Irgendwie dreut da eine erneute Wahl am 31. August in Sachsen. Einige konkrete Projekte und Bereiche verdienen also durchaus einer gesonderten Betrachtung. In der sächsischen Polizei sollen bis 2025 weitere 1.900 Jobs abgebaut werden. L-IZ.de sprach mit verschiedenen Politikern. Heute mit dem Spitzenkandidaten der Linken, Rico Gebhardt, über die Auswirkungen des Reformprojekts "Polizei.Sachsen.2020".

Wie positioniert sich Ihre Fraktion zu dem Reformprojekt “Polizei.Sachsen.2020”?

Jede öffentliche Struktur sollte in regelmäßigen Abständen auf seine Einsatzfähigkeit, seine Belastbarkeit, seine Effizienz und seine Ergebnisse hin überprüft werden. Und gerade in Bezug auf das hohe Gut der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ist dies umso mehr notwendig. So haben sich in den letzten 20 Jahren im Freistaat Sachsen die grundlegenden Kriterien dramatisch verändert. Hier sei nur auf die demografische Entwicklung im Freistaat mit all seinen dramatischen Folgen verwiesen.

Soll eine Reform, wie sie das Reformprojekt “Polizei.Sachsen.2020” für sich in Anspruch nehmen will, auf die geänderten Ausgangsbedingungen reagieren, dann setzt dies, da sind sich alle Fachleute einig, eine fundierte Aufgabenkritik voraus. Dies ist in keiner Weise geschehen und das, was das sächsische Innenministerium als solche verkaufen möchte, erfüllt nicht im Ansatz den Anspruch.

Es ist eine Tatsache, dass dieses sogenannte Reformprojekt ausschließlich aus einem einzigen Grund angestoßen wurde – die Äußerung des sächsischen Ministerpräsidenten, die Anzahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst auf maximal 70.000 im Freistaat Sachsen zu deckeln.

Eine Reform in einem solch sensiblen Bereich, wie der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausschließlich aufgrund fiskalischer Zwänge und ohne wirkliche Aufgabenkritik auf den Weg zu bringen ist für uns in keinem Fall seriös und lässt eine zu erwartende Sorgfaltspflicht bei diesem sensiblen Thema in hohem Maße vermissen. Deswegen haben wir solch eine amateurhaft vorbereitete “Polizeireform” von vornherein abgelehnt. Das nunmehrige Zurückrudern der Staatsregierung in Reaktion auf die bereits vorliegenden Auswirkungen dieses stümperhaften Vorgehens geben uns in allen Punkten recht.

Zu nennen wären da ein Anstieg der Kriminalität im Freistaat, ein Absinken der Aufklärungsquoten im Bereich der Straftaten, eine weiter steigende Aufgabe des Ländlichen Raumes im Bereich der Präsenz, ein überproportionaler Krankenstand bei den Beamtinnen und Beamten, um nur einige Beispiele zu nennen.

Bereits jetzt hat die Staatsregierung den weiteren Personalabbau bei der sächsischen Landespolizei “gestreckt”. Eigentlich muss das mit großem “Trommeln und Pfeifen” angekündigte Reformprojekt schon jetzt in “Polizei.Sachsen.2025” umbenannt werden.

Wir sind der Meinung, dass eine wirkliche Polizeireform, über deren Notwendigkeit durchaus Konsens besteht, nicht auf einen reinen radikalen Personalabbau mit verheerenden Auswirkungen auf die das berechtigte Sicherheitsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger und die öffentliche Ordnung in Sicherheit im Freistaat reduziert werden darf.

Erschwerend kommt hinzu, dass in den letzten Jahren weitere sogenannte “Reformen” innerhalb der Polizei durchgeführt worden sind. Hier sei nur die Strukturreform mit einer massenweisen Schließung von Polizeiposten und Revieren zu nennen, welche sich vor allem im ländlichen Raum ausgesprochen negativ ausgewirkt hat. Derzeit “bastelt” man an einer “Reform” der Bereitschaftspolizei, die ebenso undurchdacht und absurd daherkommt.

Erachten Sie es für zielführend, die Personalstärke der sächsischen Polizei allein anhand der sogenannten “Polizeidichte”, also dem Verhältnis der Anzahl der Beamten zur Einwohnerzahl, zu bemessen? Wenn nein, warum nicht?

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Die Frage ist mit einem klaren Nein zu beantworten. Die Berechnung der Personalstärke einer Landespolizei im Verhältnis zur Anzahl der Einwohner geht auf das Programm “Innere Sicherheit” aus dem Jahre 1974 zurück. In diesem Programm wurde die sogenannte Polizeidichte, also des reine Zahlenverhältnis Polizeibeamte/Einwohner, als einziger Anhalt für eine Personalbedarfsplanung benannt.

Mit Stand des Jahres 2012 lag die Polizeidichte im Bundesdurchschnitt bei 1:370, heißt ein Polizist auf 370 Einwohner. Gleichzeitig wird in diesem Programm unter Punkt IV, Nr. 1, die Erfolglosigkeit solch eines Versuchs diagnostiziert. Dort heißt es: “Objektive Kriterien für eine Personalbemessung, also die Frage, wie viele polizeiliche Aktivitäten welcher Art mit wie viel Personal zu bewältigen sind, gibt es nicht.”

Deswegen kann es auch keine explizite Zahl geben, wie viele Polizeibeamte es im Freistaat Sachsen geben muss, um die sich momentan stellenden Aufgaben bewältigen zu können. Eben dieses Programm “Innere Sicherheit” relativierte in der Fortschreibung des Jahres 1993 seine Aussagen zur Personaldichte, als einzigen Anhalt für eine Personalplanung. Dort wird nunmehr ausgeführt: “… dass die Relation Polizeibeamte zur Einwohnerzahl wegen der Vielfalt der Einflussfaktoren und ihrer unterschiedlichen wechselseitigen Abhängigkeiten nicht ausreichend differenziert sei. Deshalb sei es angezeigt, diese ausschließlich an der Einwohnerzahl orientierten Personalbedarfsberechnungen durch Modelle zu ergänzen, bei denen aufbauend auf den jeweiligen landesspezifischen Besonderheiten Arbeitsbelastungsdaten als Grundlage für erforderliche Personalplanung herangezogen werden.

Veränderungen im Personalbestand oder den wahrzunehmenden Aufgaben sind in ihrer Wechselwirkung zwar oft erkennbar oder zumindest prognostizierbar, jedoch äußerst selten zahlenmäßig erfassbar. Die Aufgaben weisen eine zu große Vielfalt auf, sind in ihren Dimensionen zu stark variierend und zu schnell ändernd, um sie mit konkreten Zeitwerten oder Manntagen zu hinterlegen. Dies sind die politischen Grundsatzentscheidungen über polizeiliche Aufgaben und Zuständigkeiten, die geforderte Qualität und Quantität der Aufgaben, die persönliche und fachliche Kompetenz des Personals, organisatorische und technische Voraussetzungen bei der Polizei und weitere Parameter.”

Auch deswegen lehnen wir die Bemessung der Polizeistärke der sächsischen Polizei allein und ausschließlich anhand der Polizeidichte grundlegend ab.

Aus unserer Sicht muss der Personalbedarf anhand objektiver Kriterien ermittelt werden. Maßgeblich dafür sind die tatsächlichen Belastungsfaktoren, wie die Einsatz- und Kriminalitätsbelastung, das Verkehrsunfallgeschehen sowie regionale Besonderheiten, wie Außengrenzen, Transitstrecken, Flächenkriterien und Bevölkerungsdichte, um nur einige zu nennen.

Wie viele junge Polizisten sollte das Innenministerium nach Auffassung ihrer Fraktion jährlich neu einstellen?

Bereits als die Staatsregierung vollmundig einen Einstellungskorridor von 300 Polizistinnen und Polizisten pro Jahr verkündete und das auch nur auf Druck der Gewerkschaften und der Opposition im Sächsischen Landtag, erklärten wir dies als mit Abstand zu wenig. Nach fünf Jahren und kurz vor der Landtagswahl – man kann sich des Eindrucks eines Wahlgeschenks nicht erwehren – plant die Staatsregierung den Einstellungskorridor unter dem Druck der “Macht des Faktischem” auf 400 Polizistinnen und Polizisten zu erhöhen.

Wir haben bereits 2009 eine Analyse anhand der feststehenden zukünftigen Altersabgänge und des Durchschnitts der aus gesundheitlichen Gründen ausscheidenden Beamtinnen und Beamten bis zum Jahre 2020 erarbeitet.

Diese statistischen Zahlen liegen vor und eine daraus resultierende Analyse hätte auch eine Staatsregierung mit dem dazu gehörenden Apparat vor keine Herausforderung gestellt. Aus diesen Abgangszahlen ist ersichtlich, dass jährlich bis 2020 im Durchschnitt rund 470 Beamtinnen und Beamten in Pension gehen und dazu eine nicht konkret zu definierende Anzahl aus gesundheitlichen und anderen Gründen in den vorzeitigen Ruhestand geht.

Hinzu kommt, dass von den “Neueinstellungen” aus unterschiedlichsten Gründen nicht alle ihre Ausbildung beenden und vorher die Polizei wieder verlassen. Aufgrund all dieser belastbaren Zahlen erheben wir die Forderung, dass ein jährlicher Einstellungskorridor von 500 Beamtinnen und Beamten notwendig ist, um allein den jährlichen “Abgang” zu kompensieren.

Das Innenministerium hat jüngst die Einstellungsvoraussetzungen für den Vorbereitungsdienst modifiziert. Ein richtiger Schritt?

Fassen wir kurz zusammen, welche Einstellungsvoraussetzungen geändert worden sind. Erstens sollen ab 2015 statt bisher 300 nun 400 Polizistinnen und Polizisten eingestellt werden. Über das Nichtausreichen dieser Anzahl habe ich mich bereits in der vorherigen Frage geäußert. Zweitens wird der Vorbereitungsdienst von 17 auf 16 Jahre gesenkt und das Höchstalter von 25 auf 34 Jahre angehoben. Ob die Absenkung des Mindestalters von 17 Jahre auf 16 Jahre die erwartete Wirkung entfaltet, sehe ich sehr kritisch. Lediglich die Anhebung des Höchstalters bietet für Seiteneinsteiger bessere Möglichkeiten – hier vor allem im Bereich von Spezialisten.

Inwieweit die Absenkung der Mindestgröße von 165 cm auf 160 cm zielführend sein wird, kann ich nicht einschätzen.

Zusammenfassend schätze ich ein, dass die geänderten Einstellungsvoraussetzungen in keinem Fall die grundlegenden Probleme bei der sächsischen Landespolizei lösen werden. Es ist ein Versuch an der Grenze zum Aktionismus, die seit Jahren angehäuften Versäumnisse zu heilen. Ich gehe davon aus, dass sich zwar die Bewerberinnen- und Bewerberzahlen erhöhen werden, jedoch wird dies keine Wende in der Lösung der Probleme herbeiführen, weil es vor allem darum geht, die Attraktivität des Berufsbildes des Polizisten zu erhöhen, dazu gehört eine Bezahlung nach Funktion, eine heimatnahe Verwendung, die kostenlose Bereitstellung der für den Dienst notwendigen Körperschutzausstattung und vieles andere mehr.

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