Auf dem eigenen Medienportal veröffentlichte die Sächsische Staatskanzlei nur die Mitteilung, dass sich die Ministerpräsident/-innen der ostdeutschen Bundesländer den Ausbau von Eisenbahnverbindungen in die östlichen Nachbarländer wünschen. Eine erstaunlich verknappte Meldung zur Ost-Ministerpräsidenten-Runde, die am 25. September in Weimar tagte und die im Beisein von Bundeskanzler Friedrich Merz auch noch mehr Rüstungsindustrie im Osten forderte. Und so beiläufig gab es da auch noch den Vorstoß, das Flächenziel für den Windkraftausbau zu canceln.
Das wurde erst nach der Tagung zum medialen Thema. Und selbst beim „Spiegel“ schüttelt man nur den Kopf. Insbesondere über Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), der in einem „Welt“-Interview gleich noch forderte, die Klimaziele für die Bundesrepublik abzusenken. Zitat: „Muss man 100 Prozent erreichen oder reichen nicht 90 Prozent oder 80 Prozent oder reicht statt 2045 auch 2050?“
Susanne Götze wies in ihrem „Spiegel“-Beitrag auch darauf hin, dass die Probleme bei der Umsetzung der Energiewende fast alle durch CDU-Politiker verursacht wurden, die über die Jahre immer wieder gebremst haben und neue Hürden in die Gesetze packten: „Es gibt Probleme bei der deutschen Energiewende. Sie sind jedoch größtenteils das Ergebnis jahrelangen politischen Zauderns und mangelnder Weitsicht. Gerade Politiker aus den Unionsreihen verhinderten lange eine durchdachte Planung oder machten sie komplizierter. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz etwa hatte im Jahr 2000 fünf Seiten, heute 150. Genehmigungen für Windparks zu bekommen, ist ein langwieriges Unterfangen.“
Bremsen als politische Agenda?
Und gerade jetzt, wo der Ausbau der Erneuerbaren wieder ein bisschen Fahrt aufgenommen haben, haben die Ministerpräsident/-innen im Osten nichts anderes im Kopf, als den nächsten Versuch einer Verhinderung zu starten.
Was dann im Grunde auch die Politik Michael Kretschmers als Ministerpräsident beschreibt. Er strebt – wie seinem „Welt“-Interview zu entnehmen ist – nicht mal die 100 Prozent an, weicht lieber die Ziele auf. Und erreicht am Ende auch die 80 und 90 Prozent nicht.
Eigentlich weiß das jedes Kind. Wenn man sich nicht 100 Prozent vornimmt, schafft man auch nicht, in ihre Nähe zu kommen. Gute Politik aber nimmt sich 100 Prozent vor. Dann wissen nämlich alle, dass man sich anstrengen kann und muss dafür.
Aber Michael Kretschmer?
Als dann auch noch die Forderung der Ost-Ministerpräsident/-innen ruchbar wurde, das Flächenziel für den Windkraftausbau für 2032 von derzeit 2 Prozent aufzuweichen, gab es heftigen Protest. Nicht nur aus den Umweltverbänden. Das sollte den sächsischen Ministerpräsidenten so langsam alarmieren. Mittlerweile werden auch die Wirtschaftskammern richtig sauer über diese saft- und kraftlose Politik.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) e. V. kommentiert den Vorstoß der Ost-Länder, das bundeseinheitliche Flächenziel von 2 Prozent für Windenergie an Land bis 2032 zu kippen.
Auf dem Ost-Gipfel in Weimar am 25. September haben die Länderchefs von Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin einen Beschluss gefasst, das bundeseinheitliche 2-Prozent-Flächenziel für den Ausbau von Windenergie infrage zu stellen.
Derzeit gilt, dass bis 2027 1,3 Prozent der Fläche ausgewiesen werden müssen und bis 2032 zwei Prozent. Der neue Beschluss regt ziemlich blumig an, dass diese Vorgaben ersetzt werden durch Energieerzeugungsformen, die den regionalen Besonderheiten entsprechen würden.
Das schafft kein Vertrauen
„Die Tinte ist kaum getrocknet unter der Flächenzielverschiebung in Sachsen, da sägt der sächsische Ministerpräsident Kretschmer weiter am Erfolg der Energiewende in Deutschland. Gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen aus anderen Ost-Ländern plädiert er dafür, das einheitliche Flächenziel zu kippen. Das schafft kein Vertrauen und noch weniger Akzeptanz, die der Ministerpräsident immer fordert“, kommentierte am 1. Oktober Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt, Vorsitzender des BUND Sachsen, diesen seltsamen Vorgang.
Kretschmer postuliere öffentlich eine Mischung aus erneuerbaren Energien und konventionellen Energieträgern und hoffe, damit die Energiekosten zu senken.
„Genau das Gegenteil trifft zu“, findet Ekardt, „der konsequente Umstieg auf erneuerbare Energiegewinnung schafft günstige Preise, macht Deutschland unabhängig von fossilen Exporten und erzeugt Wertschöpfung vor Ort – und ist ein zentraler Beitrag auf dem Weg zur Klimaneutralität.“
Die aktuellen Zahlen zeigen, dass der Energiegewinn aus Windkraftanlagen das Zugpferd der Energiewende ist, betont der BUND Sachsen. Es brauche überall in der Bundesrepublik den Ausbau der Anlagen. Nicht zuletzt werde das zur Frage von Standortentscheidungen.
„Allein in Sachsen forderten vor kurzem 60 Unternehmen den zügigen Ausbau der Windkraft im Freistaat. Das richtige Signal wäre jetzt, dass die ostdeutschen Regierungschefs sich zusammensetzen und eine naturverträgliche Energiewende in ihren Bundesländern mit voller Kraft umsetzen.“
Das gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts
Und am 2. Oktober gab es dann die deutliche Watsche der sächsischen IHKs, die überhaupt nicht verstehen, wie man jetzt auch noch das 2-Prozent-Flächenziel für 2032 canceln will. Denn der Windkraftausbau stellt nach wie vor ein zentrales Problem in Sachsen dar.
„Sachsen darf beim Ausbau der Windenergie nicht zurückfallen. Nur mit einem breit aufgestellten Energiemix lässt sich die Versorgung sicher, bezahlbar und klimafreundlich gestalten. Ständige Änderungen der politischen Rahmenbedingungen verunsichern Unternehmen, hemmen Investitionen und gefährden die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts“, betonen die sächsischen IHKs angesichts des jüngsten Vorstoßes der Ostländer, das 2-Prozent-Flächenziel für Windkraft zu kippen.
Die Kammern begründen ihre Kritik mit der Feststellung, dass das ständige Hin und Her bei rechtlichen Rahmenbedingungen einen erheblichen Unsicherheitsfaktor für Unternehmen darstellt. Die mangelnde Beständigkeit erschwere die Investitions- und Projektplanung erheblich und schwäche das Vertrauen in politische Entscheidungen.
Ohne ausreichend Flächen für die Erzeugung erneuerbarer Energie drohe Sachsen an Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren – bedingt durch hohe Kosten bei Gas- und Kohleverstromung, die CO₂-Bepreisung sowie steigende Nachhaltigkeitsanforderungen in der Finanzierung. Windenergie sei dabei ein zentraler Baustein für eine zuverlässige, bezahlbare und klimafreundliche Energieversorgung.
Die Ministerpräsidenten der Ostländer begründeten die Abkehr von der 2-Prozent-Regel mal wieder mit dem Gummiwort „Technologieoffenheit“. Das greift aus IHK-Sicht jedoch zu kurz, da PV-Anlagen schon jetzt an ihre Grenzen stoßen und zur Mittagszeit zu viel Sonnenstrom ins Netz liefern, wie von Netzbetreibern regelmäßig bestätigt wird.
Windkraft und Speicher seien daher unverzichtbar, um die zeitliche Verschiebung der Erzeugung zu gewährleisten. Und da gerade der Windkraftausbau in Sachsen das zentrale Problem darstellt, war die 2-Prozent-Regel ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, betonen die IHKs.
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