Ganz aus dem Auge verloren hat der Freistaat Sachsen die Hochwasserentstehungsgebiete an den Oberläufen der Flüsse nicht, auch wenn er beim Bau von Poldern und Überschwemmungsflächen heillos hinterher hinkt. Doch während diese Überschwemmungsflächen entlang der Flüsse wieder geschaffen werden müssen, geht es mit einer gerade veröffentlichten Rechtsverordnung der Landesdirektion Sachsen um die Gebiete, wo die sächsischen Hochwasser geboren werden.

Die Landesdirektion Sachsen hat schon am 31. Juli das Hochwasserentstehungsgebiet „Untere Müglitz/Gottleuba“ per Rechtsverordnung festgesetzt. Die Rechtsverordnung tritt am Freitag, 14. August, in Kraft. Und damit ändern sich einige Bedingungen für mögliche Bauvorhaben. Es sind keine neuen Hochwasserschutzflächen, auch wenn der Titel der Mitteilung der Landesdirektion so klingt: “Weitere Flächen für den Hochwasserschutz im Osterzgebirge gewonnen.”

Hier wird nur mit ein paar restriktiven Bauauflagen versehen, was im Idealfall überhaupt nicht bebaut wäre. Denn so ein Gebiet erfüllt nur dann eine gewisse Rückhaltefunktion, wenn es nicht verbaut und versiegelt wird. Es ist übrigens nicht das erste in Sachsen, das dieserart unter Schutz gestellt wird.

Das Hochwasserentstehungsgebiet „Untere Müglitz/Gottleuba“ umfasst Flächen der Städte Bad Gottleuba-Berggießhübel, Glashütte und Liebstadt sowie der Gemeinden Dohma, Kreischa, Müglitztal und Bahretal im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Das Hochwasserentstehungsgebiet hat eine Größe von 8.015 Hektar, teilt die Landesdirektion mit.

Zweck der Ausweisung des Hochwasserentstehungsgebietes ist, das natürliche Wasserversickerungs- und Rückhaltevermögen zu erhalten und zu verbessern. Bodenversiegelungen sind möglichst zu vermeiden oder auszugleichen, betont die Landesdirektion. Deswegen die strengen Bauauflagen. So soll der oberirdische Abfluss des Wassers verringert und das Hochwasserrisiko gesenkt werden.

Relevant für die Flächenausweisung sind die Niederschlags- und Abflussverhältnisse im betreffenden Gebiet. Hochwasserentstehungsgebiete sind demnach Gebiete, insbesondere in den Mittelgebirgs- und Hügellandschaften, in denen bei Starkniederschlägen oder bei Schneeschmelze in kurzer Zeit starke oberirdische Abflüsse eintreten können. Diese Abflüsse können zu Hochwasser führen und so eine erhebliche Gefahr für Menschen und Güter darstellen, beschreibt die Landesdirektion den wesentlichen Grund dafür, solche Gebiete vor weiterer Versiegelung zu bewahren.

Die Ermittlung solcher Gebiete erfolgt durch das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie. Dabei werden die für den Wasserabfluss bestimmenden Gebietseigenschaften wie Bodenbeschaffenheit, geologische Situation, Hangneigung, Landnutzung, Gewässernetz sowie Höhe und Häufigkeit von Starkniederschlägen berücksichtigt und in ihrer Wechselwirkung bewertet. Die Landesdirektion als obere Wasserbehörde setzt darauf basierend das Hochwasserentstehungsgebiet per Rechtsverordnung fest.

Die Festsetzung von Hochwasserentstehungsgebieten ist bundesweit bislang  einzigartig. Sie basiert auf dem Sächsischen Wassergesetz und dient dem vorbeugenden Hochwasserschutz, betont die Landesdirektion. Der sächsische Gesetzgeber reagiere damit vorsorglich auf die wiederholt angespannte Hochwassersituation in Sachsen, betont die Landesdirektion.  Mit der Festsetzung von Hochwasserentstehungsgebieten werde einem der wichtigsten Entstehungsfaktoren, der Bodenversiegelung, frühzeitig entgegengewirkt.

Im Hochwasserentstehungsgebiet bedürfen folgende Vorhaben einer wasserrechtlichen Genehmigung:

–  die Errichtung oder wesentliche Änderung baulicher Anlagen einschließlich Nebenanlagen und sonstiger zu versiegelnder Flächen im Außenbereich, ab einer neu zu versiegelnden Gesamtfläche von 1.000 Quadratmeter,
– der Bau neuer Straßen,
– die Umwandlung von Wald in Ackerland und
– die Umwandlung von Grünland in Ackerland.

Die Festsetzung des Hochwasserentstehungsgebietes wirkt sich auch auf die Bauleitplanung der Kommunen aus. Die Ausweisung neuer Baugebiete ist nur zulässig, wenn nachgewiesen wird, dass das Wasserversickerungs- oder das Wasserrückhaltevermögen durch das Vorhaben nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Anderenfalls muss die Gemeinde Ausgleichsmaßnahmen nachweisen. Diese können zum Beispiel Ersatzpflanzungen, das Anlegen von Rückhaltebecken, Aufforstungen oder die Entsiegelung von Flächen sein, beschreibt die Landesdirektion das Verfahren. Von neuen Hochwasserschutzflächen also keine Spur, nur eine Art Achtungszeichen, dass in diesem Entstehungsgebiet von Hochwassern weitere Versiegelungen nicht gewollt sein können.

Das Hochwasserentstehungsgebiet „Untere Müglitz/Gottleuba“ ist das fünfte im Freistaat Sachsen festgesetzte Hochwasserentstehungsgebiet.

Bisher wurden folgende Gebiete festgesetzt:

– „Geising-Altenberg“ (2006)

– „Schwarzwasser Teilgebiet 1 – Breitenbrunn“ (2007)

– „Zittauer Gebirge – Lausche und Jonsdorf“ (2011)

– „Obere Müglitz/Weißeritz“ (2014)

Fazit: Auch die Festlegung eines Hochwasserentstehungsgebietes schreibt nur den Status quo fest, erfasst aber nicht, ob ein solches Gebiet in der Vergangenheit schon zu stark versiegelt wurde und der aktuelle Zustand die Entstehung von Hochwassern begünstigt. Dazu braucht es eine umfassende Definition von Qualitäten und Ausstattungsparametern von solchen Gebieten.

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