Man kann von der Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche und dem von ihr beauftragten „Monitoringbericht zum Stand der Energiewende“ halten, was man will. Es ist aber auch erlaubt, diesem skeptisch gegenüberzustehen. Frau Reiche, seit Jahren bekennende Anhängerin der fossilen Energieträger, hat den Plan, die Energiepolitik neu aufzustellen. Neu bedeutet bei ihr neue Gaskraftwerke, ergo fossile Energieträger.
Warum diese Überschrift?
Lösen wir zuerst das Rätsel auf, welches durch die Überschrift entstanden ist. Christian Geinitz, Wirtschaftskorrespondent der FAZ, schrieb im Kommentar-Newsletter derselben einen Beitrag, der mit „Verhätschelter Ökostrom“ überschrieben ist. In diesem kurzen Beitrag ist von einem „eventuellen Umsteuern in der Energiepolitik“ die Rede. Bemerkenswert ist allerdings der Schlusssatz:
„Politischer Liebesentzug würde die dahinterstehenden Unternehmen, Parteien und Lobbygruppen treffen, die inzwischen ein mächtiges und reiches Geflecht bilden, eine Art ökopolitisches System.“
Dieses machtvolle „ökopolitische System“, ist das mächtiger als Öl- und Gas-Kartelle und die damit verbundenen Finanzakteure? Das darf, mit gutem Gewissen, bezweifelt werden.
Was ist mit dem Monitoring?
Das Monitoring ist im Koalitionsvertrag beschlossen, auf Seite 25 steht Folgendes:
„Wir werden ein Monitoring in Auftrag geben, mit dem bis zur Sommerpause 2025 der zu erwartende Strombedarf sowie der Stand der Versorgungssicherheit, des Netzausbaus, des Ausbaus der Erneuerbaren Energien, der Digitalisierung und des Wasserstoffhochlaufs als eine Grundlage der weiteren Arbeit überprüft werden. Wir stehen für eine konsequente Ausrichtung aller Bereiche auf Bezahlbarkeit, Kosteneffizienz und Versorgungssicherheit.
Unser Ziel sind dauerhaft niedrige und planbare, international wettbewerbsfähige Energiekosten. Um das Ziel der Kosteneffizienz zu erreichen, stehen wir für einen systemischen Ansatz durch das Zusammenspiel aus dem Ausbau der Erneuerbaren Energien, einer Kraftwerksstrategie, dem gezielten und systemdienlichen Netz- und Speicherausbau, mehr Flexibilitäten und einem effizienten Netzbetrieb.“
Es war erforderlich, das an dieser Stelle so ausführlich zu zitieren, denn es steht durchaus mehr darin als Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit, die für die Ministerin das Wichtigste sind. Es steht auch darin: „Für gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen werden wir entschlossen handeln, um in zentralen Schlüsseltechnologien, wie Erneuerbaren Energien, keine neuen Abhängigkeiten zu schaffen und bestehende abzubauen und mit geeigneten Maßnahmen die Resilienz heimischer Produktion zu stärken.“
Das wären doch wichtige Aufgaben für Frau Reiche: Förderung der Produktion von Solarmodulen und Speichern, Förderung des Ausbaus von Windkraftanlagen und des Netzausbaus, um die Versorgung effizient und resilient zu sichern.
Stattdessen möchte sie Gaskraftwerke bauen, das fördert selbstverständlich auch die Wirtschaft, allerdings die Industriezweige für den klassischen Kraftwerksbau (Siemens wird sich freuen). Es erhöht aber auch die Abhängigkeit von Erdgas fördernden Ländern und den fossilen Konzernen. Das wiederum tut Frau Reiche nicht weh, sie stammt schließlich aus diesem Klüngel.
Die Bundesnetzagentur legt vor
Pünktlich Anfang September wurde der „Bericht zu Stand und Entwicklung der Versorgungssicherheit im Bereich der Versorgung mit Elektrizität“ der Bundesnetzagentur veröffentlicht. Aus diesem schließt Ministerin Reiche, dass zwingend neue Gaskraftwerke, in größerer Anzahl, gebaut werden müssen. Allerdings hat der Bericht einige Schönheitsfehler. So wird in den betrachteten Szenarien der Ausbau von Speicherkapazitäten vernachlässigt.
Dazu erklärt der Hauptgeschäftsführer des BSW-Solar, gegenüber heise-online „Während Netzbetreiber bereits heute Zusagen für viele Gigawatt an Speicherkapazitäten erteilt haben und bundesweit Anschlussanfragen in dreistelliger Gigawatt-Höhe vorliegen, bleibt der Bericht bei den Zahlen von gestern stehen und geht sogar realitätsfern von einem Rückbau stationärer Batteriespeicher aus.“
Der Versorgungssicherheitsbericht unterschlage die Großspeicher systematisch und liefere damit kein tragfähiges Fundament für politische Entscheidungen. Wir müssen uns mit dem 79-seitigen Bericht noch befassen, nach erster Einschätzung kann dem aber zugestimmt werden.
Die Forderung des BSW-Solar „Marktbarrieren für den Speicherausbau nunmehr zügig abzubauen, wie es auch im Koalitionsvertrag vereinbart wurde“ ist vollkommen nachvollziehbar.
Was ist mit der Versorgungssicherheit?
Die Frage stellt sich, wenn man die eventuelle Übernahme der TanQuid GmbH, die etwa 19 Prozent an der Gesamttanklagerkapazität für Erdöl in Deutschland hält, durch das US-amerikanische Unternehmen Sunoco LP, betrachtet. Hat diese etwa positive Auswirkungen auf Energiepreise und besonders die Versorgungssicherheit?
Auf die Anfrage der Grünen im Bundestag hält sich das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie bedeckt.
Nicht nur die Frage 8: „Wie bewertet die Bundesregierung die Möglichkeit, dass bei geopolitischen Spannungen der Zugriff deutscher Unternehmen auf benötigte Tanklager durch einen US-Konzern eingeschränkt werden könnte?“ wird mit „Die Fragen berühren verfassungsrechtlich geschützte Geschäftsgeheimnisse und Grundrechte der beteiligten Unternehmen und Personen“ beantwortet.
Immerhin dürfen die Informationen, die als Verschlusssache „VS-Vertraulich“ eingestuft sind, in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages eingesehen werden. Ergo, sie sind wieder mal nicht öffentlich, obwohl diese für die Versorgungssicherheit relevant sind.
Auch die Gasspeicher machen einigen Menschen Sorgen, der Füllstand ist zu niedrig und ob, aufgrund der geopolitischen Spannungen, die Prognosen von Bundeswirtschaftsministerium und Bundesnetzagentur zutreffen, ist nicht sicher.
Fazit: Es führt kein Weg an den Erneuerbaren vorbei, wenn wir energiepolitisch unabhängiger werden wollen. Ja, der Stand der Energiewende muss evaluiert werden, vielleicht gibt es auch Erkenntnisse, die zu Änderungen in der Gestaltung führen. Ein Zurück zu den fossilen Energieträgern wäre, nicht nur energiepolitisch, Unsinn.
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Es gibt 3 Kommentare
Und damit wir weiterhin noch mehr Gaskraftwerke bauen können als nötig, ignoriert Frau Reiche vorsätzlich die Möglichkeiten von Stromspeichern und deren Ausbau. Diese spielen politisch momentan überhaupt keine Rolle, freilich aber die Unterstützung der fossilen Wirtschaftsunternehmen. Siehe aktuelles Energiemonitoring.
Da haben Sie sich schön einen Punkt herausgepickt. Abgesehen davon das der Stromspeicher fast soviel wie die Solaranlage kostet, entlastet er auch die Stromnetze. Die um die Mittagszeit anfallende Überproduktion von Sonnenstrom wird nicht ins Netz geblasen sondern lokal gespeichert und dieser Strom wird dem Besitzer (da haben Sie recht) in den hohen Stromverbrauchszeiten (Morgen/Abends) wieder zur Verfügung gestellt. Interessant für Sie wäre mal die Studie, das wenn man alle schon vorhandenen bidirektional ladbare E-Autos als zusätzlichen Stromspeicher im Netz nutzen könnte 2,5 Gaskraftwerke nicht mehr erforderlich wären.
Ich hoffe ich konnte Sie etwas aus Ihrer Blase herausholen.
Der Schaden für eine solidarische Finanzierung des Stromnetzes ist bereits angerichtet. Das wird man ihr nicht mehr nehmen können. Wer das Geld hat, baut sich nun also zur Solaranlage und Wärmepumpe noch den Stromspeicher und verabschiedet sich auf diese Weise von der Mitfinanzierung der Energiewende. Auch wenn man den Stromanschluss ans öffentliche Netz behält, bezieht man fast keine Strom mehr und zahlt somit auch nicht fürs öffentliche Netz. Die Kosten für die Energiewende verbleiben dann also bei denen, die zur Miete wohnen und/oder arm sind. Da tröstet den grostädtischen Mieter auch nicht, dass auch diejenigen, die Eigenheim haben und aus Hass auf “die Grünen” sich der Energiewende verweigern, sich noch an der Mitfinanzierung beteiligen.