Die NPD möchte wieder reisen. Am 1. November planen die Rechten Kundgebungen vor der Moschee in der Leipziger Roscherstraße und der geplanten Asylbewerberunterkunft in der Pittlerstraße. Weitere sächsische Städte sollen ebenfalls Ziele von Kundgebungen werden. Doch den Boden für die Schaudemos scheint auch die sächsische CDU zu bereiten. Innenexperte Volker Bandmann beklagte sich quasi punktgenau über einen zunehmenden Missbrauch des Asylrechts in Sachsen.

“Asylmissbrauch”, “Überfremdung”, “Islamisierung”. Der NPD-Bundeschef Holger Apfel warf am Mittwoch vergangener Woche im Landtag drei Stichworte in den Raum und legt nun nach: “Ob in Dresden, Leipzig, Chemnitz oder Plauen – wir Nationaldemokraten werden die Ausgangspunkte der Überfremdung und die Schaltzentralen der Islamisierung besuchen und der einheimischen Bevölkerung zeigen, dass es mit der NPD eine nationale, identitäre und offensive politische Kraft gibt, die sich nicht scheut, den berechtigten Protest der Bürger aufzugreifen und auf die Straße zu tragen.”

Ab dem 29. Oktober planen die Neonazis eine “Aktionswoche”. “Als Stationen sind verschiedene Brennpunkte in den drei sächsischen Großstädten Dresden, Leipzig und Chemnitz vorgesehen, aber auch Aktionen in Plauen, Pirna, Radebeul, Kamenz und Weinböhla stehen auf dem Tourenplan”, so Parteisprecher Jürgen Gansel. “Zum Abschluss der Aktionswoche ist für den 3. November eine Kundgebung auf dem Mannheimer Platz in Riesa geplant.” In der Messestadt möchten die Rechten eine salafistische Gemeinde und die geplante Asylbewerberunterkunft im Stadtteil Wahren ansteuern. Für Islam- und Ausländerhasser zwei Reizpunkte. Offenbar hoffen sie auf Zuspruch bei Anwohnern.

Und dies könnte zumindest in stillschweigender Form geschehen. In Wahren waren im Frühjahr Nachbarn gegen das Flüchtlingsheim auf die Barrikaden gegangen. Unterstützung bei ihrem Protest erhielten sie damals von der CDU. Hier packt man das Thema zwar gewohntermaßen verbal etwas sanfter an, meint jedoch letztlich das Gleiche. Hinter vorgehaltener Hand geht es dann gern um sinkende Grundstückspreise im Umfeld von Wohnungen für Asylsuchenden, die “allgemeine Sicherheitslage”, das Betonen kultureller Unterschiede nimmt zu und die geheime Hoffnung, die Frage der Unterbringung möge im eigenen Viertel aus den Augen aus dem Sinn sein. Gern weit außerhalb und zentral organisiert.

CDU – Innenexperte Volker Bandmann teilte ausgerechnet zwei Tage nach Apfels Hassrede im Landtag mit, nach Auffassung seiner Fraktion finde seit Juli ein verstärkter Missbrauch des Asylrechts statt. Im Zusammenhang mit dem derzeit sprunghaft ansteigenden Zustrom aus Serbien und Mazedonien bitten die Abgeordnete den Bundesinnenminister alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Asylverfahren zügig zu Ende zu bringen. “Dies geht vor allem zulasten derjenigen, die zu Recht das Asylrecht in unserem Lande beanspruchen”, so Bandmann. “Außerdem dürfen wir unsere Kommunen mit dem Problem der Unterbringung jetzt nicht allein lassen.”

Das sind sie längst und zumindest in der “Armutshauptstadt” Leipzig nutzt eben dies die gleiche CDU selbst weidlich zum kommunalen Wählerstimmenfang. Denn lange Gerichtslaufzeiten fallen ebenso wenig vom Himmel, wie finanzielle Ausstattungen für Kommunen und eine Gesellschaft mit weniger Eigennöten und dafür mehr zugewandter Toleranz und Verständis im Umgang mit Asylsuchenden. Weitab der aktuellen Frage des erhöhten Zustroms dämmert dann noch irgendwo die, wie Deutschland überhaupt mit dem Thema Asyl in einer ökonomisch immer stärker unter Druck geratenden EU verfährt. Denn selbst mit der plakativen Unterscheidung “Wirtschaftsflüchtling” contra “politisch Verfolgter” wird man sich nicht ewig hinüber retten können. Die Weltgeschichte hat längst bewiesen, das Menschen – auch die in der einstigen DDR – sich wie Wasser verhalten, welches niemand am Fließen hindern kann. Globalisierung ohne soziale Flankierung geht eben nicht wirklich gut.

Eigentlich das wirkliche Thema, welches dann bereits auf den Tisch einer amtierenden Bundeskanzlerin, Sparweltmeisterin und Parteikollegin Bandmanns gehört.

Die NPD hat freilich Kurzfristigeres im Sinn. Die Neonazis möchten am Liebsten alle in Deutschland lebenden Migranten ausweisen. Ganz so, als ob damit irgend ein Problem tatsächlich gelöst würde.

“Dass die NPD ihre rassistische und islamophobe Haltung wieder zur Schau stellen will, ist kaum verwunderlich. Die Nazis denken mit ihren Aktionen in Teilen der Leipziger Bürgerschaft schwelenden Ressentiments gegen Flüchtlinge und Muslime anknüpfen zu können”, teilt das Aktionsnetzwerk “Leipzig nimmt Platz” unterdessen mit.

“Die Leipziger Zivilgesellschaft und alle BürgerInnen sind aufgerufen sich diesem Spuk entgegenzustellen. Es geht dabei allerdings nicht nur um Protest gegen Nazis, sondern auch darum jegliche fremdenfeindliche Denkweise zurückzuweisen und zu demonstrieren, dass MigrantInnen – ob Flüchtlinge oder Menschen muslimischen Glaubens – ein fester Bestandteil der Stadtgesellschaft sind.”

Was auch immer also am 1. November 2012 in Leipzig und an weiteren Tagen in Sachsen geschehen mag. Es scheint mal wieder an den Bürgern selbst zu sein, sich der Frage zu stellen, ob sie sich für den stillen Hass hinter den Gardinen oder eine tolerante Grundhaltung entscheiden wollen. Denn dabei ist es egal, was aktuelle Politik versucht.

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