Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) kennt das schon. Weil er immer öfter Anfragen im Landtag nicht mehr beantworten wollte, zogen drei Landtagsabgeordnete der Linken vor den Sächsischen Verfassungsgerichtshof - und bekamen Recht. Die Regierung muss Landtagsanfragen nach bestem Wissen beantworten. Nun erlebt Dr. Fritz Jaeckel, Chef der Sächsischen Staatskanzlei, dasselbe - diesmal geht es um die Biedenkopf-Tagebücher.

Dazu hatte der Landtagsabgeordnete der Linken, André Schollbach, seit dem Erscheinen der Tagebücher ab Oktober mehrere Anfragen an die Staatsregierung gestellt.

Im September 2015 hatte der „Siedler Verlag“ die aus drei Bänden bestehenden Tagebücher der Jahre 1990 bis 1994 des früheren sächsischen Ministerpräsidenten Biedenkopf (CDU) veröffentlicht. Für die Aufarbeitung und Publikation derselben leistete der Freistaat einen nicht rückzahlbaren Zuschuss in Höhe von 307.900 Euro aus staatlichen Geldern an die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung.

Der Autor und ehemalige sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf bedankte sich im Vorwort des ersten Bandes überschwänglich bei seinem Parteifreund Stanislaw Tillich für dessen großzügige Unterstützung: „Dass die ersten drei Bände des Tagebuchs in der vorliegenden Form im Herbst 2015 … erscheinen können, ist der Entscheidung des Freistaates Sachsen und seines Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich zu verdanken. Er machte die Publikation des Tagebuches zu seiner Sache …“

Das aber ist auch im politischen Buchgeschäft eigentlich nicht üblich. Also fragte sich Schollbach erst einmal durch, wie der aktuelle MP seinem Amtsvorgänger eigentlich konkret geholfen haben könnte. Hätte ja auch sein können, dass die CDU-Führung selbst gesammelt hätte, um die Bücher mitzufinanzieren.

Das war aber nicht so. Geflossen ist das Geld sächsischer Steuerzahler.

Vor diesem Hintergrund richtete der Landtagsabgeordnete André Schollbach (37) eine sehr detaillierte Kleine Anfrage an die Staatsregierung, um zu erfahren, durch welche konkreten Handlungen oder Maßnahmen Tillich das Erscheinen der Tagebücher befördert oder sonstwie beeinflusst hat. Weiterhin wollte Schollbach wissen, inwieweit Tillich mit der Entscheidung bzw. deren Vorbereitung, Finanzmittel des Freistaates für die Tagebücher aufzuwenden, befasst war.

Und dann bekam er aus der Staatskanzlei auf seine vier sehr ausführlichen Fragen eine einzige lapidare Antwort, die – laut Schollbach – „an Dürftigkeit und Dreistigkeit kaum zu überbieten“ war: „Der Wunsch des ehemaligen Ministerpräsidenten, Prof. Kurt Biedenkopf, dessen persönliche Aufzeichnungen nach wissenschaftlicher Aufbereitung für eine Publikation vorzubereiten, war Herrn Ministerpräsidenten Tillich bekannt.“

Damit blieben alle Fragen unbeantwortet, stellte der Jurist André Schollbach dann am Montag, 21. März, bei einer Pressekonferenz im Saal der Landespressekonferenz im Sächsischen Landtag fest, wohin er eingeladen hatte, um das weitere Vorgehen publik zu machen. Seine Frage, die natürlich nach der ausweichenden Regierungsantwort vom 10. Dezember immer drängender wurde: Was hat die Regierung eigentlich zu verbergen?

Er hat seither noch drei weitere Nachfragen zur Finanzierung der Tagebücher gestellt, kam aber dem eigentlichen Vorgang nicht einen Schritt näher.

Trotzdem will er Licht ins Dunkel bringen und die Rolle von Ministerpräsident Tillich bei der Finanzierung der Tagebücher aufklären. Deshalb hat der Abgeordnete beim Verfassungsgerichtshof (VGH) in Leipzig einen Organstreitantrag gegen die Staatsregierung eingereicht. Damit will er feststellen lassen, dass er von der Regierung in seinem verfassungsmäßigen Recht aus Art. 51 Abs. 1 Satz 1 SächsVerf verletzt wurde, und die Beantwortung der Fragen erreichen.

Dass das durchaus sein gutes Recht sein kann, sieht er durch das im Januar erfolgreiche Organstreitverfahren bestätigt: Mit Urteil vom 28. Januar stellte der Verfassungsgerichtshof (VGH) in Leipzig fest, dass die Regierung seine Kleine Anfrage zum Ort des Treffens von Innenminister Ulbig (CDU) mit PEGIDA-Vertretern verfassungswidrig unvollständig beantwortet hatte.

„307.900 Euro wurden für die Tagebücher ausgegeben – der Gegenwert zweier schicker Einfamilienhäuser“, rechnet Schollbach vor. „Trotz der angespannten Finanzlage, die der CDU-Finanzminister stetig betont, wurde hier mal eben das Tagebuch für einen früheren CDU-Politiker aus öffentlichen Kassen finanziert. Offenbar will die CDU ihr angekratztes Image auf Staatskosten aufpolieren. Das ist schwarzer Filz in Reinkultur. Deshalb werde ich nicht lockerlassen und für Aufklärung sorgen.“

Auszug aus dem Schriftsatz von André Schollbach an den Verfassungsgerichtshof:

„Damit bleibt die Antragsgegnerin die Beantwortung sämtlicher Fragen schuldig. Denn die schlichte Mitteilung, der Wunsch des ehemaligen Ministerpräsidenten, Prof. Kurt Biedenkopf, dessen persönliche Aufzeichnungen nach wissenschaftlicher Aufbereitung für eine Publikation vorzubereiten, sei Herrn Ministerpräsidenten Tillich bekannt gewesen, beantwortet die in der Kleinen Anfrage Drucksache 6/3282 vorgebrachten Fragen ganz offensichtlich nicht, sondern geht vielmehr an diesen vorbei. Die gestellten Fragen bleiben bei der Erteilung der Antwort unbeachtet. Es wird mitgeteilt, wonach nicht gefragt wurde und es bleibt unbeantwortet, was in Erfahrung gebracht werden sollte. Offenbar gefällt sich die Antragsgegnerin darin, dem sich aus Art. 51 Abs. 1 Satz 1 SächsVerf ergebenden Fragerecht der Mitglieder des Landtags nach eigenem Gutdünken zu entsprechen.“

Es stimmt schon: In der Antwort steht tatsächlich nichts zu den konkret gestellten Fragen.

Das Urteil könnte also entsprechend deutlich ausfallen.

Die beklagte Antwort zur Finanzierung der Biedenkopf-Tagebücher vom Dezember 2015.

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