Die Mitglieder des Umweltausschusses im Leipziger Stadtrat sind unzufrieden. Ein Dialogforum zum Flughafen Leipzig/Halle gibt es nun zwar. Es arbeitet auch und setzt sich wesentlich ernsthafter mit den Belastungen rund um den Flughafen auseinander als die so genannte Fluglärmkommission, die die Probleme meist aussitzt, verschiebt, niederstimmt. Grund dafür ist die dortige Mehrheit von stimmberechtigten Mitgliedern, die jede Reglementierung ablehnen. Aber eigentlich gehören auch die ins Dialogforum.

Denn wenn sich die Vertreter der Stadt Leipzig, der Landkreise und der Gemeinden einig sind und eine sinnvolle Lösung gefunden haben, sind da immer noch die Flughafenbetreiber, die Nutzer und vor allem die Deutsche Flugsicherung, die auch diese Lösungen ignorieren oder einfach mal bis zur nächsten Kommissionssitzung vertagen. Und die Fluglärmkommission tagt ja nur zwei Mal im Jahr.

Schon am 8. Mai beschlossen deshalb die Mitglieder des Fachausschusses Umwelt und Ordnung, den Oberbürgermeister zu beauftragen, die Gesprächsverweigerer vom Flughafen nun auch verpflichtend ins Dialogforum zu holen. Mit dem Antrag beschäftigte sich auch schon die Ratsversammlung vom 19. Juni. Konkrete Umsetzungsvorschläge erwartet der Stadtrat jetzt bis zum 31. Dezember.

Und das erste, was die Mitglieder des Leipziger Umweltausschusses erwarten, ist jetzt die Installierung einer Kernbesetzung im Dialogforum, die über den Umweltbürgermeister, Vertreter der im Stadtrat von Leipzig vertretenen Fraktionen, Vertreter der Ortschaftsräte von Rückmarsdorf, Lützschena-Stahmeln, Lindenthal, Wiederitzsch, Seehausen, Böhlitz-Ehrenberg und der Stadtbezirksbeiräte Nordwest und Altwest hinaus geht und von den Helden der Arbeit auf dem Schkeuditzer Rollfeld je einen Vertreter einlädt: einen von der Betreibergesellschaft Mitteldeutsche Flughafen AG, einen von der Deutschen Post oder ihrer Tochter DHL am Standort Leipzig-Halle Airport, je einen Vertreter des Bundesverkehrsministeriums und der Deutschen Flugsicherung und einen Vertreter der Landesdirektion Sachsen. Und weil sonst die besonders Betroffenen stets außen vor bleiben, auch je einen Vertreter der Bürgerinitiativen, “BI gegen Flug- und Bodenlärm”, “IG Nachtflugverbot Leipzig/Halle e.V., “Initiative gegen die neue Flugroute” und “BI Lindenthal gegen Lärm”.

Außerdem wird die Verwaltung beauftragt, mit den Landkreisen Leipzig und Nordsachsen alsbald Kontakt mit dem Ziel aufzunehmen, dass diese dem zu schaffenden Forum beitreten.

Ziel bleibt es zwar, “gemeinschaftlich erarbeitete Vorschläge an die Fluglärmkommission weiterzuleiten”, denn tatsächlich ist nach wie vor die Fluglärmkommission das Gremium, das am Flughafen für eine Senkung der Lärmbelastung eintreten soll. Nur ändert sich die Akzeptanz der Beschlüsse natürlich, wenn jene Akteure, die bislang in der Kommission die Blockierer spielen, im Dialogforum tatsächlich mit den Betroffenen gemeinsam nach Lösungen suchen.Weil das freilich auch künftig passieren kann, wird der OBM beauftragt, sich “gegenüber allen Gesellschaftern der Mitteldeutschen Flughafen AG für die Gründung eines beratenden Gremiums” einzusetzen. “Aufgabe des Gremiums ist es, die Ergebnisse bzw. Meinungsbilder des Dialogforums aufzunehmen, um diese fachlich untersetzt an die Entscheidungsgremien zur Beschlussfassung weiterzugeben. Das Gremium kann dazu Fachleute hinzuziehen und bisher noch nicht beteiligte Interessengruppen einbeziehen. Darüber hinaus soll mit Hilfe des Gremiums der Dialog und Abstimmungsprozess umfassend gestaltet werden.”

Im Fachausschuss hat man durchaus mitgekriegt, dass das Dialogforum von den Flughafenbetreibern nicht ernst genommen wird: “Das Dialogforum Flughafen Leipzig-Halle scheint ein gegenwärtig nicht von der Luftverkehrswirtschaft sowie von Entscheidungsträgern für die Regelung des Luftverkehrs akzeptiertes Forum zu sein. (…) In Tatsache kann es gegenwärtig mangels zugewiesener Kompetenzen und zur Verfügung stehender Expertise kaum mehr als eine Plattform zum Austausch von Interessen- und Problemlagen zu sein. Dazu muss der Dialog so ausgestattet und institutionalisiert werden, dass tatsächlich von Experten untermauerte Lösungsvorschläge zum aktiven und passiven Lärmschutz erarbeitet werden können. So können Anregungen aus dem Dialog durch Experten zu Vorschlägen an die Fluglärmkommission und die Deutsche Flugsicherung werden. Vorschläge, die dann nicht nur mit einer einzigen Stimme, wie gegenwärtig durch die Vertreterin der Stadt Leipzig in der Fluglärmkommission, sondern gestützt auf der Aussage einer Expertengruppe transportiert werden.”

Und der Fachausschuss weitet den Fokus über das Lärmproblem hinaus: “Es empfiehlt sich außerdem, dass sich ein solches Gremium dann nicht nur mit den Themen Lärm, sondern auch Umwelt-, Sozial- und Wirtschaftsstruktur befasst. Nur so kann in Gänze widergespiegelt werden, welche Auswirkungen die Luftverkehrswirtschaft in unserer Region objektiv hat.”

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Und damit der OBM sich nicht wieder in Ausreden verflüchtigt, weil er den wirtschaftlichen Aufschwung des Flughafens nicht gefährden wolle, wie er im OB-Wahlkampf mehrmals betonte, bekommt er den 31. Dezember als klare Terminsetzung zum Handeln: “Damit die Präzisierung der Aufgabengrundlage des FFL nicht Gefahr läuft, abgetrennt vom Ziel der Professionalisierung abgekoppelt zu werden, sollen durch eine Terminsetzung der Verhandlungsauftrag der Stadt untermauert werden.”

Heißt natürlich: Er hat jetzt vier Monate Zeit, die Gespräche und Verhandlungen mit jenen zu beginnen, die sich dem Dialog bislang verweigert haben. “Zu diesem Zweck möge die Stadtverwaltung mit den Gesellschaftern der Flughafen Leipzig-Halle GmbH, der GmbH selbst sowie den Nutzern und Aufsichtsbehörden als auch mit den bisherigen Vertretern des Dialogforums Verhandlungen aufnehmen, um die organisatorischen Grundlagen für die Qualifizierung und Verbesserung der Wirksamkeit des Dialogforums im Wege eines ergänzenden Fachforums sicherzustellen”, heißt es im Antrag des Umweltausschusses. Und: “Es ist davon auszugehen, dass dazu auch eine flankierende kommunal- und landespolitische Unterstützung erforderlich ist.”

Wenn das mal nicht eine versteckte Kritik an der Arbeitsverweigerung einiger Leute ist.

Der Antrag des Fachausschusses Umwelt und Ordnung: http://notes.leipzig.de/appl/laura/wp5/kais02.nsf/docid/2CBD7B16ADA58E24C1257B65002DDDFF/$FILE/v-a-427.pdf

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