Nicht nur Leipzigs Verwaltung, auch die Sächsische Staatsregierung könnte sich aus guten Gründen die Schnecke zum Wappentier wählen. Und zwar in allen wichtigen Gesundheits- und Umweltbelangen. In anderen Themenfeldern bestimmt auch. Aber gerade im Agrarministerium, in dem das Thema Umwelt irgendwie als Findelkind mitläuft, ist der Unwille, Dinge zu tun und Rahmenbedingungen zu verbessern, unübersehbar. Dabei läuten überall die Alarmglocken, z. B. auch beim Thema Mikroplastik.

Indirekt berührt das auch das Thema Wasserrahmenrichtlinie, die im Ministerium nur mit ganz spitzen Fingen angefasst wird. Denn dass Sachsens Flüsse mit Mikroplastik hochbelastet sind, hat auch mit der fehlenden Selbstreinigungskraft der Flüsse zu tun.

Aber eben auch mit Schluderei an anderen Stellen. Denn so eine Ahnung, wie die ganze Mikroplastik in sächsische Gewässer und Böden kommt, hat man im zuständigen Ministerium schon. Denn viele Plastikpartikel geraten über organischen Dünger auf die Felder. Was ja auch in Leipzig schon mehrfach thematisiert wurde: Völlig gedankenlos entsorgen viele Leipziger ihre Küchenabfälle in Plastikverpackungen in die Biotonnen. Und nur ein Teil dieses Plastikmülls kann dann in der Behandlungsanlage wieder entfernt werden. Der Rest gelangt dann in der Regel mit in die kompostierbaren Restmengen.

Dass die kleingemahlenen Plastikpartikel dann wieder in die Umwelt gelangen, ist dem Umweltministerium bewusst. Hier könnte man sich vorstellen zu handeln, erklärt Agrarminister Thomas Schmidt (CDU) auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Volkmar Zschocke.

„lm Rahmen der von der Bundesregierung noch in diesem Jahr beabsichtigten Änderung der Düngemittelverordnung soll aus Vorsorgegründen hinsichtlich unklarer Umweltwirkungen von insbesondere Mikrokunststoffpartikeln unter anderem der Siebdurchgang für Fremdbestandteile, einschließlich der von Kunstoffen, deutlich abgesenkt werden, was im Sinne der oben genannten Bitte des Bundesrates ist und von der Staatsregierung unterstützt wird. Zur wirksamen Umsetzung der damit bezweckten Zielstellung wird sich die Staatsregierung dafür einsetzen, dass eine entsprechende Absenkung des Siebdurchganges auch in die Bioabfallverordnung (BioAbfV) durch entsprechende Änderung der Verordnung aufgenommen wird.“

Aber das Problem bei Mikroplastik ist eben, dass die Teile so klein sind, dass sie auch problemlos durch die Siebe gehen.

Ein Thema, das man im Ministerium auch kennt. Weshalb man 2019/2020 vor allem die Entwicklung einer Labormethodik zum Nachweis von Mikroplastik“ im Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) vorantreiben will. Mikroplastik ist so winzig, dass es mit herkömmlichen Labormethoden nur grob erfasst werden kann. Aber gerade die Mikrobestandteile sind gefährlich, geraten über die Pflanzen in unser Essen und richten mutmaßlich im menschlichen Körper einige Schäden an.

Und das Thema ist nicht neu.

Dass auch Sachsen dieses Problem hat (und nicht nur die Inder mit ihren vermüllten Flüssen oder die an Plastik erstickenden Tiere des Meeres), ist seit 2015 bekannt. Denn da untersuchte die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) das Wasser und die Sedimente an der Elbe. Und wurde in erschreckendem Ausmaß fündig.

„Auf Nachfrage zum Projektstatus teilte die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) mit, dass im Sommer 2015 einmalig Wasser- und Sedimentproben von zwölf Standorten im Längsverlauf der Elbe genommen wurden“, teilt der Minister mit. „Die Auswertungen haben gezeigt, dass an allen Standorten sowohl im Wasser als auch im Sediment Plastikpartikel zu finden waren. In den Wasserproben fanden sich zwischen einem und sechs Partikel pro Kubikmeter, im Sediment circa 100 bis 16.000 Partikel pro Kilogramm. Die Veröffentlichung der Ergebnisse ist noch in Vorbereitung. In einem zu Beginn dieses Jahres gestarteten Projekt wird ein zeitlich höher aufgelöstes Monitoring im Längsverlauf der Elbe durchgeführt und im Anschluss daran der Transport der Partikel modelliert.“

Das ist die Schnecke. Man hat alarmierende Befunde von 2015, will jetzt aber erst einmal weiter an der Elbe forschen und modellieren.

Zschocke hatte direkt auch zu anderen sächsischen Flüssen gefragt. Aber diese Frage überging der Minister einfach. Was wohl heißt: Die anderen Flüsse werden auf Mikroplastik gar nicht erst untersucht. Wobei man sich fragt, was da an der Elbe modelliert werden soll, wenn man nicht einfach Messergebnisse über das ganze Land sammelt und damit die konkreten und die diffusen Quellen für Mikroplastik sichtbar macht?

Denn die Belastung der Gewässer könnte genauso auch durch die Einspülungen aus Klärwerken begründet sein wie aus Einsickerungen aus (undichten) Deponien oder aus belastetem Dünger in der Landwirtschaft. Die hohe Belastung der Elbe deutet eher auf die Klärwerke, die mit der Mikroplastik aus Kosmetika oder dem Abrieb synthetischer Materialien in Waschmaschinen nicht umgehen können. Dazu bräuchte es wohl ein zusätzliches Klärverfahren.

Aber die Antwort deutet nicht darauf hin, dass man in nächster Zeit in Sachsens Regierung einen „Standpunkt“ finden wird, wie Zschocke es ausdrückt. Dafür bekommt er eine Antwort, die einem nur allzu vertraut vorkommt: „Die Frage berührt den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, denn sie zielt darauf ab, Informationen über einen laufenden Abstimmungs- und Meinungsbildungsprozess innerhalb der Staatsregierung zu erhalten. Es handelt sich hier um ein laufendes Bundesratsverfahren, der Entscheidungsprozess innerhalb der Staatsregierung ist noch nicht abgeschlossen. Die Frage kann daher nicht beantwortet werden.“

Alle Erfahrung mit diesem „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“ in Sachsen besagt mittlerweile eigentlich: Dieser Kernbereich ist leer. Es ist ein völlig leerer Besprechungsraum, in den sich auch kein Minister und kein Staatssekretär verirrt. Aber das Schild an der Tür verspricht eine Menge Verantwortlichkeit. Da will man natürlich nicht stören.

Grüne fordern umfassende Messprogramme für Mikroplastik in sächsischen Gewässern

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