Nomen est omen. Nicht mehr Mittelmaß ist Sachsens zentraler Bildungsweg ab diesem Schuljahr, es ist nun (wieder) eine obere Schule. Eigentlich wieder eines der Spiele, die bei 16 verschiedenen verantwortlichen Landesregierungen so herauskommen. Wo der Hallenser Pastor Christoph Semler noch 1707 die erste Realschule in teutschen Landen ausrief, steht nun die neue Oberschule in Sachsen. Mit der FDP lernen, heißt Siegen lernen und so soll die Umbenennung natürlich auch Spürbares zu Tage fördern.

Die Ziele lauten: Mehr Fremdsprachenunterricht, Praxisberater zur raschen Berufsfindung und eine qualitative Aufwertung des eigentlich zentralen Schulweges eines jungen Sachsen ohne Hang zum Abitur. Fast ein Treppenwitz der ostdeutschen polytechnischen Oberschul-Geschichte – die Linke hat ordentlich Spott zum Schuljahresstart im Köcher. Doch zuerst die FDP zu ihrer neuen Oberschule: So starte nun “nach langem Ringen … die tiefgreifendste Reform des sächsischen Schulsystems seit seinem Aufbau nach der Wende. Die in den Koalitionsverhandlungen von CDU und FDP geborene gemeinsame Idee einer qualitativen Weiterentwicklung der Mittelschule zur Oberschule wird nun Realität. Das Herzstück des sächsischen Schulsystems wird nun durch deutlich verbesserte Angebote für alle Oberschüler enorm aufgewertet. Die Mittelschule und die Mittelschüler in Sachsen waren noch nie Mittelmaß – nun verdeutlicht dies auch der neue Name, ‘Oberschule’.”

Qualitative Aufwertung ist richtig und wichtig, will man nicht weiterhin zuschauen, wie in Abschlusszeugnissen schon der Name Mittelschule den persönlichen Korridor auf eine gute Lehrstelle deutlich verengt. Ob es der Name “Oberschule” besser kann, wird sich an den konkreten Änderungen beweisen müssen. Das hierbei die FDP mit den gleichen wackeligen Zahlen agiert wie die CDU ist nicht verwunderlich – auch hier ist erneut die Zahl von über 1.000 Neueinstellungen in Sachsen die Rede, 55 zusätzliche Lehrer wären in ganz Sachsen nun für die zusätzliche Förderung an den Oberschulen bereit. 7 Millionen mehr soll das alles in allem den Steuerzahler kosten. Ob dies viel oder wenig ist, werden die Zahlen der Ausfallstunden und die Klassenstärken im Schuljahr 2013/14 zeigen.
Denn es soll ordentloich aufgesattelt werde. Holger Zastrow, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Sächsischen Landtag: “In der Oberschule machen wir jedem Schüler das Angebot, in Klasse 6 eine zweite Fremdsprache zu lernen. Und die neuen Leistungsgruppen vor allem für Deutsch, Mathematik und Englisch, die die Schüler belegen können, liegen praktisch auf Gymnasialniveau.” Der Gedanke ist weiterhin, der nach wie vor zu frühen Selektionsrampe (Vergebung) etwas Schmiermittel zu verpassen, damit auch so manchem Spätstarter der Übergang auf ein Gymnasium ermöglicht wird. Dass es dabei besonders gerecht zugehen sollte, scheint logisch – hier wird über durchaus auch über spätere Erwerbsbiographien entschieden.

Das sieht die bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, Cornelia Falken nicht gegeben: “Die Linke wünscht allen Schülerinnen und Schülern sowie den Lehrerinnen und Lehrern viel Glück im neuen Schuljahr. Das werden sie auch brauchen, denn die Kultusministerin bekommt den Lehrermangel nicht in den Griff.”

Und so würde laut den Linken wohl der Schulbesuch immer häufiger zu einem Glücksspiel werden. Denn ob nun diese zwei Fremdsprachen angeboten werden oder nicht, liegt im Ermessen der Schule und die wird schauen müssen, ob sie die Lehrer dafür hat. Auch die Linke errechnet die Zahl der tatsächlichen Neueinstellungen zum Schuljahresbeginn von 760, was zu Engpässen führen könnte. Das ab 2014 startende Programm der sogenannten Praxisberater sieht die Linke durch die fehlende Flächendeckung als mangelhaft.

“Dass nur ganze 50 von insgesamt 336 Mittel-, pardon Oberschulen in den Genuss von sogenannten “Praxisberatern” kommen, die Schülerinnen und Schülern ein “maßgeschneidertes” Ausbildungsangebot unterbreiten sollen” sei schlicht ungerecht. Denn “Wie erklärt Kultusministerin Brunhild Kurth den Schülerinnen und Schülern und ihren Eltern die Bevorzugung der einen und die Benachteiligung der anderen durch die Einführung der Oberschule? Von Gesetzes wegen ist sie verpflichtet, für gleiche Bedingungen an allen Schulen zu sorgen”, meint Cornelia Falken.

Apropos gleiche Bedingungen. Im Rahmen der zur großen Reform hochgejazzten Veränderungen beim anbrechenden Schuljahr hat Sachsens Kultusministerin noch ein wichtiges Ziel draufgepackt. In Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention erprobt Sachsen die Inklusion nun in einer weiteren Modellregion. Mit Beginn des neuen Schuljahres wird ein im vergangenen Jahr in den Modellregionen Bobritzsch-Hilbersdorf (Landkreis Mittelsachsen) und Oelsnitz im Vogtland gestarteter Schulversuch zur Inklusion um die großstädtische Modellregion Leipzig erweitert und der bisherige Modellstandort Moritzburg zur Modellregion Radebeul-Moritzburg ausgebaut.

“Auf diesem Wege wollen wir eine ganze Reihe von Erfahrungen sammeln. In den Modellregionen werden Maßnahmen zur optimalen Förderung von behinderten Kindern und Jugendlichen entwickelt. Wir erproben die lernzieldifferente Integration in der Sekundarstufe I und wir bauen regionale Kooperationsstrukturen von Bildungs-, Beratungs- und Unterstützungseinrichtungen auf. Die Erfahrungen, die wir dabei machen, werden uns helfen, schrittweise und mit Augenmaß den Inklusionsgedanken in ganz Sachsen Wirklichkeit werden zu lassen”, so Kultusministerin Brunhild Kurth.

Und dass ist dann wohl das Stichwort für Teil 3. Was geschieht eigentlich zum Schuljahresstart da, wo so manche Biografie bereits zu scheitern droht, noch bevor sie begann?

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Michael Freitag über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar