Photovoltaikanlagen rechnen sich weiterhin durch den Eigenverbrauch, Einspeisevergütungen und günstige Gestehungskosten. PV-Anlagen-Besitzer zahlen weniger für Netzentgelte, obwohl sie weiterhin auf das Stromnetz angewiesen sind. Das führt zu einer Kostenverlagerung auf Haushalte ohne PV-Anlagen, insbesondere für Mieter. Durch den steigenden Netzausbau verteilen sich die Kosten zunehmend unfair, was soziale Spannungen birgt. Hier hilft vor allem der Abbau der Netzentgelte und Stromsteuern pro kWh hin zu Netzentgeltpauschalen pro kW.
Das muss aber klug gehandhabt werden, da ein einfaches Modell soziale Verwerfungen verursachen kann. Zeitvariable Netzentgelte können eine Lösung sein. Diese sollten aber insbesondere auch für Mieter gelten und nicht nur für Eigenheimbesitzer mit Batteriespeicher und/oder Wärmepumpe wie es aktuell der Fall ist.
4.1. Vergünstigungen vom Netzentgelt für Investitionen
4.1.a) reduziertes Netzentgelt bei Eigenerzeugung von Strom:
PV-Anlagen-Betreiber zahlen reduzierte Netzentgelte, sind aber nicht davon befreit. Dennoch profitieren sie von der Netzinfrastruktur, ohne die anteiligen Kosten zu tragen. Experten diskutieren derzeit verschiedene Reformansätze, um eine fairere Kostenverteilung zu erreichen.
– Eine Möglichkeit wäre eine pauschale Netzentgeltkomponente für alle Netzanschlüsse, unabhängig vom individuellen Verbrauch.
– Alternativ könnte eine Mindestbeteiligung für PV-Anlagenbesitzer eingeführt werden, um sicherzustellen, dass sie anteilig zur Netzfinanzierung beitragen.
Zudem können Mieterstrommodelle entwickelt werden, die es Mietern ermöglichen, von PV-Anlagen auf ihren Gebäuden zu profitieren.
Für solche Modelle müssen aber die gesetzlichen Regelungen noch zielorientierter vereinfacht werden. Das Problem bei Mehrfamilienhäusern mit PV-Anlagen ist, das sich viele Mieter und Eigentümer einigen müssen.
Gerade Mieter haben aber meist eher geringe Stromkosten und über dynamische Stromtarife auch heute schon Zugang zu günstigem Solarstrom.
Vorschläge um Mieter zu entlasten:
– Smart Meter überall in Leipzig möglichst sofort zu verbauen (Sinnvoll wäre es auch einfache über Wlan-verbundene Geräte zuzulassen. Das europäische Ausland – mit teilweise Smart Meter Abdeckungen von nahe 100% – zeigt, dass Deutschland mit den Sicherheitsanforderungen über das Ziel hinaus geschossen ist)
– Regionale zeitvariable Netzentgelte für alle zu ermöglichen,
– Direktvermarktungsmodelle mit Kleinstspeichern möglich zu machen. Mieter können mit ihrem eigenen Stromspeicher viel mehr als mit einer Solaranlage von der Energiewende profitieren. Diese verbrauchen weniger Platz, können pro Partei installiert werden und helfen der Stabilisierung des Stromnetzes,
– Wärmepumpen und kalte Nahwärme ausbauen. Die Wärme- und Kälteversorgung wird für Mieter essentiell interessant, denn die Abwärme aus Kühlprozessen kann für die Erwärmung des Duschwassers verwendet werden. Damit wären sommerliche Warmwasserkosten nahe Null möglich. Auch im Winter könnte gezielt von günstigem Windstrom profitiert werden.
4.1.b) die Verteilung der Netzkosten,unabhängig vom Verbrauch:
Es besteht oft die Ansicht, dass die Kosten zum Netzanschluss gleich wären, ob nun für 1 kwh oder für den Bezug von 10.000 kwh im Jahr. Diese Aussage ist unrichtig. Die Netzanschlusskosten hängen von der Anschlusskapazität ab, nicht vom tatsächlichen Verbrauch. Große Verbraucher zahlen meist höhere Netzentgelte, da sie stärkere Netzanschlüsse benötigen. In Deutschland liegt der Ausbau-Standard als Anschluss für EFH als großzügige Grundleistung im Schnitt bei 25 kW. In Italien ist z.B. die Leistung pro Haushalt auf 3 kW begrenzt (Kosten 300 € für Erhöhung auf 7 kW).
– Ein mögliches Reformmodell wäre eine Art Grundgebühr für alle Netzanschlüsse, unabhängig von der Bezugsmenge.
– Alternativ könnte ein flexibles Entgeltsystem entwickelt werden, das die tatsächliche Netznutzung und Einspeisung berücksichtigt, sodass eine gerechtere Kostenverteilung erreicht wird.
4.1.c) Heizungsstrombedarf:
Mit der zukünftigen Wärmeplanung werden mehr Wärmepumpen installiert, für Mehrfamiliengebäude dann als Großwärmepumpe. Egal, ob als Luft-, Wasser- oder Erdwärmepumpe, sie brauchen alle Strom. Damit ergibt sich ein höherer Strombedarf. Das Stromnetz muss also in der Gemeinde oder Stadt weiter ausgebaut werden, was sehr kostenintensiv ist. Diese Kosten zum Netzumbau wurden bisher mit größeren Anteil von den Nichtsolareinspeisern getragen. Das Netzentgeltsystem muss also grundlegend so reformiert werden, dass möglichst alle Netzteilnehmer auch die Kosten der Netzentgelte mit tragen. (siehe Pkt 2.b und c) Zudem sind Wärmepumpentarife erforderlich.
4.2. Netzentgeltbefreiungen
Es liegt die Aussage nach Koalitionsvertrag (KV) S. 30 vor: „Für die anderweitig nicht weiter zu entlastenden energieintensiven Unternehmen führen wir im Rahmen der beihilferechtlichen Möglichkeiten eine besondere Entlastung (Industriestrompreis) ein.“ Ein subventionierter Industriestrompreis wäre für Stromgroßabnehmer sicherlich hilfreich, sollte aber gekoppelt sein mit Strom-Eigeninvestitionen in das Unternehmen, damit die Firma vom Industriestrompreis profitiert und damit auch die Beschäftigten. Wichtig wäre auch Großverbrauchern Anreize zu geben ihre Stromabnahme-Flexibilitäten zu nutzen.
Dazu kommt, dass Unternehmen mit einer Stromabnahme von mind. 10.000.000 kWh und einer Benutzungsstundenanzahl von mehr als 7.000 Stunden im Jahr von einer möglichen Reduzierung der Netzentgelte nach § 19 Absatz 2 StromNEV profitieren, im Umfang je nach Abnahmemenge zwischen 10% bis 20% der Netzentgelte.

Diese Kosten werden weiterhin auf Haushalte und nicht privilegierte oft mittelständische Unternehmen umgelegt. Der Strompreis verteuerte sich dadurch 2024 um 0,643 ct/kWh bzw. 32 Euro für einen Durchschnittshaushalt.
Mit diesen Netzentgeltbefreiungen wird aber anderseits die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie unterstützt, die damit Steuereinnahmen und Arbeitsplätze in Deutschland sichert. Das muss miteinander abgewogen werden.
Die Reform der Netzentgelte ist eine der wichtigsten Reformen um die Energiewende nicht auszubremsen. Insbesondere müssen die Netzentgelte so gestaltet werden, dass private Verbraucher für den Stromverbrauch nicht mehr bestraft werden, d.h. Netzentgelte, Steuern, Umlagen und Abgaben pro kWh unabhängig der regionalen Netzsituation sollten abgeschafft werden. Zudem muss es sich für Industriebetriebe lohnen, ihre Gaskraftwerke um Power2heat-Anlagen zu ergänzen. Wenn der Stromanschluss sowieso schon besteht, sollten keine zusätzlichen Netzentgelte für einen neuen Verbraucher entstehen oder diese sollte zumindest deutlich reduziert sein.
Ein interessantes Modell ist es, 100 % der Netzentgelte über regional zeitvariable Tarife abzudecken. Auch die StromNEV und KWK-Umlage sollten entweder abgeschafft oder zeitlich und regional dynamisiert werden.
4.3. Strompreiszone
Je nach Wetterlage ist in Teilen Deutschlands erneuerbarer Strom im Überfluss vorhanden. Um das ganze Land zu versorgen, muss er aber über weite Strecken transportiert werden. Das ist mit Überlastungen oder Engpässen in den Übertragungsnetzen verbunden, die wiederum oben genannte Redispatch-Maßnahmen erfordern, siehe Teil 1, Pkt.1.d) (zum Beispiel das Herunter- oder Hochfahren von Anlagen oder ganzen Kraftwerken).
Kleinere Strompreiszonen hätten kürzere Übertragungswege zur Folge und vor allem den Vorteil, dass weniger Redispatch-Maßnahmen nötig sind. Die sind teuer und irgendwann vielleicht auch nicht mehr fehlerfrei zu stemmen, wie Lion Hirth, Professor für Energiepolitik an der Hertie School in Berlin, befürchtet.
Lokale Strompreiszonen würden Kosten senken und Versorgungssicherheit erhöhen. lt. PV-Magazine vom 25.04.2025. Eine, drei oder doch 22 Strompreiszonen? Nach einer neuen Studie von Agora Energiewende und dem Fraunhofer IEE wären mehr besser, denn das würde die Kosten für die Verbraucher senken, die Versorgungssicherheit steigern und Anreize für flexible Verbraucher setzen. Gerade letzteres ist bei der existierenden einheitlichen Strompreiszone in Deutschland nicht der Fall.
Im KV auf S. 31 unter Netze gibt es eine Aussage zur Beibehaltung der einheitlichen deutschlandweiten Strompreiszone. Um die Netzentgelte zu reduzieren, wäre aber die Einführung von regionalen Strompreiszonen wichtig, insbesondere gerade für den Ausbau der Speicher und die Reduzierung der Netzausbaukosten. Anderenfalls droht eine Zentralisierung des Strommarktes hin zu den Übertragungsnetzbetreibern und damit in die alte Energiewelt.
Netzausbau und regionale Preiszonen sind kein Widerspruch, sondern ergänzen sich. Ohne regionale Preiszonen ist der nötige Netzausbau für ein System aus annähernd 100% erneuerbarer Energien aber zu groß. Die aktuell geplanten und im Bau befindlichen Stromtrassen summieren sich auf 10 GW. Allein der Offshore-Windausbau soll bei bis zu 70 GW liegen. Der überschüssige Strom muss in Speichern zwischengespeichert werden und dafür brauchen diese entsprechenden Preissignale.
4.4. Weitere Möglichkeiten, um die hohen Kosten zum Netzumbau zu begrenzen
– Einführung eines Bundes-Fonds oder Anlageprodukts zur Beteiligung der Bürger am Ausbau des Stromnetzes mit garantierter Verzinsung,
– die Stromnetze sind in Gemeineigentum zu überführen und damit die Ausbaukosten über den Staat zu übernehmen. Somit könnte der Staat sich über die Netzgebühren refinanzieren und die Netzentgelte gedeckelt werden. Und das Stromnetz stünde für jeden Nutzer, ob Einspeiser oder Abnehmer, zu gleichen Konditionen zur Verfügung. Im Koalitionsvertrag steht dazu auf S. 35: „Wir prüfen strategische staatliche Beteiligungen im Energiesektor, auch bei Netzbetreibern.“
– Eine enge Regulierung durch die Bundesnetzagentur ist dabei sehr wichtig.
– Einspeiser zahlen bereits Netzentgelte, insbesondere bei großen Anlagen oder Gewerbebetrieben. Eine völlige Gleichstellung von Beziehern und Einspeisern würde jedoch die Energiewende bremsen, da Eigenverbraucher finanziell bestraft würden. Stattdessen könnte eine dynamische Netzentgeltregelung fairer sein. Es ist unverständlich warum diese Regelung an die Fernsteuerbarkeit und das Vorhandensein von Wärmepumpe, Wallbox oder E-Auto geknüpft wurde. Diese Regelung muss für alle Verbraucher gelten.
Die vorhergehenden Teile:
Start einer Untersuchung: Angemessene Strompreise in Deutschland- gelingt das bei uns?
Strompreise in Deutschland – Teil 1: Die Einflussmöglichkeit auf die Stromkosten
Strompreise in Deutschland – Teil 2: Netzentgelte – die Kosten des Ausbaus der Stromnetze
Strompreise in Deutschland – Teil 3: Unbedingter Ausbau der Stromspeicherung notwendig
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