Solche Preise muss man sich verdienen. Dazu gehört schon ein dickes Fell, Sitzfleisch und eine gewaltige Portion Unverfrorenheit. Den Big Brother Award bekommt man nur, wenn man beim Sammeln privater Daten mit nicht nachlassender Strenge zu Werke geht. Eigentlich ist es keine Überraschung, dass der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) in diesem Jahr genauso bedacht wird wie der vom Überwachungsstaat begeisterte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU).

Die beiden Innenminister wurden dabei vom Datenschutzverein FoeBuD in eine selige Gesellschaft aufgenommen, die in diesem Jahr auch die Schnüffelfirmen bofrost (Arbeitswelt), Gamma International (Technik) und das Abstraktum “die Cloud” (Kommunikation) bereichern. Letzteres als kleine Warnung an alle, die glauben, ihre irgendwo auf einem Speicher in Europa abgelegten Daten seien vor dem Zugriff us-amerikanischer Schnüffler sicher.

“Denn seine Daten in einer nebulösen Serverfarm irgendwo auf der Welt abzuspeichern, ist der Alptraum jedes datenbewussten Menschen. Fast alle Cloud-Anbieter sind amerikanische Firmen – und die sind laut Gesetz verpflichtet, US-Behörden Zugriff auf alle Daten in der Cloud zu geben, auch wenn sich die Rechnerparks auf europäischem Boden befinden. Damit ist die Cloud ein gefährlicher Trend, der die Nutzerinnen und Nutzer gläsern macht”, so die Begründung des Datenschutzvereins.

Die Preisträger wurden am Freitag, 13. April, bekannt gegeben.Deutsche Innenminister mit ihrer Überwachungsmanie gelten bei FoeBud mittlerweile als Dauerbrenner. Sie machen meist nicht unbedingt ihren Job, sondern instrumentalisieren ihr Ressort für etwas andere Interessen. Markus Ulbig wurde dabei für eine ganz besondere preiswürdige Leistung ausgezeichnet: Die Funkzellen-Auswertung während einer Neonazi-Demonstration in Dresden im Februar 2011.

Dabei wurden von 55.000 Handybesitzern, die sich zu dieser Zeit in dem Gebiet aufhielten, sämtliche eingehende und ausgehende Anrufe und SMS sowie die jeweilige Position erfasst. Vor allem Gegendemonstranten waren betroffen. Die Verbindungsdaten tauchten später auch in anderen Strafverfahren auf.

Das kommentiert der sächsische Landtagsabgeordnete Karl Nolle so: “Diese Auszeichnung einer Datenkrake würdigt erneut die ‘Sächsische Demokratie’ und den Rechtsstaat in Sachsen. Deutschlands konservativste Landesregierung schafft es immer wieder ganz vorne dabei zu sein. Der Rechtstaat steht in Sachsen auf dünnen Beinen.”

Seit 2000 organisiert der FoeBuD die BigBrotherAwards, einen Negativ-Preis, der Datenschutzsünder ans Licht der Öffentlichkeit bringt. In der Jury sind neben dem FoeBuD der Chaos Computer Club, die Deutsche Vereinigung für Datenschutz, FIfF, FITUG, die Humanistische Union und die Internationale Liga für Menschenrechte vertreten. Die BigBrotherAwards machten zum Beispiel Rabattkarten, Scoring, Mautkameras, Anti-Terror-Gesetze, Farbkopierer und Handyüberwachung als Gefahr für Bürgerrechte und Privatsphäre bekannt.

Der FoeBuD e.V.wurde 1987 von den Künstlern padeluun und Rena Tangens in Bielefeld ins Leben gerufen und setzt sich für Bürgerrechte, ungehinderte Kommunikation und Datenschutz ein. Leitgedanke ist die Erhaltung einer lebenswerten Welt im digitalen Zeitalter. Sprecher des FoeBuD werden als Experten zum Thema Datenschutz eingeladen, so vom Verbraucherschutzministerium, vom Wirtschaftsministerium, vom NRW-Landtag, von einer Bundestagsfraktion und der EU-Kommission. Der FoeBuD ist gemeinnützig und lebt durch die Arbeit von vielen Freiwilligen. Er erhält eine Basisförderung der Stiftung bridge und finanziert sich durch Mitgliedsbeiträge und private Spenden.

Die Ausgezeichneten 2012
www.foebud.org

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