Der Streit um den von Michael Triegel mit neuen Bildtafeln ergänzten Aufbau des Marienaltars des Naumburger Doms geht weiter und nimmt immer skurrilere Züge an. Letztlich wurde das Anliegen der Vereinigten Domstifter, den einst von Lucas Cranach geschaffenen Marienretabel an seiner ursprünglichen Stelle wieder aufzustellen, mit dem Argument negiert, er habe dort nie gestanden. Wogegen sich die Vereinigten Domstifter mit einer Quellenstudie wehren.

Denn das Argument, das der Regensburger Kunsthistoriker Prof. Dr. Achim Hubel vorgebracht hat, um die Aufstellung des Altars im Naumburger Westchor zu verhindern, greift auch die Frage auf, welche Handlungsspielräume eigentlich die Kirchenverantwortlichen noch haben, wenn Denkmalpfleger ihre Sichtweise auf die „richtige Rekonstruktion“ historischer Kirchenräume als Gesetz setzen können. Und dann auch noch ohne Kenntnis der tatsächlichen Abläufe vor 500 Jahren argumentieren.

Denn danach sieht es aus.

In Vorbereitung der Drucklegung der Ergebnisse des wissenschaftlichen Kolloquiums der Vereinigten Domstifter vom November 2022 haben die Autoren Dr. Holger Kunde und Dr. Matthias Ludwig ihren Beitrag „Der Marienaltar im Westchor des Naumburger Domes und seine Altarflügel von Lucas Cranach dem Älteren. Eine kritische Quellenstudie“ vorab auf der Homepage der Stiftung publiziert.

Denn der geht genau auf diese Vorgänge im Jahr 1520 ein, als der Dom sein Marienretabel von Lucas Cranach bekam und es aufstellte.

In Eigenregie. Damals musste kein Denkmalpfleger gefragt werden, wo eine Kirchengemeinde ihre Altäre aufstellen möchte. Und niemand entfachte mediale Diskussionen darüber, ob der neue Altaraufbau die auf Säulen stehenden Stifterfiguren nun verdecken würde oder nicht. Was auch die Kirchengemeinde nicht interessierte, denn Kirchen waren keine touristischen Objekte wie heute, sondern Räume der Glaubenspraxis.

Die Rechnungsbücher der Kirchenfabrik

Kunde und Ludwig haben anhand der Auswertung der Quellen des Naumburger Domstiftsarchivs zentrale Thesen des von ICOMOS Deutschland für Naumburg ernannten ICOMOS-Monitors, Prof. Dr. Achim Hubel, eindeutig widerlegen können. Insbesondere konnten sie anhand der Rechnungsbücher der Kirchenfabrik des Naumburger Domes detailliert nachweisen, dass das 1520 von Lucas Cranach vollendete Marienretabel für den Marienaltar des Naumburger Westchores geschaffen und dort auch aufgestellt worden ist.

Eigentlich dürfte man von einem Denkmalpfleger erwarten, dass er sich mit dieser ganz buchhalterischen Quellenlage beschäftigt, bevor er seine Thesen aufstellt.

Noch im Dezember 2022 hatte Hubel in der Zeitschrift „Denkmalpflege in Sachsen-Anhalt“ versucht, nachzuweisen „dass auf dem zentralen Altarblock im Westchor nie ein Retabelaufsatz gestanden haben kann […]“, eine Ansicht, der sich in der Folge ein Teil seiner Kollegen und Präsident Mager von ICOMOS Deutschland anschlossen. Stattdessen verortete Hubel ohne jeden stichhaltigen Beleg den ursprünglichen Standort des Cranach-Retabels im Ostchor des Naumburger Domes.

Wie sich nun herausstellt, finden die Thesen Hubels in den Quellen keine Bestätigung, teilen die Vereinigten Domstifter mit. Auch Hubels Leugnung eines antimarianischen Bildersturms im Naumburger Dom am 9. November 1541, dem das Mittelteil des Retabels und weitere Mariendarstellungen zum Opfer fielen, konnte von Kunde und Ludwig anhand aussagefähiger Quellen verifiziert werden.

Der jetzt vorliegende Nachweis der Errichtung des von Cranach geschaffenen Retabels auf dem Marienaltar des Naumburger Westchores ist unter Einbeziehung der Charta von Venedig von erheblicher Bedeutung für die anstehenden Gespräche zum weiteren Schicksal des Altarprojektes, stellen die Vereinigten Domstifter fest. Noch bis Mitte 2023 ist das Cranach-Triegel-Retabel an das Diözesan-Museum in Paderborn ausgeliehen.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar