Das Projekt neue B87 ist schon einmal vor den Baum gelaufen, weil der Freistaat Sachsen die Bundesstraße nicht nur vierstreifig ausbauen, sondern auch noch quer durch die Parthenaue bauen wollte, ein streng geschütztes FFH-Gebiet und wertvolles Ackerland. Die Bürger gingen an die Decke. Das Projekt wurde gestückelt. Im August 2018 begann die ausführende DEGES eine Planungswerkstatt zu diesem brisanten Teilstück, lud auch die Bürgerinitiativen ein. Doch die sind jetzt entsetzt, mit welcher Sturheit auch die DEGES durch die Parthenaue will.

„Der Aus- bzw. Neubau der B 87n wurde in den aktuellen Bundesverkehrswegeplan 2030 aufgenommen. Ziel des Bundes ist es, mit der B 87n eine großräumige Verbindungsfunktion zwischen den Oberzentren Leipzig und Cottbus mit überregionaler Bedeutung sicherzustellen. Dabei soll ein bedarfsgerechter, bestandsnaher Ausbau in Kombination mit lokaler Verlegung (Neubau) erfolgen. Gleichzeitig sollen die Ortsdurchfahrten vom Durchgangsverkehr entlastet werden“, meldete die DEGES am 25. Januar zum Stand des Beteiligungsprozesses.

„Bei der Entwicklung der Varianten müssen wir vom Groben ins Feine kommen“, erklärte Werner Breinig, Projektleiter der verantwortlichen Projektmanagementgesellschaft DEGES. „Das Planungsverfahren befindet sich derzeit in einer sehr frühen Phase, in der es noch nicht möglich ist, technische Details zu diskutieren und Kosten zu schätzen. Vorerst muss es darum gehen, jene Korridore zu definieren, bei denen eine vertiefende Untersuchung vorgenommen und Linienvarianten erarbeitet werden sollten.“

Und dann kam wieder das hoheitliche Denken der Planungsgesellschaft durch: „Hatten die Teilnehmenden bei der ersten Planungswerkstatt den Betrachtungsraum eingegrenzt und Prüfaufträge an die begleitenden Planungsbüros formuliert, so stellten die Verkehrs-, Straßen- und Umweltplaner auf der zweiten Planungswerkstatt die Ergebnisse zu den Prüfaufträgen vor. Dabei wurde deutlich, dass einige der vorab von den Teilnehmenden vorgeschlagenen Korridore nicht weiterverfolgt werden können, da sie aus technischen, gesetzlichen oder wirtschaftlichen Gründen nicht zielführend bzw. umsetzbar wären.“

Und ausgerechnet die Nutzung der alten Straßentrassen wurde auf einmal wieder zurückgestellt, genau das, was die Bürgerinitiativen gefordert hatten. Wieder sieht man die Fixierung auf die schon existierende Anschlussstelle an die A 14, frei nach dem Motto: Wo eine Anschlussstelle ist, können wir auch eine Bundesstraße planen.

Im Text der DEGES klang das mit der Variantenauswahl so:

„Die Fachgutachter erläuterten die Gründe, warum bestimmte Korridore für die B 87n nicht realisierbar wären: So ist beispielsweise eine zusätzliche Autobahnauffahrt zwischen den bestehenden Anschlussstellen nicht möglich, wenn der in den technischen Regelwerken geforderte Mindestabstand nicht eingehalten werden kann.

Wichtig ist auch die Beachtung der verkehrlichen Wirkung: Würde eine neue Trasse zu weit von der bestehenden B 87 entfernt gebaut, so würde diese keine Entlastung für die Stadt Taucha bringen, da die Verkehrsteilnehmer keine Umwege in Kauf nehmen würden, sondern in der Regel den kürzesten Weg wählen. Unter Berücksichtigung der Kosten kann man darüber hinaus schon jetzt eine lange Tunnellösung – etwa größer 2.000 m – ausschließen.

Ein Variante mit einem kürzeren Tunnel wäre jedoch technisch und wirtschaftlich vorstellbar und sollte tiefergehend untersucht werden, so ein Ergebnis der Planungswerkstatt: In vertiefenden Untersuchungen sollen in den kommenden Monaten in einem bahnparallel verlaufenden Korridor drei verschiedene Linienvarianten geprüft werden, bei denen ein Teil der Strecke durch einen Tunnel geführt würde.

Auch zwei weitere Korridore im Südosten von Taucha konnten in der Planungswerkstatt für die vertiefende Untersuchung identifiziert werden: Diese würden an der Anschlussstelle A 14 Leipzig-Ost beginnen und östlich von Taucha auf die B 87 geführt werden. Diese Korridore kreuzen jedoch das FFH-Gebiet (Flora-Fauna-Habitat), ein europäisches Schutzgebiet zur Sicherung der Artenvielfalt durch den Erhalt der natürlichen Lebensräume, welches entlang der Parthe verläuft. Die Querung und Zerschneidung des FFH-Gebietes wäre jedoch nur unter strengen Auflagen zulässig und würde eine hohe Anforderung an die Genehmigungsfähigkeit darstellen.“

Und trotzdem prüft man genau so eine Variante.

Logisch, dass die Bürgerinitiativen regelrecht entsetzt sind.

Insbesondere die Bürgerinitiative „Alternative B87“ e.V. zeigt sich nach Bekanntwerden der jüngsten Ergebnisse der Planungswerkstatt der DEGES (Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH) im Rahmen des Beteiligungsverfahrens „B87 im Dialog“ erschüttert über erneute Bestrebungen, auch zwei Korridore im Südosten der Stadt Taucha, also mit Querung des FFH-Gebietes Parthenaue, für die Planung der B87n in Erwägung zu ziehen und dazu weitere detaillierte Untersuchungen anzustellen.

Die B87n soll – in einigen Abschnitten – als vierspurige Bundesstraße mit Autobahncharakter eine schnelle Verbindung zwischen Leipzig und Torgau sowie weiter über Cottbus bis nach Polen herstellen.

Die beiden ausgewählten kurzen Korridore würden auf jeden Fall die Parthenaue zwischen Taucha und Borsdorf sowie die einzigartige Endmoränenlandschaft östlich von Taucha zerschneiden. Dieses Gebiet genießt als ausgewiesenes FFH-Gebiet einen besonderen europäischen Schutz.

In den letzten Jahren haben tausende Bürger, Bürgerinitiativen, Umweltverbände sowie auch zahlreiche Politiker und Vertreter der Stadt Taucha, umliegender Gemeinden bis hin zu Vertretern von Kreis- und Landtag deutlich Ihren Widerstand gegen eine die Parthenaue zerschneidende B87n zum Ausdruck gebracht.

In der sogenannten „Tauchaer Erklärung“ zur B87n vom 26.01.2013 wurde nach einem langen und intensiven Prozess der öffentlichen Beteiligung und Meinungsbildung der feste, gemeinsame Wille der in der Region zwischen Leipzig und Eilenburg lebenden Menschen, politischer Akteure und Träger öffentlicher Belange bekundet. Diese „Tauchaer Erklärung“ fordert eine leistungsfähige und bedarfsgerechte Verkehrsinfrastruktur zwischen Leipzig, Eilenburg und dem Wirtschaftsraum Torgau unter Berücksichtigung folgender Randbedingungen:

– Bau der B 87n unter Nutzung und Ausbau der vorhandenen Verkehrsinfrastruktur von B2/S4 mit Ortsumgehungen.
– Keine Querung der Parthenaue.
– Keine neue Zerschneidung der Taucha-Eilenburger Endmoränenlandschaft.
– Entlastung des Straßenverkehrs in der Stadt Taucha.
– Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs zwischen Leipzig und Torgau.

Eine Vielzahl politischer und gesellschaftlicher Vertreter von Leipzig bis Torgau haben sich damals als Erstunterzeichner hinter die für die Region so wichtige Erklärung und somit gegen eine Querung der Parthenaue gestellt.

Mit dem aktuellen Zwischen-Ergebnis der Planungswerkstatt der DEGES, zwei Korridore durch die Parthenaue östlich von Taucha in Betracht zu ziehen und näher untersuchen zu wollen, stellt sich die DEGES jetzt gegen den breiten in der Vergangenheit gefundenen Konsens und gegen den ausdrücklichen Willen der Unterzeichner der „Tauchaer Erklärung“.

Die Bürgerinitiative „Alternative B87“ appelliert deshalb ausdrücklich an die DEGES und die Teilnehmer der Planungswerkstatt, die „Tauchaer Erklärung“ sowie den darin ausgedrückten gemeinsamen Willen zu respektieren. Gleichzeitig ruft die Bürgerinitiative die Unterzeichner der „Tauchaer Erklärung“ und alle aktiven Bürger und politischen Kräfte der Region auf, ihren Einfluss auf die DEGES und die Planungswerkstatt auszuüben, um die jetzt erneut aufkommenden Pläne zur Zerstörung der Parthenaue zu unterbinden.

In den bisherigen Abschnitten der diversen Planungsverfahren zur B87n war in den letzten Jahren häufig vom sogenannten „hohen Raumwiderstand“ im Zusammenhang mit dem als „Südvariante“ bekannt gewordenen Streckenverlauf die Rede. Mit den jetzt von der DEGES neu aufgelegten Plänen für eine Südvariante durch die Parthenaue sieht die Bürgerinitiative „Alternative B87“ genug Anlass, in den nächsten Monaten die Bevölkerung in der Region wieder entsprechend zu mobilisieren und damit den „Raumwiderstand“ für die Planer wieder deutlich spürbar zu machen.

Die Bürgerinitiative „Alternative B87“ wurde im Sommer 2009 von Bürgern aus der Region Taucha und Umgebung ins Leben gerufen, nachdem die Pläne zum Bau einer vierspurigen Bundesstraße mit Autobahncharakter zwischen Leipzig und Eilenburg bekannt wurden. Die Bürgerinitiative macht sich stark gegen die erwartete massive Zerstörung von Natur und Umwelt durch ein politisches Prestige-Projekt, dessen Notwendigkeit aufgrund der regional stark rückläufigen Bevölkerungs- und Verkehrs­entwicklung sowie vor dem Hintergrund der zu erwartenden Bau- und Unterhalts­kosten äußerst zweifelhaft ist.

DEGES bereitet das öffentliche Beteiligungsverfahren für den Abschnitt Taucha der B 87n vor

DEGES bereitet das öffentliche Beteiligungsverfahren für den Abschnitt Taucha der B 87n vor

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