Eins ist sicher: Von Wolfram Günther, der für die Grünen fünf Jahre lang Umweltminister in Sachsen war, hätte man so einen Klagegesang nicht gelesen, wie ihn am 13. Mai sein Amtsnachfolger Georg-Ludwig von Breitenbuch (CDU) veröffentlichte. Es ist ein Moment, der ahnen lässt, warum die sächsische CDU mit den Grünen derart hadert, denn diese Grünen zappeln herum, wollen ständig Dinge besser machen, haben die Sache mit dem Aussitzen und Vertagen einfach nicht begriffen.

Stattdessen nehmen sie die Alarmzeichen ernst, die aus der Forschung kommen. Auch die zum Zustand unserer Natur. Eine neue EU-Verordnung soll da endlich Fortschritte bringen.

Die Sächsische Staatsregierung hat sich in der Kabinettssitzung am Dienstag, dem 13. Mai, mit der Europäischen Verordnung über die Wiederherstellung der Natur (Wiederherstellungsverordnung) befasst und die Einrichtung einer ressortübergreifenden Arbeitsgruppe beschlossen. Aber der Staatsminister hat keine rechte Vorstellung davon, wie Sachsen nun mehr geschützte Flächen schaffen soll.

„Im Kern kann man das Anliegen der EU-Verordnung nachvollziehen: Wir alle wünschen uns eine lebenswerte und gesunde Natur. Doch es gleicht einer Fahrt im Dunkeln“, meinte Georg-Ludwig von Breitenbuch am 13. Mai.

„Weder können wir die Richtung, noch das konkrete Ziel der Verordnung oder den Weg dahin erkennen. Mit der heute beschlossenen Einrichtung der interministeriellen Arbeitsgruppe unternehmen wir den Versuch, als Staatsregierung das Steuer besser in die Hand zu nehmen. Wir werden es aber auf dieser Fahrt nicht versäumen, Bund und EU als Beifahrer in die Pflicht zu nehmen und das eine oder andere Stoppschild am Straßenrand aufzuzeigen.“

Bürokratie und Privatbesitz

Und statt jetzt einfach in den Arbeitsmodus zu wechseln und alle Landesteile zu identifizieren, die wieder in ihren natürlichen Zustand versetzt werden können, stimmte er auch noch ein Lied über zu viel Bürokratie an.

„Allerorts setzen wir uns für Bürokratieabbau und schlanke Verfahren ein. Die Wiederherstellungsverordnung indes ist das Gegenteil. Ich sehe drei wesentliche Herausforderungen bei der Umsetzung dieser Verordnung: Zeit, Geld und Akzeptanz. Der ambitionierte Zeitplan dürfte angesichts der Detailtiefe der Regelungen kaum zu halten sein“, sagte von Breitenbuch, ohne dass überhaupt der erste Handschlag getan war.

„Die mit den Wiederherstellungsmaßnahmen zu erwartenden Kosten werden eine extreme Kraftanstrengung bedeuten und viele der betroffenen Flächen können nur mit der Akzeptanz ihrer Privateigentümer bearbeitet werden. Das ist so nicht leistbar.“

Kritik vom BUND Sachsen

Wofür er geharnischte Kritik vom BUND Sachsen erntete. Denn als Motor bei der Sicherung naturnaher Flächen ist Sachsen in der Vergangenheit nicht wirklich aufgefallen. Auch bevor Wolfram Günther das Umweltministerium für die Grünen übernahm, wurde vor allem vertrödelt und ausgesessen.

Professor Felix Ekardt, Vorsitzender des BUND Sachsen und Umweltjurist, kritisiert nun den schon im Vorhinein wieder zögernden Umweltminister: „Die Verordnung zielt auf den Erhalt der Biodiversität, die seit langem ungebremst schwindet. Dieses Ziel ist für Natur und Klima unverzichtbar. Das Problem der Verordnung ist nicht, dass sie zu viel verlangt – sondern dass sie noch viel zu viele Ausnahmen und zu vage Vorgaben enthält, um wirklich wirksam zu sein. Die Maßnahmen wie die Wiedervernässung von Mooren sind keine Schikane, sondern eine wirksame Klimaschutzmaßnahme.

Jeden Euro, den wir heute in den Naturschutz investieren, sparen wir vielfach an künftigen Klimawandel- und Biodiversitätsverlust-Folgekosten. Um das zu erreichen, sollte die EU jedoch die zu ergreifenden Maßnahmen konkreter vorgeben – etwa eine Mengensteuerung der Tierhaltung, um Klima und Biodiversität zu entlasten und der Landwirtschaft mehr Fläche zu geben. Und einen Umbau der EU-Agrarsubventionen hin zu Geldern nur noch für ökologische Leistungen wie Moor-Wiedervernässung. Genau die Parteifreunde der sächsischen Staatsregierung in Brüssel sind es jedoch, die solche wissenschaftlich weithin geforderten Ansätze bislang verhindern.“

Aber von Breitenbuch kündigte lieber etwas anderes an: „Sachsen hat bereits das deutliche Signal gesendet, dass die Verordnung in dieser Form aus unserer Sicht zurückgenommen werden sollte. Mindestens aber erwarten wir von Bund und EU klare Bekenntnisse zur Überarbeitung, Entschlackung, Entbürokratisierung und auskömmlichen Finanzierung. Und das deutlicher als es der Bundeskoalitionsvertrag gegenwärtig vermuten lässt. Dafür setze ich mich auch auf der in dieser Woche stattfindenden Umweltministerkonferenz ein. Ich bin in Sorge, dass die Verordnung andernfalls alle Beteiligten überfordert und wir damit keinen Zuspruch in der Bevölkerung erreichen.“

Die Widerherstellungsverordnung

Die Wiederherstellungsverordnung trat im August 2024 als unmittelbar geltendes Recht für alle EU-Mitgliedstaaten in Kraft. Übergeordnetes Ziel der Verordnung ist, bis zum Jahr 2030 auf mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresflächen der Europäischen Union Wiederherstellungsmaßnahmen vorzunehmen, bis 2050 sollen schließlich alle defizitären Ökosysteme mit Maßnahmen abgedeckt sein. Untersetzend werden konkrete Ziele für Lebensräume und Arten der FFH- und der Vogelschutzrichtlinie, Meeresökosysteme, Städte, Flüsse und Auen, Bestäuber, Agrarlandschaft (inklusive Moorwiedervernässung) und Wälder festgesetzt.

Die Wiederherstellungsverordnung gibt dezidiert vor, in welchem Umfang und bis wann Wiederherstellungsmaßnahmen zu ergreifen sind. Die Umfänge nehmen mit der Zeit zu (gestaffelte Zielstellungen für die Jahre 2030/2040/2050). So ist unter anderem bis zum Jahr 2030 sicherzustellen, dass
auf 30 Prozent der Flächen der FFH-Lebensraumtypen (LRT), die nicht im guten Zustand sind, Maßnahmen zur Zustandsverbesserung ergriffen werden,

keine Nettoverluste der Grünflächen und der Baumüberschirmung in Städten auftreten,

Verzeichnisse der zu beseitigenden künstlichen Hindernisse erstellt werden, um 25.000 Kilometer freifließender Flüsse in der Union zu erreichen,

der Rückgang der Bestäuberpopulationen umgekehrt wird,

30 Prozent der landwirtschaftlich genutzten ehemaligen Moorböden wiederhergestellt und zu mindestens einem Viertel wiedervernässt werden,

ein Aufwärtstrend vorgegebener häufiger Waldvogelarten erreicht wird.

Zudem werden umfängliche Planungs-, Überwachungs-, Beteiligungs- und Berichtspflichten eingeführt. Als zentrales Element der nationalen Durchführung wird ein Wiederherstellungsplan gefordert, der von Deutschland insgesamt vorgelegt werden muss. Die Verordnung beschreibt dafür eine Frist bis zum 1. September 2026 sowie Anforderungen an die Inhalte und Vorarbeiten. Auch wurde jüngst das Format des Wiederherstellungsplan von der EU beschlossen. Mit Blick auf die Vorlagepflicht des Bundes im September 2026 ist damit zu rechnen, dass der Freistaat Sachsen seinen Beitrag zum nationalen Wiederherstellungsplan gegebenenfalls schon in diesem Jahr leisten muss.

Auf etlichen dieser Themenfeldern kann von Breitenbuch schon auf die Vorarbeiten seines Amtsvorgängers zurückgreifen. Das heißt: Ein Teil der Arbeit ist schon geleistet. Es kann darauf aufgebaut werden. Und erst wenn alles sortiert und beziffert ist, weiß von Breitenbuch auch, ob das Geld reicht oder wie lang der Zeithorizont ist, die EU-Verordnung in Sachsen abzuarbeiten. Aber wer gleich von Anfang an wieder bremst, wird die Ziele nie erreichen.

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