Das war es dann wohl: Mit einer Protestkundgebung vorm Neuen Rathaus kündigten am Mittwoch, dem 24. Mai, die Vertreter der Bürgerinitiativen, die sich seit Jahren um die Begrenzung des Fluglärms am Flughafen Leipzig/Halle bemühen, ihre Mitarbeit am Dialogforum Flughafen auf, „weil es nicht mehr tragbar ist, wie Flughafen und DHL mit Klimaschutz und demokratischen Beschlüssen umgehen.“ Der Umgang mit dem Ortschaftsrat Burghausen und dem Aktionsbündnis gegen den Flughafenausbau gab dann endgültig den Ausschlag.

Obwohl das Dialogforum Flughafen Leipzig/Halle sich ebenso wie die sogenannte Fluglärmkommission längst als zahnloser Tiger erwiesen hat. Denn seine Beschlüsse interessieren die wirklich entscheidenden Akteure in der Staatsregierung, bei DHL und der Mitteldeutschen Flughafen AG überhaupt nicht. Gegründet wurde es zwar, um überhaupt erst einmal ein Gremium zu schaffen, in dem die tatsächlichen Probleme mit dem Fluglärm und dem Agieren der Flughafengesellschaft benannt und diskutiert werden dürfen.

So gesehen ein deutlich transparenteres Gremium als die Fluglärmkommission, die hinter verschlossenen Türen debattiert und die nur oberflächlich über ihre gefassten oder nicht gefassten Beschlüsse informiert.

Ganz zu schweigen davon, dass Leipzig – obwohl die größte betroffene Stadt am Flughafen – nur eine Stimme hat in diesem Gremium und seine Anträge entweder nicht durchbringt oder auch gar nicht erst verteidigt.

Denn wie der Leipziger Vertreter in dieser halbjährlich kaffeetrinkenden Runde agiert, erfährt auch die Leipziger Öffentlichkeit nicht.

Da braucht es nicht noch ein zweites zahnloses Gremium, finden die Protestierenden, die am Mittwochabend vorm Neuen Rathaus ihrem Unmut Luft verschafften.

Zur Aktion versandten sie auch eine Erklärung, in der sie darlegten, warum sie jetzt auch vom extra vom Leipziger Stadtrat initiierten Dialogforum Flughafen die Nase voll haben.

Die Erklärung:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Mitglieder des Rates der Stadt Leipzig,

mit Stadtratsbeschluss vom 13.07.2022 VII-DS-06967 wurde der Oberbürgermeister beauftragt, auf eine geänderte Kernbesetzung des Dialogforums Flughafen Leipzig/Halle hinzuwirken. Konkret ging es um die
Aufnahme des Aktionsbündnisses gegen Flughafenausbau Leipzig/Halle und des Ortschaftsrates Burghausen.

Beim Treffen des Dialogforums vom 2.11.2022 wurde dieser Beschluss zur Abstimmung gestellt. Entsprechend der Geschäftsordnung erfolgen Abstimmungen im Konsensverfahren.

Der Erweiterung des Dialogforums wurde von einigen Mitgliedern widersprochen.

Als zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für Umwelt-, Klima- und Lärmschutz im Umfeld des Flughafens Leipzig/Halle einsetzen, möchten wir hiermit unsere Empörung über diese Missachtung des Ratsbeschlusses zum Ausdruck bringen. Offensichtlich besteht kein ernsthaftes Interesse der Flughafenbetreiber am Dialog zwischen Flughafenverantwortlichen und Anrainern.

Dieser Vorgang bestärkt den Verdacht, dass einige Mitglieder des Dialogforums dieses Forum als Alibi-Veranstaltung betrachten.

Die Vertreterinnen und Vertreter der Bürgerinitiativen, die nunmehr seit gut 15 Jahren versuchen, den Interessen der Betroffenen Gehör zu verschaffen, sehen unter den gegenwärtigen Bedingungen das Dialogforum als gescheitert an. Wir müssen daher unsere Mitarbeit in diesem Gremium für beendet erklären.
Die Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen im Dialogforum Flughafen Leipzig/Halle werden ebenfalls an diesem Forum in seiner aktuellen Beschaffenheit nicht mehr teilnehmen. Das Dialogforum ist auf Antrag der
Stadtratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen 2009 ins Leben gerufen worden.

Die einstigen hohen Erwartungen wurden jedoch über die Jahre hinweg immer wieder bitter enttäuscht.

Im Interesse der fluglärmbetroffenen Bürgerinnen und Bürger bitten wir darum, dass der Rat die für die Durchführung des Dialogforums verplanten Mittel künftig für wirksame Maßnahmen zum Schutz der lärmbetroffenen Bürgerinnen und Bürger einsetzt.

Mit freundlichen Grüßen,
Peter Richter für die IG Nachtflugverbot
Gerd Naether für die BI gegen die neue Flugroute
Peter Büscher für das Aktionsbündnis gegen Flughafenausbau Leipzig/Halle
sowie Stadtrat Bert Sander und Stadträtin Anna Kaleri
Leipzig, den 24. Mai 2023

Was die Grünen zum Austritt aus dem Dialogforum sagen

„Der Erweiterung des Dialogforums wurde nunmehr von einigen Mitgliedern widersprochen, was einer Missachtung des oben genannten Ratsbeschlusses gleichkommt. Es zeigt sich, dass es bei bestimmten Vertretern im Forum mit der viel beschworenen Dialogbereitschaft nicht weit her ist”, sagte am Mittwoch Bert Sander, flughafenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion. “Das Dialogforum ist auf Antrag der Stadtratsfraktion von Bündnis 90 / Die Grünen 2009 ins Leben gerufen worden. Mittlerweile befindet sich dieses Forum in seiner dritten Dialogperiode, die 2020 startete. Konkrete Ergebnisse, die zum Beispiel zu einer Lärmentlastung für die Anrainer hätten führen können, kann das Forum nicht vorweisen. Die nächtliche Lärmbelastung allerdings nimmt stetig zu. – Die einstigen hohen Erwartungen, die mit dem Dialogforum verbunden waren, sind über die Jahre hinweg immer wieder bitter enttäuscht worden. Ein Dialog um des Dialogs willen aber ist ohne Sinn, bedeutet Leerlauf und nur vertane Zeit.“

Da aktuell der Ausbau des Flughafens voranschreitet und ein Planfeststellungsverfahren ins Haus steht, das einen noch umfangreicheren Ausbau des Flughafens anpeilt, sind aus seiner Sicht konkrete Maßnahmen dringend angezeigt.

„Statt für nur simulierte Dialoge sollte die Stadtverwaltung ihre Kraft für konkrete Maßnahmen einsetzen: So zum Beispiel endlich die vom Rat bereits 2021 beschlossenen drei kommunalen Fluglärm-Messstationen (Standorte: Lindenthal/Breitenfeld, Lützschena-Stahmeln und Burghausen/Gundorf) einrichten. Auch unseren Antrag auf die komplette Auflösung des Dialogforums (VII-HP-08789), der im Herbst zur weiteren Beratung vorgesehen ist, werden wir weiter aufrechterhalten“, betont Bert Sander.

Dieser Antrag lautet kurz und bündig: “Die Stadtverwaltung beendet das Dialogforum Flughafen Leipzig/Halle zum schnellst- bzw. nächstmöglichen Zeitpunkt. Die durch die Einstellung des Dialogforums eingesparten Kosten sind für den Aufbau und Betrieb der 2021 vom Rat beschlossenen drei kommunalen Fluglärm-Messstationen zu verwenden.”

Was die verbleibenden Mitglieder des Dialogforums Flughafen Leipzig/Halle (FFL) sagen

Die noch anwesenden Mitglieder (Vertreter von Unternehmen, Ortschaftsräten, Stadt Leipzig) bedauern diesen überraschenden Schritt und erklären, dass sie weiterhin an einem Dialog festhalten und diesen umsetzen wollen, teilten sie am Mittwoch mit.

In der Sitzung des Dialogforums war geplant, dass das „Aktionsbündnis für Klima- und Lärmschutz und sofortigen Ausbaustopp am Flughafen Leipzig/Halle“ einen Fachvortrag zum Thema „Ökonomische und Beschäftigungseffekte des geplanten Ausbaus des Frachtflughafens Leipzig/Halle“ hält. Der Referent der Bürgerinitiative verließ jedoch auf eigenen Wunsch den Raum. Zudem war zur Abstimmung vorgeschlagen, die Kernbesetzung des Dialogforums um je einen Vertreter des „Aktionsbündnis für Klima- und Lärmschutz und sofortigen Ausbaustopp am Flughafen Leipzig/Halle“, des „Netzwerk Energie&Umwelt e.V.“ und des Ortschaftsrates von Burghausen zu erweitern.

Thomas Hoffmann, Ortsvorsteher von Lindenthal, sagte dazu: „Mir ist der Dialog mit der Flugverkehrswirtschaft sehr wichtig. Ich sehe es als meine Aufgabe an, die Ortschaft Lindenthal möglichst zielführend in einem solchen Dialog zu vertreten. Nur miteinander reden führt uns weiter.“

Die Vertreter der Wirtschaft erklären gemeinsam, dass sie in jedem Fall einen Dialog mit den Ortschaften, den Anwohnern, den politischen Vertretern und den Bürgerinitiativen weiterführen möchten.

Wirtschaftsbürgermeister Clemens Schülke und Peter Wasem, Leiter des Amtes für Umweltschutz als Vertreter des Umweltbürgermeisters Heiko Rosenthal, erklärten: „Wir als Vertreter der Stadt Leipzig bedauern den für uns nicht nachvollziehbaren Schritt. Wir sehen uns dem Anliegen des Stadtrates verpflichtet, müssen nun aber innehalten und überlegen, wie wir den für unsere Region wichtigen Dialog weiterhin konstruktiv gestalten können.“

Das Dialogforum Flughafen Leipzig / Halle versteht sich als Informations- und Kommunikationsplattform rund um den aktuellen Betrieb und die künftige Entwicklung des Flughafens Leipzig/Halle. Es sollte dem Dialog zwischen Vertretern der Bürgerinitiativen und –vereinigungen, des Flughafens Leipzig/Halle bzw. der Mitteldeutschen Flughafen AG, der DHL am Standort Leipzig-Halle Airport, der im Stadtrat von Leipzig vertretenen Fraktionen, der Ortschaftsräte, der Stadtbezirksbeiräte, der Stadtverwaltung Leipzig sowie weiterer Akteure dienen.

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