Das Geld ist bewilligt. Nach 14 Jahren des Drängens und Vertröstetwerdens bekommt Sachsen endlich eine Fluglärmschutzbeauftragte oder einen Fluglärmschutzbeauftragten. Mit dem sächsischen Doppelhaushalt 2021/2022 wurde auch die Finanzierung dieser Stelle beschlossen. Und am Mittwoch, 26. Mai, konnte das Verkehrsministerium melden: „Ab dem 1. September wird im Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr die Position des bzw. der Fluglärmschutzbeauftragten geschaffen und als Stabsstelle in der Abteilung Mobilität eingerichtet.“

Den entsprechenden Druck, so eine Stelle unabhängig von der Mitteldeutschen Flughafen AG endlich einzurichten, hatten die Grünen gemacht. Denn die Fluglärmbeschwerden, die derzeit an die beiden sächsischen Flughäfen gerichtet werden, haben in der Regel keine Folge. Sie werden abgeheftet, aber die Ursachen der immer neuen Verstöße selbst gegen geltende Lärmschutzauflagen bleiben bestehen. Oft werden sie – etwa bei Auftragsflügen der NATO oder der Bundeswehr – schlichtweg ignoriert.„Die Berufung einer unabhängigen Person, die sich um den Fluglärmschutz kümmert, ist ein wichtiger Meilenstein, um Maßnahmen zur Reduzierung des Fluglärms im Umkreis des Flughafens Leipzig/Halle weiter voranzutreiben“, kommentierte Gerhard Liebscher, verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Sächsischen Landtag, die Meldung aus dem Verkehrsministerium.

„Außerdem hat mir mein Kontakt mit den Betroffenen gezeigt, dass der Dialog vor Ort gefördert werden muss. Ich freue mich deshalb, dass nach unserem Einsatz für diese Stelle nun schnell Taten folgen und wir ein weiteres Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umsetzen.“

Ein von den Grünen am 10. Mai veröffentlichtes lärmmedizinisches Gutachten hatte gezeigt, wie groß der Handlungsbedarf rund um den Flughafen Leipzig / Halle ist, an dem seit 2007 eine unbeschränkte (Nacht-)Flugerlaubnis für Frachtflieger besteht, die von den Frachtfluggesellschaften auch weitgehend ausgereizt wird.

„Mithilfe des von der Bündnisgrünen-Fraktion beauftragten lärmmedizinischen Gutachtens wurde von wissenschaftlicher Seite belegt, dass Anwohnerinnen und Anwohner im Umkreis des Flughafens Leipzig/Halle einer sehr hohen Lärmbelastung ausgesetzt sind“, stellt dazu Dr. Daniel Gerber, klimapolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag und Leipziger Abgeordneter, fest.

„Es hat ebenfalls ergeben, dass ein Flughafen nicht nur wirtschaftlich positive Auswirkungen auf die Region hat, sondern auch ein erhebliches Gesundheitsrisiko darstellt. Wir nehmen die Sorgen der Betroffenen sehr ernst und wollen mit der beauftragten Person für den Fluglärmschutz ein Zeichen für mehr Transparenz und Gesundheitsschutz setzen.“

Der oder die Fluglärmschutzbeauftragte soll ab September zentrale Ansprechperson und vermittelnd tätig sein für die Anliegen von Anwohnerschaft und Bürgerinitiativen, Flughafenbetreiber, Fluglärmkommission, Behörden und Deutscher Flugsicherung. Der Schwerpunkt der Arbeit wird auf dem Lärmschutz am Luftfrachtdrehkreuz Leipzig/Halle liegen, insbesondere vor dem Hintergrund des wachsenden nächtlichen Frachtflugaufkommens, hatte das SMWA betont. Der oder die Beauftragte soll die Forderungen der Fluglärmbetroffenen prüfen, bewerten und in geeignete Maßnahmen überführen und bei der Konzeption von lärmmindernden Maßnahmen mitwirken.

Also in gewisser Weise auch genau die Lücke füllen, die die Fluglärmkommision seit 2007 nicht ausfüllt. Aber nur ein bisschen.

„Seit mehreren Jahren schon setze ich mich für die Etablierung einer bzw. eines Fluglärmschutzbeauftragten ein. Deswegen hat es mich sehr gefreut, dass wir diese Forderung im Koalitionsvertrag verankern und nunmehr zur Umsetzung bringen konnten. Damit tragen wir insbesondere den Anliegen und Sorgen der Anwohnerinnen und Anwohner im Umfeld der sächsischen Flughäfen Rechnung und verstärken unsere Bemühungen zur Reduzierung von Fluglärm an den sächsischen Luftfahrtstandorten“, betonte Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) am Mittwoch.

„Ich hoffe und wünsche mir, dass wir mit der Einrichtung der Stelle einen wichtigen Beitrag für den Lärmschutz aber auch für die Akzeptanz und für die weitere Entwicklung der sächsischen Flughäfen leisten werden.“

Womit er schon einmal andeutete, dass auch der oder die neue Beauftragte es mit starkem Gegenwind zu tun bekommen wird. Denn als Flughafeneigentümer sitzt der Freistaat Sachsen selbst auf der anderen Seite des Verhandlungstisches und verfolgt eigene wirtschaftliche Interessen, die dem Lärmschutz zuwider laufen.

So betonte es auch das SMWA am 26. Mai in seiner Meldung: „Die Flughäfen Leipzig/Halle und Dresden nehmen als Job-Motoren eine besondere Rolle in der wirtschaftlichen Entwicklung des Freistaates Sachsen ein. Die Ansiedlung und das erfolgreiche Wirken von Forschungseinrichtungen und Industrieunternehmen wären ohne die moderne Flughafeninfrastruktur nicht möglich gewesen.“

„Leipzig/Halle hat sich als eine der wichtigsten Logistikregionen in Deutschland fest etabliert. Seit 2008 betreibt DHL am Flughafen Leipzig/Halle Europas modernsten Umschlagplatz für Expressluftfracht und der Umschlag mit Waren steigt weiter. Der Flughafen Dresden ist ein bedeutender Standort der Luftfahrtindustrie. Der Freistaat Sachsen hat daher auch ein großes strategisches Interesse an der weiteren positiven wirtschaftlichen Entwicklung der Standorte.“

Wer immer sich für den Job bewirbt, ist damit vorgewarnt: Er oder sie wird es auch mit einer Staatsregierung zu tun bekommen, die von sich selbst als erfolgreicher Unternehmer zutiefst überzeugt ist und nächtlichen Frachtumschlag für eine echte Investition in die Zukunft hält.

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