Am Mittwoch, dem 8. November, fand die 63. Sitzung der Fluglärmkommission (FLK) des Flughafens Leipzig/Halle in Schkeuditz statt. Eine Sitzung, die im Tonfall dann doch ein bisschen anders war als die vielen Sitzungen vorher. Denn so geballt haben die Kommunen rund um den Flughafen ihren (leisen) Ärger über die zunehmende Lärmbelastung bislang nicht vorgetragen. Und erstmals musste die Kommission in einem Punkt zugestehen: Ja, der Ärger ist berechtigt. Und messbar.

Und selbst im üblichen Beschwerdebild wird deutlich, dass immer mehr Kommunen vom (nächtlichen) Fluglärm betroffen sind.

„Im Rahmen der regelmäßigen Berichterstattung informierte der Flughafen unter anderem über die Verkehrsentwicklung und die aktuelle Beschwerdesituation“, meldet Steffen Schwalbe, Vorsitzender Fluglärmkommission und Bürgermeister von Rackwitz, als der 63. Sitzung. „Schwerpunkte sind hier vor allem die Stadt Eilenburg und die Gemeinde Krostitz (veränderte Abflugroute).“

In Eilenburg machen mittlerweile die Anflüge auf den Flughafen zunehmend Ärger, in Krostitz steigt die Lärmbelastung durch eine veränderte Abflugroute.

Eigentlich die einzige gute Nachricht, nachdem die Gemeinden rund um den Flughafen immer wieder gegen die Triebwerksprobeläufe im Freien protestiert hatten. „Seit Fertigstellung der baulichen Ertüchtigung der Triebwerksprobelaufhalle im Oktober 2022 finden nachts außerhalb der Halle keine Triebwerksprobeläufe statt.“

Wenigstens nachts, kann man da sagen.

Der Fall Lützschena-Stahmeln

Schon mehrfach berichteten wir an dieser Stelle über die auffälligen Abweichungen bei jüngeren Lärmmessungen im Leipziger Ortsteil Lützschena-Stahmeln gegenüber den Ausweisungen des Lätrmschutzgebietes. Denn obwohl der Lärm in Teilen des Ortsteiles überdeutlich zu hören war, gab es für die Bürger keinerlei Unterstützung für Lärmschutzmaßnahmen.

2021 wurden diese Abweichungen Thema im Leipziger Stadtrat. Der Lärmschutzbeauftragte wurde eingeschaltet.

Und siehe da: Der Flughafen informierte die Fluglärmkommission am Mittwoch über die Ergebnisse der inzwischen durchgeführten umfangreichen Messreihe im Leipziger Ortsteil Lützschena-Stahmeln. Der Flughafen hatte hier auf Anforderung der Stadt Leipzig zahlreiche Fluglärmmessungen durchgeführt.

Und als man diese Messungen dann auswertete, konnte in Teilen der Ortslage eine Überschreitung des im Planfeststellungsbeschluss festgelegten Kriteriums der Aufwachwahrscheinlichkeit festgestellt werden.

Grund für die signifikanten Abweichungen sind geografische Besonderheiten. „So fällt das Gelände von der Startbahn in Richtung Lützschena zunächst ab und steigt anschließend in Richtung Lützschena-Nord wieder an. In Abhängigkeit von den meteorologischen Gegebenheiten zum Zeitpunkt des jeweiligen Startvorgangs resultieren daraus für diesen Bereich unterschiedlich starke Bodenschalldämpfungen“, heißt es aus der Fluglärmkommission.

„Daraus ergeben sich Abweichungen zwischen den Messungen und den Berechnungen im Zusammenhang mit der Überprüfung des Nachtschutzgebietes. Es wurden weitergehende Untersuchungen durchgeführt und Anpassungen des Berechnungsmodelles hergeleitet, welche im Vergleich der realen Messergebnisse mit den Berechnungsergebnissen validiert wurden. Diese wurden für die Nachrechnung des Nachtschutzgebietes für das Betriebsjahr 2021 berücksichtigt.“

Ergebnis: Sowohl für die Ortslagen Lützschena-Stahmeln als auch für Schkeuditz ergeben sich Bereiche, die bisher außerhalb des ausgewiesenen Nachtschutzgebietes lagen und „nun zusätzlich von durchschnittlich mehr als einer fluglärmbedingten Aufwachreaktion pro Nacht betroffen sind.“

Eine etwas krumme Formulierung, denn den Lärm hatten die Betroffenen auch schon vor 2021. Es hat nur 19 Jahre gebraucht, um die völlig ungenügenden Annahmen aus der Definition des Nachtschutzgebietes endlich zu korrigieren. Und das betrifft eben nicht nur eine Handvoll Häuser, sondern eine ganze Menge mehr.

„Daher wird der Flughafen Leipzig/Halle den Bewohnern dieser Bereiche bauliche Schallschutzmaßnahmen nach Maßgabe der Festlegung zum Nachtschutzgebiet anbieten“, heißt es aus der Fluglärmkommission. „Anspruchsberechtigt sind ca. 2.000 Haushalte.“

Ärger in Markkleeberg

Der Landkreis Leipzig beantragte in der Sitzung nun endlich auch eine Überprüfung der Flugverfahren im Großraum Markkleeberg durch die Deutsche Flugsicherung. Den Ärger mit der neuen Anflugroute gibt es in Markkleeberg inzwischen seit 2020. Betroffen sind auch einige südliche Ortsteile von Leipzig.

Wie das jetzt freilich gelöst werden soll, beschreibt die Fluglärmkommission so: „Dabei sollen Möglichkeiten für Verfahrensänderungen geprüft werden, welche u.a. zu einer Verlagerung der Flugverläufe aus dem Bereich des Großraumes Markkleeberg führen. Dem Antrag wurde seitens der FLK einstimmig zugestimmt.“

Nur: Wohin soll der Flugverkehr dann verlagert werden? Welche Kommune wird dann die nächste Leidtragende?

Die scheinbar so völlig unerwarteten neuen Belastungen passieren ja nicht, weil sich die Piloten nicht an die verlangten An- und Abflugverfahren halten. Im Gegenteil. Sie halten sie in der Regel mustergültig ein, wie man aus der Fluglärmkommission erfährt: „Weiterhin berichtete die DFS (Deutsche Fluggsicherung, d. Red.) über die Auswertung der Ergebnisse zu den tatsächlichen Flugverläufen nach Umstellung der Abflugverfahren. Auffälligkeiten konnten in den Analysen nicht diagnostiziert werden. Die Flugverläufe entsprechen im Wesentlichen den vorher prognostizierten und in der Fluglärmkommission vorgestellten Erwartungen der DFS.“

Das heißt: Der Lärm, den immer neue Kommunen rund um den Flughafen erleben, war genau so zu erwarten. Und er wird – wenn der Frachtflugbetrieb auf dem Flughafen noch weiter zunimmt, auch weiter steigen.

Der Vertreter des Landes Sachsen-Anhalt warb in der Fluglärmkommission übrigens noch für ein zentrales Beschwerde-Management und für die Verbesserung der Kommunikation zur Arbeit der Fluglärmkommission. Denn auch in den Kommunen auf dem Gebiet von Sachsen-Anhalt nimmt der Frust über die zunehmende Lärmbelastung zu.

Und auch dort haben die Betroffenen das Gefühl, dass ihre Beschwerden über besondere Lärmereignisse einfach nichts ändern.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar