Es kam, wie es eigentlich nach zehn Jahren Eiertanz nicht mehr kommen durfte: Am Mittwoch, 26. April, lehnte die Lärmschutzkommission des Flughafens Leipzig/Halle den Antrag der Stadt Leipzig zur zeitlich versetzten Nutzung der Start-/Landebahnen Nord und Süd in der Nacht ab. Sachsens Verkehrsminister bekommt jetzt einen Brief. Jetzt kann er beweisen, ob er sein Amt ernst nimmt.

Der Kommentar von Matthias Zimmermann, Pressesprecher der Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“ fällt entsprechend bissig aus: „Der 26. April war wieder einmal eine Lehrstunde pseudodemokratischer Verhältnisse, zumindest in Sachsen und der vom Land Sachsen eingesetzten Fluglärmkommission. Deren genaue Bezeichnung lautet übrigens ‚Kommission zum Schutz gegen Fluglärm und gegen Luftverunreinigungen durch Luftfahrzeuge am Flughafen Leipzig/Halle‘.“

Aber in der Kommission haben die Nutzer des Flughafens die Mehrheit und können jeden Antrag der vom Lärm betroffenen Gemeinden niederstimmen. Was sie auch regelmäßig tun.

Die Stadt Leipzig und Schkeuditz, deren Einwohner zahlenmäßig am meisten vom Fluglärm betroffen sind, hatten einen Antrag zur zeitlich versetzten Nutzung der Start-/Landebahnen Nord und Süd in der Nacht eingebracht, um mit dieser gleichmäßigen Bahnverteilung eine Lärmentlastung der Anwohner durch Lärmpausen zu erreichen. Diese sogenannten DROPs bieten sich gerade in bis nahe an Flughäfen heranreichende Siedlungsstrukturen an – wie sie in Leipzig gegeben sind – um in den An- und Abflugbereichen vorhersehbare/planbare Lärmpausen zu schaffen und dies lagemäßig zu trennen, da sonst Lärmpausen nicht mehr möglich sind.

Dies lehnte die Fluglärmkommission am Mittwoch ab – aus wirtschaftlichen Gründen, wie es hieß.

„DHL lässt grüßen“, sagt Zimmermann. „Seit über acht Jahren debattiert die FLK um eine im Planfeststellungsbeschluss (PFB) und durch das Bundesverwaltungsgericht in 2006 dem Grunde nach anerkannte eigentlich eindeutige Richtlinie zur gleichmäßigen Bahnverteilung und damit nicht einseitigen Lärmbelastung. Arbeitskreise wurden eingesetzt, Expertenbefragungen vorgenommen, das Sächsisches Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft (SMUL) erarbeitete Vorzugsvarianten, Umsetzungskonzepte der Systempartner Flughafen, Deutsche Flugsicherung und DHL wurden gesucht… . In 2016 dann die erste Ablehnung – wegen angeblicher Sicherheitsdefizite durch Bahnkreuzungen.“

Der neue Antrag – basierend auf einem Beschluss des in Leipzig installierten Dialogforums, einem von der Stadt Leipzig in 2011 in Auftrag gegebenen Gutachten und den Erkenntnissen am Flughafen Frankfurt am Main – zeichnete sich unter anderem dadurch aus, dass die bemängelten Kreuzungen zeitgleich genutzter Bahnen praktisch nicht stattfinden. Womit Leipzig eigentlich schon all die Vorarbeit geleistet hat, die die Fluglärmkommission hätte leisten müssen – wenn sie denn das wäre, was sie nach außen darstellt.

„Die erste Argumentation war also hinfällig, einer Zustimmung bzw. Empfehlung der FLK stand demnach nichts im Wege. Mit der erneuten Ablehnung dokumentieren die FLK und der Freistaat Sachsen, dass die Bürger seit Anbeginn über die wahren Hintergründe belogen und betrogen wurden und lediglich über Jahre versucht wurde, das Problem im Sande verlaufen zu lassen“, kommentiert Zimmermann dieses Verhalten. „Es ist natürlich legitim, die Argumentation Wirtschaftlichkeit zu betrachten. Wenn diese aber zum Totschlagargument verkommt und das im Grundgesetz verbriefte Recht auf körperliche Unversehrtheit mit Füßen getreten wird, ist sie an ihre Grenzen gelang. Und dies ist hier zweifelsfrei der Fall.“

Wie es zu diesem systematischen Abschmettern aller möglichen Anträge zur Lärmreduzierung kommt, ist in der Zusammensetzung der Fluglärmkommission begründet:

Die FLK am Flughafen Leipzig-Halle besteht aus 21 Mitgliedern, die vom Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA) berufen werden. Lediglich neun Mitglieder davon sind betroffene Gemeinden. Wobei Leipzig, Halle, Schkeuditz und die Vertreter der Landesbehörden gleichzeitig Anteilseigner sind. Das SMWA hat zudem ebenfalls die Geschäftsführung inne. Das aber kneift selbst in Landtagsanfragen zum Flughafen. Im Ergebnis stehen die Lärmbetroffenen einer Mauer des Schweigens gegenüber – niemand übernimmt Verantwortung. Und sie erleben vor allem jenen bedrückenden Zustand, den sie mit ihren Einsprüchen zum Planfeststellungsbeschluss 2004 eigentlich verhindern wollten.

In Auswertung der Entscheidung der Fluglärmkommission hat die Bürgerinitiative einen ergänzenden Brief zu ihrer Forderung der Einrichtung eines Bündnisses für Lärmpausen an Staatsminister Martin Dulig geschickt.

Der Brief an Verkehrsminister Martin Dulig.

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