Irgendwann wird sich der Dresdner Landtagsabgeordnete André Schollbach (Die Linke) hinsetzen und ein Buch schreiben. Und zwar eins über das teuerste Buch der jüngeren sächsischen Geschichte: Kurt Biedenkopfs Tagebücher aus den Jahren 1990 bis 1994. Acht Kleine Anfragen hat Schollbach seit Oktober 2015 zu dem Thema gestellt. Wahrscheinlich geht er mit Dr. Fritz Jaeckel (CDU) demnächst mal einen trinken.

Denn der Chef der Sächsischen Staatskanzlei muss jedes Mal nach bestem Wissen und Gewissen antworten. Und man merkt den Antworten an, wie er möglichst versucht, niemandem weh zu tun und auch den Ministerpräsidenten möglichst aus der Sache herauszuhalten. Vielleicht ärgert sich Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) mittlerweile selbst, dass er sich 2013 von Alt-Ministerpräsident Kurt Biedenkopf hat breitschlagen lassen, die Buchherausgabe aus einem Fördertopf des Freistaats Sachsen finanzieren zu lassen.

Wäre es ein echter Renner gewesen, so ein richtig spannender Hintergrundbericht über Kurt Biedenkopfs Weg in den Dresdner Chef-Job, selbst das Publikum hätte wohl anders darauf reagiert, hätte das Buch zum Bestseller gemacht und dem Freistaat auch wieder das Geld verschafft. Denn der Vertrag, den die Sächsische Staatskanzlei 2013 mit der Konrad Adenauer Stiftung schloss, sagt ja dem Freistaat Rückflüsse in Höhe von 10 Prozent vom Verkaufserlös zu. Aber die drei Bände, die es dann geworden sind, lesen sich eben nur wie umgeschriebene Reden des einstigen Ministerpräsidenten – sehr trocken, sehr staatsmännisch, ein bisschen eitel, aber leider ohne das, was manche Biografen Biedenkopf immer wieder gern zugestanden haben: ein echter Querdenker zu sein, der auch mal gegen die Strömung schwimmt, großen Gegnern wie Helmut Kohl Paroli gibt, sich auch mal als Staats-Kritiker gibt und als enfant terrible in einer Partei, die auch 1990 schon drohte, richtig langweilig zu werden, weil Helmut Kohl seinen Gegnern tüchtige Tatzenschläge verpasste.

Kritik an Kohl gibt es. Aber der  Ton ist fast majestätisch, da Biedenkopf oft im Plural schreibt, auch wenn er damit vor allem seine Frau Ingrid mit einschließt, die augenscheinlich fast überall dabei war. Und er ist sehr täglich-theoretisch – eben mitten im täglichen politischen Kleinkram geschrieben.

Manche Rezensenten finden das Material ganz erhellend und bereichernd. Etwa Hermann Rudolph, der im „Tagesspiegel“ schreibt: „Mag sein, dass drei Bände für fünf Jahre ein wenig zu viel sind, auch wenn sich in ihnen genügend kluge Urteile und brillante Wahrnehmungen finden: Biedenkopfs Tagebücher sind unbestreitbar eine gewichtige Zutat zur Zeitgeschichte.“

Sicher auch beachtenswert, dass manchem Leser der durchaus nicht uneitle Professor wiederbegegnet, der zuletzt auch den sächsischen Christdemokraten nicht mehr aushaltbar erschien. Rudolph: „An Kohl entzünden sich aber auch Biedenkopfs Macht- und Karrierespekulationen, wie denn das politische Palaver über Positionen, Posten und Programme einen guten Teil des Tagebuchs füllt.“

Vielleicht muss man so sein, wenn man in der bundesdeutschen Politik überhaupt eine Rolle spielen will.

Ob der Freistaat von den eingesetzten 307.900 Euro überhaupt etwas wiedersieht, wird auch Schollbach frühestens am 31. März erfahren. Denn das ist der erste Abrechnungstermin für den Siedler-Verlag über die Bucheinnahmen. Auch das hat Fritz Jaeckel als Chef der Staatskanzlei dem neugierigen Abgeordneten jetzt erklärt: „Die Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. führt die ihr aus dem Vertrag mit dem Siedler-Verlag zustehenden Einnahmen aus der Verwertung in Höhe von 10 v. H. der Verkaufserlöse vollständig an die Sächsische Staatskanzlei ab. Die Einnahmen werden jeweils kalenderjährlich bis zum 31. März des Folgejahres, erstmalig zum 31. März 2016 abgerechnet.“

Richtig viel hat die sächsische Staatskanzlei bis jetzt nicht bekommen: pro Band zwei Belegexemplare und die elektronische Datei des Manuskripts. „Zudem räumt die Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. der Sächsischen Staatskanzlei an den beiden Tagebüchern ein einfaches Nutzungsrecht ein, das auch die auszugsweise Veröffentlichung in Broschüren und im Internet umfasst.“

Und vielleicht gibt es ja am 31. März eine kleine Überraschung und es kommt ein bisschen Geld wieder rein. Oder der Verlag liefert noch eine Stiege Belegexemplare extra, wo doch etliche Leute finden, dass die Tagebücher selten schöner Stoff zur jüngeren deutschen Geschichte und speziell der Jahre von 1989 bis 1994 sind.

Schollbachs Nachfrage zu ersten Einahmen aus den Biedenkopf-Tagebüchern.

Schollbachs Anfrage zum “Zuwendungsvertrag zur Finanzierung der Biedenkopf-Tagebücher mit Staatsgeldern”.

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