Manchmal muss man nur fragen, um zu erfahren, ob eine Staatsregierung eigentlich einen Plan hat. Zum Beispiel, wenn es um neue Gaskraftwerke geht. Das ist ja eine der aktuellen Ideen, mit denen Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) Politik betreibt und versucht, neue Gaskraftwerke als Lösung für die Energiewende zu verkaufen.

Hinter den Kulissen hat längst das Gerangel darum begonnen, wer so ein neues Gaskraftwerk geschenkt bekommt. Wenn es denn geschenkt wird. Auch Sachsen möchte gern ein paar haben, wie der Landtagsabgeordnete der Linken Stefan Hartmann erfuhr.

Ihn schreckte vor allem ein Bericht von „ZEIT Online“ auf, in dem es unter anderem hieß: „Der geplante Ausbau der Gaskraftwerke ist Teil einer größeren energiepolitischen Neuausrichtung der neuen schwarz-roten Bundesregierung. Laut Koalitionsvertrag sollen bis zu 20 Gigawatt an neuen Gaskraftwerkskapazitäten entstehen – das wären etwa 40 Anlagen und fast doppelt so viel wie in der früheren Planung von Robert Habeck (Grüne).

Eine verpflichtende Umstellung auf Wasserstoff soll unter Schwarz-Rot dagegen entfallen. Stattdessen sollen CCS-Technologien zur CO₂-Speicherung genutzt werden können – trotz der damit verbundenen hohen Energie- und Investitionskosten.“

Teurer Strom aus Gaskraftwerken

Wie unsinnig diese Pläne sind, war selbst in diesem Bericht zu lesen: „Zudem sollen die neuen Kraftwerke laut Koalitionsvertrag nicht mehr ausschließlich als Reserve für sogenannte Wind- und Dunkelflauten dienen, sondern auch aktiv zur Strompreisstabilisierung eingesetzt werden. In der Vergangenheit kam es jedoch gerade deshalb zu starken Preisanstiegen, weil in großem Umfang Erdgas verstromt wurde.“

Im Klartext: Der in Gaskraftwerken erzeugte Strom war einer der wesentlichen Preistreiber für den Strompreisanstieg in Deutschland. Und noch mehr Gaskraftwerke, die auch noch extra für die Stromerzeugung eingesetzt werden, würden den Preis noch weiter erhöhen. Von der Einhaltung der deutschen Klimaziele ist erst recht keine Rede.

Aber was Hartmann besonders ins Auge stach, war diese Nachricht: „Beim geplanten Ausbau der Gaskraftwerke will die Bundesregierung Süddeutschland besonders berücksichtigen. Zwei Drittel der neuen Kapazitäten sollen im Süden entstehen, kündigte Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) bei einem Besuch in Bayern an. Hierfür solle es einen ‚Südbonus‘ geben, sagte Reiche bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Tegernsee.“

Dass Bayern glaubt, unbedingt lauter neue Gaskraftwerke zu brauchen, liegt schlicht daran, dass insbesondere der Ausbau der Windkraft im Freistaat hinterherhinkt, über Jahre ganz gezielt auch von der bayerischen Staatsregierung ausgebremst.

Gas statt Windkraft?

Womit Bayern dem kleinen Sachsen durchaus verwandt ist. Und nach einer wirklich plausiblen Strategie für die Energiewende klingt auch das nicht, was nun Wirtschaftsminister Dirk Panter auf die Anfrage von Stefan Hartmann geantwortet hat.

„Im Rahmen der sogenannten Kraftwerksstrategie verfolgte bereits die Bundesregierung der vergangenen Legislatur den Plan, kurz- bis mittelfristig Gaskraftwerke als flexible, gesicherte Leistung zur Absicherung der Versorgungssicherheit errichten zu lassen. Ein Entwurf für ein Kraftwerkssicherheitsgesetz wurde im September 2024 zur Konsultation gestellt, konnte jedoch den parlamentarischen Gesetzgebungsprozess nicht abschließend durchlaufen. Durch das Diskontinuitätsprinzip ist dieser Gesetzentwurf hinfällig“, erklärt er in seiner Antwort.

Die neue Bundesregierung muss also eine neue Kraftwerksstrategie vorlegen. Und da geht Katherina Reiche gleich in die Vollen, plant nicht nur mit der notwendigen Mindestreserve, sondern gleich mal mit der doppelten Zahl neue Gaskraftwerke, zu denen der Bund dann auch noch Geld zuschießen möchte. Was – wie „ZEIT Online“ berichtete – durchaus gegen europäische Wettbewerbsregeln verstoßen könnte.

Aber Sachsen will einfach mit dabei sein, wenn die neuen Gaskraftwerke verteilt werden, betont Dirk Panter: „Insbesondere den sogenannten ‚Südbonus‘, der eine Verortung von mindestens zwei Drittel der ausgeschriebenen Kraftwerksleistung im ‚netztechnischen Süden‘ sicherstellen soll, lehnt die Staatsregierung regelmäßig und mit Nachdruck ab. Stattdessen sollten aus Sicht der Staatsregierung insbesondere bestehende Kraftwerksstandorte eine Perspektive nach dem Ende der Kohleverstromung erhalten, um bestehende Infrastrukturen bestmöglich weiter zu nutzen und Fachkräften eine Perspektive zu bieten.“

Der alte Traum von der CO₂-Verpressung

Heißt aus sächsischer Perspektive: Die neuen Gaskraftwerke sollen da entstehen, wo die Kohlemeiler im Leipziger Süden und in der Lausitz bis 2035 bzw. 2038 vom Netz gehen. Eine fossile Technologie wird also durch eine andere ersetzt, deren Klimabilanz nicht ein bisschen besser ist. Weshalb Katherina Reiche und ihre Verbündeten aus der fossilen Energiewirtschaft auch wieder einmal die CCS-Technologie ins Spiel bringen, welche die fossile Stromerzeugung aus Gas dann wieder irgendwie klimaunschädlich machen soll.

Die Technologie ist aber immer noch unausgereift, viel zu teuer und unwirtschaftlich. Und sie würde den Strompreis dieser Gaskraftwerke noch weiter in die Höhe treiben. Es sind also teure Geschenke, die Katherina Reiche da verteilen möchte, die aber ausgerechnet da ins Kontor schlagen, wo nicht nur die deutsche Wirtschaft schon jetzt Alarm schlägt: bei den teuren Strompreisen.

Aber es ist wie beim Festhalten der sächsischen Staatsregierung an der Kohleverbrennung. Sie sieht hier kein Problem und hebt eifrig den Arm, wenn es um die Verteilung neuer Gaskraftwerke geht.

Oder mit den Worten von Dirk Panter: „Die Staatsregierung hat sich daher im bisherigen Diskussionsprozess durch politische und fachliche Stellungnahmen an verschiedenen Stellen für eine Berücksichtigung der sächsischen Kraftwerksstandorte eingesetzt und wird dies auch weiterhin tun. Neben verschiedenen Konsultationsbeiträgen auf Arbeitsebene sind hier beispielsweise entsprechende Beschlüsse der Regionalkonferenz der Regierungschefin und der Regierungschefs der ostdeutschen Länder (‘MPK Ost’) zu nennen.“

In Magdeburg und Potsdam tickt man also ganz ähnlich.

Bayerns Abhängigkeit vom Osten

Aber zum Hintergrund gehört auch eine sehr ostdeutsche Angst. Denn bislang ist es vor allem ostdeutscher Kohlestrom, der durch die Netze nach Bayern fließt. Bayern hat sich seit Jahrzehnten darauf ausgeruht, dass es billigen Kohlestrom aus Ostdeutschland bekam. Da musste man sich beim Ausbau Erneuerbarer Energien nicht anstrengen. Die Laufrichtung des Stroms würde sich mit dem Ausbau erneuerbarer Energie im Osten weiter verfestigen.

Gerade Länder wie Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern haben schon nennenswerte Kapazitäten aufgebaut und der bundesdeutsche Streit dreht sich jetzt um die Frage, wer für den notwendigen Ausbau der Netze aufkommt. Ob die Ostdeutschen dafür wieder den Löwenanteil berappen und Bayern sich einfach über billigen Strom freut. Da ist das Verlangen nach neuen Gaskraftwerken ganz offensichtlich ein Spiel um Macht und Geld. Nach dem bayerischen Motto: Uns kann keiner.

Aber auch Dirk Panter ist bewusst, dass es überhaupt keinen Sinn ergibt, einfach das letztlich teure Geschenk eines neuen Gaskraftwerks anzunehmen, wenn hinterher die Sachsen draufzahlen.

Deswegen betont er in der Antwort an Hartmann: „Die tatsächliche Umsetzung des Kraftwerkzubaus ist weiterhin eigenverantwortlich und energiewirtschaftlich durch die jeweiligen Kraftwerksbetreiber durchzuführen. Aus Sicht der Staatsregierung sollte das Ziel sein, den energiewirtschaftlichen Rahmen so weiterzuentwickeln, dass sowohl Investitionen als auch der Betrieb der Kraftwerke aus dem Markt heraus wirtschaftlich möglich sind und sächsische Kraftwerksstandorte, insbesondere in den Strukturwandelregionen, nicht systematisch benachteiligt werden.“

Das deutet den innerdeutschen Clinch zwischen Süd und Ost an, auch wenn bislang noch kein ostdeutscher Minister den Mut hat, die Sturheit der Bayern öffentlich zu kritisieren. Wenn man Panters Verweis auf den Markt ernst nimmt, steckt hier der Keim für eine solche Kritik. Denn mit Windkraft und Solar kann Strom wesentlich günstiger produziert werden als mit Gaskraftwerken.

Wenn eine kluge Staatsregierung dann auch noch auf den Ausbau der Stromspeicher setzt, werden auch die Grundlastprobleme eingeschränkt. Und spätestens wenn in Bayern die Gaskraftwerke ans Netz gehen sollten, werden sich ihre Betreiber fragen müssen, wer ihren teuren Strom eigentlich kaufen soll.

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Keine Kommentare bisher

Soll sie in Bayern ruhig ihre Gaskraftwerke bauen – aber dann bitte auch eine eigene Strompreiszone einführen.
Wer den Ausbau der Erneuerbaren jahrelang blockiert, darf sich dann am Ende nicht über höhere Strompreise wundern.

Gas ist übrigens nicht genauso schlecht wie Kohle, aber keine klimaneutrale Lösung.
Erdgas hat beim Verbrennen ca. 50–60 % weniger direkte CO₂-Emissionen pro kWh als Braunkohle.

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