Mit dem Siegeszug der sogenannten „social media“ ist der Ton im Internet rauer geworden. Die scheinbare Anonymität verleitet viele Menschen dazu, alle Regeln menschlichen Anstands über Bord zu werfen. Und gerade Frauen werden immer wieder Opfer solcher böswilligen Attacken. Sarah Buddeberg, gleichstellungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag, wollte jetzt wissen, wie der Freistaat Frauen vor solche Angriffen schützen kann.

Doch ihre Kleine Anfrage (Drucksache 6/17487) hat nun ergeben, dass der Freistaat Sachsen Frauen nicht schützen kann, die von digitaler Gewalt betroffen sind. Unter die Bezeichnung fallen etwa sexistische Kommentare im Netz, die Montage von Fotos oder auch Apps, mit denen beispielsweise Männer ihre Partnerinnen überwachen können. Dem Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) zufolge ist digitale Gewalt eine Form von häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt. Häufig seien die Täter den Betroffenen zudem bekannt.

Die Antwort der Staatsregierung auf die Kleine Anfrage hat ergeben, dass digitale Gewalt bei den sächsischen Behörden freilich auch nicht statistisch erfasst wird. Auch in der Aus- und Weiterbildung der sächsischen Polizei gibt es demnach keine speziellen Angebote, die sich mit digitaler Gewalt insbesondere gegen Frauen beschäftigen.

Außerdem sind die hiesigen Interventions- und Frauenberatungsstellen nicht dafür ausgestattet, um Betroffene etwa zu Spy-Apps oder bei einer Manipulation ihres Smartphones zu beraten, stellt Buddeberg fest. Die technologischen Möglichkeiten der Stalker werden immer ausgefeilter, doch die staatlichen Instrumente, solche Übergriffe auch strafrechtlich zu verfolgen, existieren nicht. Haben Sachsens Innenminister also die völlig falschen Verschärfungen ins Polizeigesetz geschrieben?

Gleich zwei Studien der Menschenrechtsorganisation Amnesty International bestätigen inzwischen die steigende Bedrohung im Netz. So habe bereits ein Viertel aller Frauen Angriffe im Netz erlebt. Alle 30 Sekunden wird demnach ein verachtender Tweet gegen Frauen geschrieben. Die Folgen können gravierend sein, so die Abgeordnete. Digitale Angriffe lösen Angst, Schuldgefühle und Scham aus. Da die Täter/-innen in der Regel anonym bleiben, fühlen sich die Opfer ohnmächtig und hilflos. Häufig ziehen sich die Betroffenen außerdem aus dem virtuellen Diskurs zurück, um so den digitalen Attacken zu entgehen.

„Digitale Gewalt gegen Frauen ist keine Lappalie und sie kann vor allem nicht von analoger Gewalt getrennt werden“, stellt Sarah Buddeberg fest. „Werden Mädchen und Frauen im Netz beleidigt, bedroht und bloßgestellt, ist diese Bedrohung nämlich ganz real! Ich weiß leider selbst nur zu gut, wie es ist, öffentlich online angefeindet zu werden – und dass man sich dagegen gerichtlich wehren muss! Meine Erfahrung ist: Bei digitaler Gewalt geht es immer um psychischen Druck und darum, eine andere Person zu kontrollieren.“

Und da kommt dann ihre Kritik an der Ausstattung der sächsischen Behörden. Das Thema ist ja nun wirklich nicht mehr ganz neu. Aber noch scheint es für die Strafbehörden eher „Neuland“ zu sein.

„Hier müssen sich sächsische Behörden leider fragen lassen, wie kompetent sie eigentlich sind“, sagt Buddeberg. “Die Landesregierung muss schleunigst dafür sorgen, Polizei und Justiz zu sensibilisieren, etwa durch Weiterbildungsmaßnahmen. Außerdem fordert Die Linke, dass die Fachberatungsstellen dringend besser finanziell, personell und technisch ausgestattet werden, um den wachsenden Beratungsbedarf wegen erlebter digitaler Gewalt bewältigen zu können.“

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