig-Halle ist ein Milliardengrab, für das Leipzig seit 1992 73 Mio. Euro Darlehen aufnehmen und im Zeitraum 2009 bis 2012 5,6 Mio. Euro an Kapitalerhöhung und Investitionszuschuss für den Flughafen aufbringen musste. Das Geld fehlt für Schulen und Kitas.”

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Das Problem ist, dass die Lärmschutzkommission nicht wirklich als solche funktioniert und auch mögliche Lösungen zur Lärmminimierung immer wieder vertagt. Das Flughafenforum wird vom Flughafen noch nicht als echter Gesprächspartner akzeptiert. Und wirklich dauerhaft nur auf die entstandenen Logistikarbeitsplätze und die angesiedelten Frachtunternehmen verweisen kann auch der am Sonntag zu wählende Oberbürgermeister von Leipzig nicht.

Und so lange der Flughafen nicht einmal Ausschüttungen für seine Anteilseigner einfliegt, ist durchaus fraglich, mit wie viel wirtschaftlichem Sachverstand die Verantwortlichen agieren. Auch die Leipziger Spitze muss dazu gezählt werden, die – neben den kommunalen Versorgern – auch mehrere wirtschaftliche Beteiligungen betreibt, was gern ausgeblendet wird, wenn es um die Wirtschaftsaktivitäten der Stadt geht.

Dazu gehören neben der Anteilseignerschaft an der Sparkasse Leipzig zum Beispiel die Anteile an der Leipziger Messe, der VNG und der EEX. Und die an der Mitteldeutschen Flughafen AG, die den Flughafen Leipzig/Halle betreibt. Erst recht vor dem Hintergrund immer neuer Rekorde im Frachtumschlag.

Das Frachtaufkommen am Leipzig/Halle Airport erzielte zum achten Mal in Folge einen Rekordwert, meldete der Flughafen am 18. Januar. “Im Gesamtjahr 2012 sind 863.665 Tonnen umgeschlagen worden, was einer Zuwachsrate von 13,6 Prozent entspricht. Der Leipzig/Halle Airport baut damit seine Position als zweitgrößtes Frachtdrehkreuz Deutschlands weiter aus und festigt zugleich seine Stellung als einer der bedeutendsten Luftfrachtumschlagplätze in Europa.”

Da darf sich jeder Flughafenanrainer zu recht fragen: Was bringt das nun? Immerhin ist der Flughafen damit deutlich die Nr. 2 als Frachtflughafen in Deutschland hinter Frankfurt am Main. Und der erwirtschaftet Gewinn.

www.nachtflugverbot-leipzig.de
Der offene Brief als PDF als PDF zum download.

Der Fluglärmbericht vom November 2012 als PDF zum download.

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