Wenn man sich durch die Stadtratssitzungen arbeitet, merkt man erst, welche Fülle an Themen die Leipziger Stadträte da Monat für Monat abarbeiten. Leipzigs Ratsversammlung ist jedenfalls kein gleichgültiges Gremium und wenig wird hier einfach durchgewinkt. Die gewählten Stadträtinnen und Stadträte nehmen ihren Wählerauftrag sehr ernst. Auch wenn ihre Möglichkeiten – wie beim Flughafenausbau – peinlich gering sind.

Das wurde in der Sitzung am 5. Juli sehr deutlich, als die zweite Stellungnahme der Stadt zu den Plänen des Flughafenausbaus zur Abstimmung stand. Die haben wir an dieser Stelle schon besprochen. Und der Frust, den insbesondere SPD-Stadtrat Andreas Geisler und Bert Sander aus der Grünen-Fraktion deutlich machten zur Ignoranz des Flughafens gegenüber allen Leipziger Einwänden, war nur zu verständlich.

Der geplante Ausbau ist ein Projekt, das völlig aus der Zeit gefallen ist, sagte Geisler. Egal, ob der Umgang des Flughafens mit Lärmschutz, Artenschutz oder Klimaschutz – nichts davon passt noch zu einer Gegenwart, in der die Zerstörung unserer Umwelt überall sichtbar wird.

Und Geisler brachte es auch auf das schöne Beispiel der Luxus-Damenhandtasche, die vom Hersteller damit beworben wird, dass sie überall in Europa am nächsten Tag erhältlich wäre. Was aber nur funktioniert, weil Fluggesellschaften wie DHL auch diese völlig überflüssigen Luxusprodukte als Expressgut deklarieren und damit jenen fadenscheinigen Vorwand schaffen, dass alle diese Online-Konsumwaren auch nachts geflogen werden dürfen.

Keine Steuern für Leipzig

Es erstaunt schon, dass CDU-Stadtrat Falk Dossin dann in seiner Gegenrede einfach behauptete, Leipzig profitiere von den Steuereinnahmen durch den Flughafen. Doch Leipzig bekommt keine Steuerzahlungen von DHL, dessen Unternehmenssitz im fernen Bonn ist. Die Steuern fließen also an den Rhein, nicht nach Leipzig. Und auch vom Flughafen selbst profitiert Leipzig nicht, denn der zahlt seine Steuern in Nordsachsen.

Was geholfen hat – und das gestand Andreas Geisler auch zu – war die Rolle des Flughafens für die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Vergangenheit. Aber das hat sich längst grundsätzlich gewandelt. Längst herrscht in der ganzen Region Leipzig ein Mangel an Fachkräften. Die Leute werden in viel wichtigeren Branchen gebraucht und es ist höchst fraglich, ob DHL und die anderen Frachtfluggesellschaften bei einer Erweiterung des Frachtflugumschlags überhaupt noch die nötigen Leute findet.

Schon jetzt werden die vorhandenen Kapazitäten zu 80 Prozent nicht ausgenutzt, konnte Andreas Geisler feststellen. Denn indem DHL sich fast völlig auf die Nachtkernzeit beschränkt, wo der Hauptumschlag stattfindet, findet nur ein kleiner Bruchteil der Frachtflüge tagsüber statt. Es brauche also gar keinen weiteren Ausbau, um das Frachtgeschehen auszuweiten. „Es spricht nichts für einen Ausbau“, sagte Geisler.

Kein Klagerecht für Leipzig

Und Bert Sander brachte dann die Frage nach Konsequenzen auf den Tisch. Kann Leipzig klagen, wenn die Landesdirektion die Einwände der Stadt wieder beiseite wischt und das Ausbauvorhaben des Flughafens einfach genehmigt?

Eine Frage, die im Raum stand, bis OBM Burkhard Jung am Ende dann deutlich machte: Nein. Leipzig hat kein Klagerecht. Klagen dürfte die Stadt nur, wenn eigene Planungen durch den Flughafenausbau betroffen wären. Stellvertretend für die lärmgeplagten Bürger darf die Stadt nicht klagen. Und genau so geht es all den Städten und Gemeinden, die ihre Widersprüche zu den Ausbauplanungen vorgelegt haben.

Da dürfte auch FDP-Stadtrat Sven Morlok in sich gegangen sein, der noch kurz zuvor meinte, wir lebten ja in einem Rechtsstaat und Leipzig habe mit der Stellungnahme nur seine Meinung abgegeben. Und wenn da ignoriert werde, müsse man klagen.

Aber genau das geht nicht.

Leipzig besitzt nicht mehr als ein Anhörungsrecht. Das von der zuständigen Genehmigungsbehörde – der Landesdirektion Sachsen – einfach ignoriert werden kann. Aber dieses Spiel kennen die Fluglärmbetroffenen ja seit 2007. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Wohingegen ein Konzern wie DHL nur zu gern klagt, wie wir wissen, wenn junge Leute vor den Toren des Flughafens gegen seine Geschäftspraktiken protestieren.

Da kann man eigentlich nur noch auf die Vernunft einer Genehmigungsbehörde zählen, welche die Argumente aus der Stellungnahme nicht nur der Stadt Leipzig ernst nimmt und ein Vorhaben stoppt, das so eindeutig nicht mehr in die Zeit passt. So eindeutig, dass nur noch gutgläubige Stadträte glauben, es werde leiser, wenn DHL ein paar alte Flugmaschinen aussortiert.

Und das hat, so wie Falk Dossin richtig feststellte, auch mit fehlenden Messungen zu tun. Die auch deshalb fehlen, weil sich auch der Flughafen weigert, das Messnetz auszubauen und wirklich realistische Lärmbelastungsberichte vorzulegen.

Weshalb dann nur die Stadträte der CDU-Fraktion der Stellungnahme nicht zustimmten oder gar dagegen stimmten. Das Ergebnis trotzdem : 44 Stimmen für die Stellungnahme der Stadt, vier Enthaltungen und vier Gegenstimmen.

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