Die Anfrage von Susanne Schaper (Die Linke) zur „Bejagung von Wildschweinen in Sachsen“ haben wir ja schon besprochen. Ob die Wildschweinbestände wirklich zunehmen, ist durchaus eine Frage. „Der Wildschweinbestand in Sachsen nimmt zu – ein Indiz dafür ist laut der Staatsregierung die Tatsache, dass heute fast dreimal so viel Schwarzbild erlegt wird wie noch vor 20 Jahren“, meint nun Susanne Schaper in einem gemeinsamen Statement mit ihrer Fraktionskollegin Kathrin Kagelmann.

Den Zahlenvergleich hatte Agrarminister Thomas Schmidt (CDU) so nahegelegt. Schaper: „Wurden 1998/1999 noch 16.825 Tiere geschossen, waren es 2017/2018 schon 45.318. Trotzdem scheint sich die Population nicht zu verkleinern. Eine stärkere Bejagung ist kein Allheilmittel.“

Mit dem letzten Satz widerspricht sie Schmidt natürlich, der behauptet hatte: „Die Staatsregierung sieht in der Intensivierung der Schwarzwildbejagung zur Reduzierung des Schwarzwildbestandes eine wesentliche Präventivmaßnahme, um das Risiko eines Eintrages der Afrikanischen Schweinepest in den Wildschweinbestand des Freistaates Sachsen zu verringern.“

In der letzten Antwort behauptete er gar, eine entsprechende Studie zur Vermehrung der Wildschweine sei „nicht geeignet, Rückschlüsse in Bezug auf Frage 4 zu ziehen, da sie keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse enthält.“

Man ahnt, wie wenig Biodiversitäts-Kompetenz entweder allein beim Minister oder gar in größeren Teilen seines Ministeriums fehlt. Die sächsische Landwirtschaftspolitik sieht dann auch entsprechend aus. Es wird herumgedoktert, jede Menge Geld ausgegeben, aber kein Programm passt zum anderen. Und die Bauern als tatsächliche Akteure und Verursacher vieler ökologischer Probleme kommen in Schmidts „Artenschutzpolitik“ gar nicht vor.

Denn wenn die Bejagung der Wildschweine erhöht wird, ändert das ja nichts an ihren Reviergrößen, der Verfügbarkeit von Futter und den ganz natürlichen Regulationsmechanismen, denen die künstliche Reduzierung der Bestände herzlich egal ist. Jede Tierart ist bestrebt, möglichst viele Nachkommen zu zeugen und einen verfügbaren Lebensraum und die vorhandenen Fressvorräte maximal zu nutzen.

Man kann die Wildschweinbestände nicht durch Abschuss regulieren, sondern nur dadurch, dass man ihnen weniger Futter anbietet.

Ein Punkt, auf den die agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Kathrin Kagelmann, direkt eingeht: „Es gilt also, den Bestand wirksam zu regulieren. Da ist vor allem die Landwirtschaft gefragt. Denn die intensive Flächenbewirtschaftung mit riesigen Maisschlägen und die Erwärmung aufgrund des Klimawandels sind wesentliche Ursachen dafür, dass Wildschweine sich übermäßig gut vermehren können. Mehr Vielfalt auf den Feldern würde also auch gegen eine Wildschweinplage helfen. Nicht zu vergessen ist übrigens auch der Beitrag des Wolfes zur Eindämmung der Wildschweinvermehrung!“

Riesige Monokulturen, die gerade bei Wildschweinen beliebtes Futter hervorbringen, sind nun einmal ein gefundenes Fressen und sorgen dafür, dass immer mehr Wildschweine sich in Sachsens Flur dick futtern können. Solange diese riesigen Monokulturen existieren, wird niemand die sächsischen Wildschweinbestände eindämmen, selbst dann nicht, wenn weiter so wild abgeschossen wird wie 2017.

Und mit dem Thema benennt Kagelman natürlich das nächste Versäumnis von Schmidt und allen seinen Vorgängern im Amt des Agrarministers. Denn diese riesigen Feldschläge mit fehlenden Biotopinseln und Ackerrainen haben mehrere dramatische Folgen. Den Wildschweinen sind sie ein gefundenes Fressen, viele einst zahlreich vorhandene Flurvögel hingegen, die die unbeackerten Teile der Flur als Nistraum brauchten, sind in den letzten Jahren entweder völlig verschwunden oder bis auf wenige Individuen reduziert worden. Ihnen geht es schon lange so wie den Insekten, die 2018 zum großen Thema wurden.

2017 hatten Schaper und Kagelmann bei der Regierung nach den gefährdeten Brutvögeln in Sachsen gefragt. Und trocken antwortete ihnen  Schmidt, wie viele Vogelarten in Sachsen vom Aussterben bedroht sind: 99 Arten zählte er auf. Darunter – neben vielen Vögeln aus der Gewässerlandschaft – auch viele Feldbewohner wie etwa Bekassine, Birkhuhn und Rebhuhn. Die Roten Listen werden immer länger. Aber durch Tatendrang glänzen Sachsens Umweltminister nicht wirklich.

Und zum Thema gehört auch eine Anfrage von Kathrin Kagelmann aus dem Jahr 2016. Damals fragte sie nach der Bodenerosion auf den riesigen freien Ackerflächen in Sachsen. Und wenn der Umweltminister ein Umweltminister gewesen wäre, hätte er danach sofort gehandelt und ein Bodenschutzprogramm für Sachsen aufgelegt. Denn die Daten waren alarmierend: „Insgesamt ergibt sich insbesondere durch die Berücksichtigung der in den letzten 15 Jahren häufigen und intensiven Starkregen eine Erhöhung des Erosionsgefährdungspotenzials im Freistaat Sachsen von bisher 56 Prozent auf 67 Prozent des als ‚hoch bis sehr hoch erosionsgefährdet‘ einzustufenden Flächenanteils des Ackerlandes (nach DIN 19708).“

Drei Viertel unseres Ackerlandes sind hochgradig erosionsgefährdet?

Was übrigens schon Stanislaw Tillich in seiner Zeit als Umweltminister wusste.

Nichts ist passiert. Stolz blättert Thomas Schmidt eine ganze Liste mit Beratungsangeboten für Sachsens Bauern auf. Aber was die mit der Beratung anfangen oder ob sie damit überhaupt etwas anfangen, das wird er nicht sagen können. Staatlich gehandelt wird nur in Einzelfällen – dann nämlich, wenn es bei Starkregen den Acker des einen Bauern aufs Flurstück des anderen Bauern spült.

Erst am 27. Dezember warnte Schmidts Ministerium: „Hochwasserschutz im Blick behalten!“ Die Sachsen sollten – trotz der Trockenheit im Jahr 2018 – die Folgen möglicher Starkregen nicht aus dem Auge verlieren.

Aber mit keinem Wort ging das Ministerium darauf ein, dass auch die riesigen ungeschützten Feldschläge in Sachsen Teil des Hochwasserproblems sind. Denn nicht nur werden bei Regen Millionen Tonnen wertvoller Ackerboden in die Flüsse gespült – das Wasser läuft auch schneller ab, weil es keine Gehölzstreifen und Raine mehr gibt, die den Wasserabfluss stoppen. Mit dem Ackerboden wird dann auch gleich noch der überschüssige Dünger mit in die Flüsse gespült, was diese in ganz Sachsen hochgradig nitratbelastet macht.

Alles gehört zusammen. Aber in Schmidts Ministerium wird oft so getan, als hätte das eine nichts mit dem anderen zu tun. Für jedes Einzelproblemchen wird ein teures Beratungsprogramm aufgelegt, aber nirgendwo wird eine Strategie sichtbar, wie die wertvollen Ackerfluren in Sachsen gesichert und die Feldbewohner gerettet werden können.

Und während die Feldbrüter aussterben, feiern die Wildschweine in diesen Monokulturen das große Fressen und verwüsten nebenbei auch noch ein paar andere Ecken.

Kagelmann: „Die Landesregierung weist zu Recht darauf hin, dass sich damit auch das Verbreitungsrisiko der Afrikanischen Schweinepest erhöht. Ein anderes Problem, das sich aus einem zu großen Bestand ergibt, sind Schäden beispielsweise an Fußballplätzen, die von den Schwarzkitteln umgepflügt wurden und von den Kommunen wieder hergestellt werden müssen. Das traf allein im letzten Jahr drei Chemnitzer Vereine (TSV IFA Chemnitz, ESV LOK Chemnitz, Sportfreunde Süd Chemnitz). Und längst nicht nur auf Fußballplätzen richten Wildschweine Schäden an, sondern beispielsweise auch an Kleingärten.“

Den Leipziger Fußballclub Chemie hätte sie auch noch nennen können.

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