Eben noch waren Leipzigs Sportvereine regelrecht happy, dass sie von der Stadt Förderung für einen Kunstrasenplatz bekamen. Gerade im Jahr 2018 schien das die ideale Lösung bei so einer Dürre und dem enormen Wasserverbrauch, um einen Rasenplatz grün zu halten. Doch auch Kunstrasen hat seine Tücken. Und sein Ende in alter Form droht schneller als gedacht.

Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) ist von der EU-Kommission beauftragt, Maßnahmen zu entwickeln, um den Einsatz von Mikroplastik zu verhindern. Und die ECHA empfiehlt ein Verbot der winzigen Plastikpartikel ab spätestens 2022. Was direkte Folgen für einige der bisherigen Kunstrasenplätze hat. Denn sie sind eine ziemlich große Quelle ausgerechnet für Mikroplastik-Partikel

Auch der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) geht davon aus, dass es zu einem solchen Verbot des umweltschädlichen Kunstrasen-Gummigranulats kommen wird. Es kann dabei nicht von einem Bestandsschutz neu errichteter Plätze, sondern vielmehr von einer daraus folgenden Umrüstungspflicht ausgegangen werden, was mit Kosten zwischen 100.000 Euro und 500.000 Euro pro Platz verbunden wäre, stellt jetzt die Grünen-Fraktion im Leipziger Stadtrat fest, die deshalb auch von der Stadtverwaltung wissen will, wie sie auf das Problem reagieren will.

„Sportplätze mit Kunstrasen gelten als drittgrößte Quelle von Mikroplastik in Deutschland und sind verantwortlich dafür, dass etwa 11.000 Tonnen Mikroplastik pro Jahr in die Umwelt gelangen“, benennt Norman Volger, Fraktionsvorsitzender und umweltpolitischer Sprecher der Fraktion, die wichtigste Zahl dabei.

„Wir dürfen nicht tatenlos zusehen, wie solche Umweltsünden mitgetragen werden, obwohl bereits heute alternative Füllmaterialien für Kunstrasenplätze zur Verfügung stehen. Der aufgrund der immensen Nachfrage und damit gewachsenen Nutzungsintensität nachvollziehbare Wunsch nach ganzjährig nutzbaren Sportflächen darf nicht auf Kosten unabsehbar großer Umwelt- und Grundwasserschäden erkauft werden. Wir brauchen ein generelles Umdenken beim Thema Sportflächennutzung und mindestens einen sofortigen Verzicht auf umweltschädliche Füllmaterialien bei Kunstrasenplätzen, sowie ein Handlungs- und Finanzierungsprogramm, um den Umbau bereits realisierter Plätze nachträglich im Sinne der Abwehr drohender Umweltgefahren stemmen zu können.“

Aber wie verbindet sich das mit dem extra vom Stadtrat beschlossenen Programm für neue Kunstrasenplätze?

„Bereits im vergangenen Jahr hat unsere Fraktion Anreize in der Investitionsförderung eingefordert, nachdem der Stadtrat ein Sonderprogramm zum Bau von Kunstrasenplätzen beschlossen hat“, erklärt Michael Schmidt, Stadtrat der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen aus dem Leipziger Südwesten.

„Während das zusätzliche Budget zur Verfügung gestellt wurde, sollen die Förderkriterien mit einem stärkeren Fokus auf umweltfreundliche, nachwachsende und recyclebare Füllmaterialien wie Sand oder Kokosfasern erst mit der neuen Förderrichtlinie im nächsten Jahr auf den Weg gebracht werden“, benennt er das Problem, das jetzt entsteht. Denn damit können auch die kritisierten Kunstrasenplätze mit Gummifutter gefördert werden, die dann schon nach kurzer Zeit wieder ersetzt werden müssten.

„Damit allerdings werden Tatsachen geschaffen, die für die Vereine zu großen wirtschaftlichen und unter Umständen existenziellen Problemen führen könnten, sollte das erwartete Verbot ohne Bestandsschutzklausel beschlossen werden“, betont Schmidt. „Diese verspätete Umsetzung des Ratsbeschlusses kann zu fatalen Folgen führen. Daher hat unsere Fraktion eine Anfrage an den Oberbürgermeister gerichtet, die aufzeigen soll, wie sich die Situation um errichtete und im Bau bzw. in Planung befindliche Kunstrasenplätze in Leipzig darstellt und wie die Stadtverwaltung die Vereine auf die drohende Situation vorbereitet. Aus Sicht meiner Fraktion wäre es dringend angeraten, einen Bau- bzw. Planungsstopp zu veranlassen, sofern Vereine Kunstrasenplätze mit Gummifüllung planen oder bauen und ein sofortiges Umsteuern hin zu umweltfreundlicheren Lösungen zu veranlassen.“

Die Grünen-Anfrage zur Beantwortung in der Ratsversammlung am 26. Juni 2019

Konsequenzen aus drohendem Verbot von Kunstrasenplätzen aus Mikroplastik

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik haben in einer Studie festgestellt, dass Sportplätze mit Kunstrasen die drittgrößte Quelle von Mikroplastik in Deutschland darstellen und pro Jahr für geschätzt 11.000 Tonnen Mikroplastik in der Umwelt verantwortlich sind, was etwa dem siebenfachen der Kosmetikindustrie entspricht. Pro Quadratmeter Kunstrasenplatz liegen etwa 5kg Gummigranulat, was 35t pro Großfeld entsprechen. Dieses muss regelmäßig nachgefüllt werden, da Wind, Regen und Reinigungsmaschinen die Substanz, die zur Dämpfung der Plätze dient und Sportler/-innen vor Verletzungen schützen soll, zwischen den Kunststoffhalmen herauslösen und in Gewässer und auf Felder tragen.

Mittlerweile hat die EU-Kommission die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) beauftragt, Maßnahmen zu entwickeln, um den Einsatz von Mikroplastik zu verhindern. Die ECHA empfiehlt ein Verbot der winzigen Plastikpartikel ab spätestens 2022. Auch der DOSB geht davon aus, dass es zu einem solchen Verbot des umweltschädlichen Kunstrasen-Gummigranulats kommen wird. Es kann dabei nicht von einem Bestandsschutz neu errichteter Plätze, sondern vielmehr von einer daraus folgenden Umrüstungspflicht ausgegangen werden, was mit Kosten zwischen 100.000 € und 500.000 € pro Platz verbunden wäre.

Alternativen zum Gummigranulat ist beispielsweise ein Verzicht auf Kunstrasenplätze oder eine Füllung aus Sand oder mit natürlichen Fasern aus nachwachsenden Rohstoffen. Eine dieser Alternativen wäre ein natürlich abbaubares Korkgranulat, welches beispielsweise von Fußball-Zweitligist Greuther Fürth bereits benutzt wird.

Die Stadt Wiesbaden ist schon dazu übergegangen, keine Plätze mit Kunststoffgranulat mehr zu bauen.

In Leipzig sind hingegen Kunstrasenplätze auf dem Vormarsch, mehrere Fördergenehmigungen auch in diesem Jahr im Hinblick auf die EURO erteilt worden. Trotz des Stadtratsbeschlusses vom September 2018, Förder-Anreize für umweltfreundliche, nachwachsende und recyclebare Füllmaterialien zu schaffen, gelten nach wie vor die herkömmlichen Förderkriterien.

Die Vereine begeben sich damit (mit Unterstützung der Stadt Leipzig) in eine Verantwortung, die absehbar zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten führen dürfte, da voraussichtlich eine gesetzliche Pflicht zur Umrüstung des umweltschädlichen Gummigranulates hin zu alternativen Füllmaterialien folgen wird.

Wir fragen daher an:

  1. Wie bereitet sich die Stadt Leipzig gemeinsam mit den betroffenen Vereinen auf ein mögliches Verbot oder eine daraus folgende Umrüstverpflichtung vor?
  2. Welche Kunstrasenprojekte wurden in den vergangenen Jahren realisiert bzw. sind derzeit in Realisierung und wären aufgrund der genutzten oder beabsichtigten Füllmaterialien von einem möglichen Verbot betroffen? (bitte tabellarische Übersicht)
  3. Wie und mit welchem Erfolg hat die Verwaltung bislang versucht auf die Vereine einzuwirken, umweltfreundliche Füllmaterialien beim Bau von Kunstrasenplätzen zu verwenden.
  4. Hält die Stadt Leipzig den Bau von Kunstrasenplätzen mit Gummigranulat für nach wie vor förderwürdig und umweltpolitisch vertretbar?
  5. Wäre ein sofortiger Stopp bzw. eine Umplanung des Baus entsprechender öffentlich geförderter Kunstrasenplätze sowie ein genereller Verzicht auf Kunstrasenplätze mit Gummigranulatfüllung sowohl umweltpolitisch als auch wirtschaftlich vernünftig?

Heiko Scholz darf vorerst weitermachen – Spatenstich für Kunstrasen

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