Das Land da draußen ist wertvoll, viel wertvoller, als es meist in Kaufverträgen erscheint, denn die lebendige Rendite, die fruchtbare Ackerflächen, lebendige Wiesen und Wälder über ganze Generationen geben, lässt sich mit einfachen Bodenpreisen nicht berechnen. Und Sachsen hatte eigentlich schon längst den massiven Flächenfraß im Land deutlich senken wollen. Doch noch immer werden wertvolle Böden zubetoniert und asphaltiert. Thema für eine Landtagsanhörung.

Die fand am Donnerstag, 14. Februar, statt. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hatte die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen mit ihrem „Gesetz zur Begrenzung des Flächenverbrauchs im Freistaat Sachsen“ (Drs 6/14409) eingebracht.

Dazu hörte der Innenausschuss des Sächsischen Landtags am Donnerstag lauter geladene Spezialisten an. Die Grünen hatten zum Beispiel Dr. Jana Bovet, Wissenschaftliche Referentin bei Department Umwelt- und Planungsrecht beim Helmholtz-Institut für Umweltforschung Leipzig, als Sachverständige eingeladen. Am Umweltforschungszentrum beschäftigt man sich ja auch mit der Frage, was Flächenverluste für die Verluste an Biodiversität bedeuten.

„Die Zielrichtung unseres Gesetzentwurfes, den Flächenfraß in Sachsen zu begrenzen, wurde von allen Sachverständigen geteilt. Insbesondere die beiden Juristinnen Frau Dr. Bovet und Frau Dr. Gröhn sowie Prof. Dr. Thiel wiesen auf die Notwendigkeit einer verbindlichen gesetzlichen Regelung zur Reduzierung des Flächenverbrauchs hin“, erklärt der umweltpolitische Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, Wolfram Günther, nach der Anhörung. Welche ihn durchaus optimistisch stimmt, dass das Thema so langsam auch in anderen Parteien Verständnis findet.

„Aktuell werden täglich 4,3 Hektar – so viel wie sechs Bundesliga-Fußballfelder – im Freistaat versiegelt. Das kann so nicht weitergehen! Darum haben wir einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dessen Hilfe die Flächenneuversiegelung im Freistaat bis zum Jahr 2020 auf null reduziert werden soll.“

Um dabei die Entwicklung von Kommunen weiterhin zu ermöglichen, schlägt die Grüne-Fraktion vor, ein Zertifikatesystem zu entwickeln. Für die Sachverständigen ist dies alternativlos. „Es herrschte Einigkeit unter allen Sachverständigen, dass das Einsparziel nur erreicht werden kann, wenn Kommunen endlich wirksame Instrumente der Innenentwicklung an die Hand bekommen“, erklärt Günther. „Dazu gehört aber auch eine entsprechende kontinuierliche und strategische Beratung der Kommunen.“

Dazu gehört aber auch, dass dort, wo Überbauungen nicht mehr gebraucht werden, auch großflächig Flächen wieder entsiegelt und der Natur überlassen werden, was bis jetzt in Sachsen so gut wie gar nicht geschieht. Und das, obwohl gerade Landkreise und ihre Gemeinden oft über riesige versiegelte Gebiete aus der ehemaligen Industrialisierung und aus der Bautätigkeit der Nachwende-Zeit verfügen. Alles erhalten in der wilden Hoffnung, hier würde sich doch noch einmal lukratives Gewerbe ansiedeln.

Aber ein Anreiz entsteht, wenn diese Gemeinden ihre Entsiegelungsflächen quasi als Zertifikat an die auf Wachstum angewiesenen Großstädte verkaufen können. „Nach § 1 wird ein neuer § 1a eingefügt, der die Neuinanspruchnahme von Flächen auf Null verbindlich festlegt. Damit sind die Kommunen und der Freistaat Sachsen angehalten, Verkehrs- und Siedlungsflächen zu identifizieren, die aktiv entsiegelt, zurückgebaut und z. B. zu Grünflächen umgewidmet werden können“, heißt es im Grünen-Antrag.

Die Großstädte würden zwar weiter wertvolle Ackerflächen bebauen, weil unbedingt Wohnungen und Gewerbestandorte gebraucht werden – aber sie würden dafür Entsiegelungs-Zertifikate im ganzen Land kaufen müssen, sodass wenigstens dort ein grüner Ausgleich erfolgt.

Hierzu hatte die Grüne-Fraktion für die Jahre 2019/2020 schon einen Haushaltsantrag „Landesprogramm Steuerung Umgang mit Leerstand und Brachen“ eingereicht. Darin forderte sie, die Beratung für Kommunen zur Innenentwicklung für Brachen, Leerstand und Denkmale einzurichten. Die Sachverständigen der heutigen Anhörung stimmten diesem Ansatz zu.

Positive Signale aus der Anhörung heißen leider noch nicht, dass auch die Regierungsfraktionen über ihren Schatten springen und den Gesetzentwurf übernehmen. In diesem Fall täten sie mehrfach gut daran, denn davon würden eben auch Gemeinden profitieren, die mit ihren leerstehenden Gewerbearealen finanziell hochbelastet sind. Und so finanziell dazu angeregt werden könnten, diese versiegelten Flächen zurückzubauen und auch wieder neue ökologische Wildflächen zu schaffen.

Die Grüne-Fraktion hatte Dr. Jana Bovet, Wissenschaftliche Referentin bei Department Umwelt- und Planungsrecht beim Helmholtz-Institut für Umweltforschung Leipzig, als Sachverständige für die Anhörung benannt. Sie war Verfasserin des ersten Gutachtens zur Einführung einer Flächenverbrauchsobergrenze, die Gegenstand des populären Volksbegehrens im Freistaat Bayern ist.

Noch immer verschwinden in Sachsen täglich 4,3 Hektar wertvolle Kulturlandschaft

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Führt das dann aber nicht mehr oder weniger zwangsläufig dazu, dass die Urbanisierung weiter vorangetrieben wird? Ist denn das Aussterben der ländlichen Gemeinden wirklich nachhaltig und erstrebenswert? Oder muss man den Kommunen da vielleicht doch noch weitere Dinge an die Hand geben, um nicht in absehbarer Zeit nur noch drei bewohnte Orte in Sachsen zu haben?

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