Das Hase-und-Igel-Spiel am Flughafen Leipzig/Halle geht weiter. Am 2. November wird wieder das Kaffeekränzchen Fluglärmkommission beisammensitzen. Und es wird einen neuen Antrag der Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“ auf den Tisch bekommen: „Änderung bzw. Festlegung von Restriktionen für die Flugrouten MAGDA 1Q und 1E sowie GOLAT 1Q und 1E“. Da geht es um die ganzen Südabkurvungen, die es laut Planfeststellungsbeschluss gar nicht geben dürfte.

Trotzdem werden sie seit neun Jahren beflogen, scheitern Umweltschützer vor Gericht, weil Richter der Meinung sind, dass Umweltverbände gar nicht hätten befragt werden müssen, auch wenn die Kurze Südabkurvung direkt über das Naturschutzgebiet Leipziger Auenwald führt.

Am 23. September hat das Oberverwaltungsgericht in Bautzen zum zweiten Mal die Klage der Grünen Liga Sachsen abgewiesen, nachdem das Bundesverwaltungsgericht die Klage ausdrücklich als zulässig bezeichnet hatte.

Natürlich müsste niemand klagen, wenn einfach nur die Regelungen aus dem Planfeststellungsbeschluss von 2004 eingehalten würden. Darin kommt zwar eine kurze Südabkurvung vor – aber nur für Flugzeuge mit maximal 30 Tonnen Gewicht. Und nur tagsüber von 6 bis 22 Uhr. Das Regionalpräsidium Leipzig hatte seinerzeit sämtliche lärmphysikalischen Untersuchungen auf die im Planfeststellungsbeschluss dargestellten Routen abgestellt. Darauf beruht das komplette Lärmschutzkonzept des Flughafens bis heute.

Als die Deutsche Flugsicherung (DFS) aber 2007 eigenmächtig neue Flugrouten definierte, war der Ärger sogar im damals SPD-geführten sächsischen Verkehrsministerium groß. In einem geharnischten Schreiben an den Bundesverkehrsminister zitierte man aus einem Protokoll über eine Beratung der Flughafengesellschaft mit der DFS-Zentrale in Berlin, in dem es ausdrücklich hieß: „Eine verkürzte Abflugroute BAMKI x D/RELKO x D [besagte Südabkurvung] verläuft bereits kurz nach dem Start in Richtung Süden. Diese Route ist auf Forderung der Flughafen Leipzig/Halle GmbH im Zeitraum von 06-22 Uhr nur durch Luftfahrzeuge mit 30 t MTOM zu nutzen.“

Das zornige Schreiben blieb so wirkungslos wie die deutlichen Einwendungen des Regierungspräsidiums, dass die neuen Flugrouten überhaupt nicht zum Lärmschutzkonzept passten. Die Anwohner leiden also bis heute unter einer Kompetenzverteilung, die einigen Spielern – wie der DFS – erlauben, sich nicht an die Regeln und Plankonzepte zu halten.

Notwendig sind die ganzen kurzen Abkurvungen nicht – außer für die Nutzer der Startbahn Süd, die damit Zeit und Sprit sparen.

Und die Abweisung der Klage durch das OVG Bautzen am 23. September gebe den Klägern keineswegs Unrecht. Im Gegenteil: Die zentrale Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts bleibe bestehen, stellt die Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“ jetzt fest.

Denn abgewiesen wurde die Klage nur, „weil das Mitwirkungsrecht des Klägers nicht gegeben sei. Nicht behandelt und nicht in Frage gestellt hat das OVG jenen Teil des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urt. v. 19. Dezember 2013 – 4 C 14.12 -), wonach das BAF (Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung, d. Red.) nur Flugverfahren festlegen darf, für die im Planfeststellungsbeschluss eine positive Entscheidung getroffen wurde und im PFB (Planfeststellungsbeschluss)  ‚freigegeben‘ worden sind. Das OVG Bautzen hat die derzeitigen Flugrouten der kurzen Südabkurvung also nicht bestätigt und zugleich wesentliche Punkte des Urteils des Bundesverwaltungsgerichtes nicht infrage gestellt. Damit ist das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes rechtsverbindlich. Auf die darin getroffenen Entscheidungen beruht unser Antrag.“

Das Bundesverwaltungsgericht hatte in seinem Urteil vom 19. Dezember 2013 in Punkt 16 festgestellt, dass es dem Planfeststellungsbeschluss obliege, „die in der räumlichen Umgebung eines Flughafens aufgeworfenen Probleme abwägend zu bewältigen. Ist nach seinem planerischen Konzept Grundlage für die Zulassung des Vorhabens an dem gewählten Standort beispielsweise, dass bestimmte, besonders schutzwürdige Gebiete von Verlärmung verschont bleiben, kann er dies mit bindender Wirkung für die spätere Festlegung von Flugverfahren feststellen… Schweigt der regelnde Teil des PFB insoweit, ist es eine Frage der Auslegung, ob der Planfeststellungsbeschluss eine solche Festlegung treffen wollte.“

Die Bürgerinitiative hat ihrem Antrag dann auch noch die Schreiben des damaligen Verkehrsministeriums und des Regierungspräsidiums beigegeben, die eindeutig belegen, dass man in allen Planungen davon ausging, dass die im Planfeststellungsbeschluss beschriebenen Flugrouten auch die tatsächlich geflogenen sein werden. Und genau das mussten auch die betroffenen Bürger glauben – die, die wussten, dass sie im überflogenen Gebiet leben würden, und die, die nicht mal damit rechnen konnten, dass ihnen die DFS nächtlichen Fluglärm bescheren würde.

„Sowohl die Planfeststellungsbehörde, das damalige Regierungspräsidium Leipzig, als das Sächsische Ministerium für Wirtschaft und Arbeit haben diese Auslegung eindeutig beantwortet: Im PFB wurde davon ausgegangen, dass das NATURA 2000-Gebiet nur mit Fluggeräten bis 30 Tonnen beflogen wird!“, heißt es jetzt im Antrag der Bürgerinitiative.

In Punkt 32 der Urteilsbegründung hatte das Bundesverwaltungsgericht auch noch ausgeführt: „Das BAF darf nur Flugverfahren festlegen, für die im Planfeststellungsbeschluss eine positive Entscheidung getroffen worden ist, die mithin im PFB ‚freigegeben‘ worden sind.“

Doch für die jetzigen Flugrouten der kurzen Südabkurvung MAGDA 1Q und 1E sowie GOLAT 1Q und 1E (sowie deren Vorläufer), die vom BAF für Fluggeräte bis 136 Tonnen freigeben und festgelegt wurden, träfe dies aber nicht zu, kritisiert die Bürgerinitiative. „Das BAF hätte die Flugroute nur für max. 30 MTOW und einem entsprechend geringerem Flugbewegungsaufkommen festlegen dürfen.“

Logischer Antragstext also:

„Die Fluglärmkommission des Flughafens Leipzig/Halle empfiehlt dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) die Flugrouten MAGDA 1Q und 1E sowie GOLAT 1Q und 1E so zu ändern, dass das NATURA 2000-Gebiet ‚Leipziger Auensystem‘ umflogen bzw. nur mit Fluggeräten bis max. 30 MTOW überflogen wird.“

Entscheiden wird das berühmte Kaffeekränzchen am 2. November natürlich nicht. Das wäre zu viel verlangt von dieser Kuscheltruppe, die sich die Gesetze so auslegt, wie sie gerade lustig ist.

Der Antrag der Bürgerinitiative.

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