Das "Freie Netz Mitteldeutschland" (FN) hat sich aufgelöst. Dies behauptet zumindest NPD-Landesvize Maik Scheffler. Anlass für die Äußerung des FN-Mitinitiators in einer Webcommunity ist die Beantwortung einer "Kleinen Anfrage" der Landtagsabgeordneten Kerstin Köditz (Die Linke). Innenminister Markus Ulbig bestreitet in seiner Antwort die Existenz des militanten Netzwerks. Es handele sich lediglich um ein "Informationsportal". Die Internetseite war am 14. Juli abgeschaltet worden.

Die Politikerin wollte sich von der Staatsregierung über die Aktivitäten des militanten Neonazi-Netzwerks im Jahr 2012 informieren lassen. Innenminister Ulbig erwiderte das, was er, sein Landesamt für Verfassungsschutz und diverse Ortsableger des “Freien Netzes” seit langem predigen: “Bei dem Freien Netz handelte es sich nicht um eine eigenständige Organisation bzw. einen eigenständigen Personenzusammenschluss, sondern um ein Vernetzungsmedium (Kommunikationsplattform) der ‘Freien Kräfte’.”

Dass der Minister unbeirrt die Sichtweise der FN-Anhänger wiedergibt, mutet allmählich grotesk an. Immerhin tauchten bereits im November 2011 längere Auszüge aus einem internen Neonazi-Forum auf, die die starke personelle Zusammenarbeit seiner “Führungsetage” dokumentiert. Samt Screenshots. Mehrere der zweifelsfrei identifizierbaren Kader räumten sogar ihre Urheberschaft ein. Gegen die bis heute nicht enttarnten Hacker wurde sogar wegen Ausspähens von Daten ermittelt. Die Linkspartei stieß, auch auf Grundlage dieses “Leaks”, im Landtag eine Debatte über das mögliche Verbot des “Freien Netz Mitteldeutschland” an, in deren Rahmen Ulbig die allseits bekannte Position der Neonazis wiedergab. Der Minister und sein Verfassungsschutz zeigten sich in diesem Punkt unbelehrbar.

Das “Freie Netz Mitteldeutschland” gründete sich im Sommer 2007. Das militante Netzwerk bestand aus den Gruppen Altenburg, Chemnitz, Dresden, Erzgebirge, Jena, Kahla, Leipzig, Leipziger Land, Nordsachsen, Saalfeld, Sächsische Schweiz/Osterzgebirge, Vogtland und Zwickau. Aus dem Ableger im fränkischen Hof entstand das “Freie Netz Süd” – ein süddeutsches Pendant nach ostdeutschem Vorbild. Aus den Gruppen Burg (b. Magdeburg) und Halle bildete sich zeitweilig das “Freie Netz Sachsen-Anhalt”. Die Thüringer Zweigstellen sind nunmehr im “Aktionsbüro Thüringen” zusammengefasst.

Auffällig ist, dass einzelne Gruppen seither mehrfach ihre Namen gewechselt haben. So nannte sich der Leipziger Ableger zunächst “Freies Netz Leipzig”, später dann “Aktionsbündnis Leipzig”. Die Personenkreise hinter den Websites veränderten sich dagegen, wenn überhaupt, nur marginal. Die Kader wurden nicht ausgetauscht. Wenngleich die Kameradschaften in verschiedenen Städten ansässig waren, fand unter ihnen ein reger Austausch statt. So existierten unter anderem strategische Absprachen. Ein Blick in das interne Forum hätte genügt, um dies zu erkennen. Statt die mithin gefährlichste mitteldeutsche Neonazi-Struktur zu verbieten, glaubte Ulbig blindlings deren Mär von einer reinen Webpräsenz. Dabei war das “Freie Netz” zeitweise in der Lage, binnen kürzester Zeit 300 Neonazis zu intern beworbenen Aufmärschen zu mobilisieren. Teile des “Freien Netzes” sind zwischenzeitlich in NPD und ihrer Nachwuchsorganisation “Junge Nationaldemokraten” aufgegangen. Ihr Wirken kann daher nur noch vom Bundesverfassungsgericht untersagt werden. Aus sächsischer Sicht ein Debakel.

Die Kleine Anfrage Drs 5/10972 zum Nachlesen:

http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=10972&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=-1

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