Jung, dynamisch, aber dörflich. Das Leben auf dem Dorfe ist nicht für jeden unter 30 Jahren die totale Erfüllung. Ödnis, Langeweile, immer nur dieselben Gleichgesinnten. Stephan Guth ist seit 27 Jahren Wöllnauer und kennt dieses Problem selbst. Doch er hat aus seinem Dorf ein Mekka gemacht, zu dem am Samstag wieder gepilgert wird.

Die Dorfkirche ist die größte Sehenswürdigkeit des 318-Seelenortes Wöllnau, der für Fremde nur Durchgangsstation auf dem Weg durch die Dübener Heide ist. Doch Stephan Guth hat Wöllnau zum Mekka der deutschen Matschfußballer gemacht, die dort am Samstag zur 4. Deutschen Matschfußball-Meisterschaft zusammenkommen. Fußball im puren Matsch, auf schlammdurchtränkten, wassergefluteten Feldern.
Der Legende nach entstand dieser neue Sport in Finnland. Ein finnischer Offizier soll seine Soldaten zu langen Märschen durchs Moor geschickt haben. Um die Langeweile zu bekämpfen und die Läufe attraktiver zu machen, durften sie einen Ball mitnehmen.

Seit 1998 werden in Finnland Meisterschaften ausgetragen. Stephan Guth, studierter Sportmanager, hörte davon. “Ich las einen Bericht im Fußballmagazin 11Freunde und dachte mir, dass es doch nicht so schwer sein kann, das auch hier auf die Beine zu stellen.” Guth überlegte, wer ihm dabei helfen könnte und trommelte die Ansprechpartner zusammen. “Nach einer Runde Bier und einer Runde Korn mit der örtlichen Feuerwehr und unserem Bauern war die Sache durch.” Und so wird seit 2009 in Wöllnau auf halbem Weg zwischen Bad Düben und Eilenburg die deutsche Meisterschaft im Matschfußball ausgetragen und alle packen mit an. “Jedes Jahr muss dafür das Feld geackert und mit allen möglichen Kniffen vorbereitet werden und dann fluten wir es mit 600.000 Litern Brunnenwasser”, erklärt der gebürtige Torgauer.

Am Ende schwimmen vor Wöllnau zwei Kleinfelder vor sich hin. Dort wo sonst Mais oder Silage angebaut werden, steht dann dank der Feuerwehr eine schöne braune Soße bereit. 13 Männer-Teams werden hier am Samstag um die deutsche Matschfußball-Krone streiten, erstmals sind auch zwei Frauenteams dabei, die unter sich die 1. Deutsche Meisterschaft im Frauenmatschfußball austragen. Als Favoriten bei den Männern zählen die bisherigen Sieger Lokomotive Wöllnau, Aufbau Authausen und Turbine Dresden, allesamt Hobbykicker. Die Chancen auf einen Überraschungssieger sind für Guth eher gering, denn “man muss sich erstmal in den Untergrund einfuchsen.” Nicht selten passiert es Anfängern, dass ihre Schuhe im Morast stecken bleiben. “Aber dann dürfen sie keine neuen anziehen, sondern müssen das Spiel ohne Schuh weiter spielen”, erklärt Guth, der die verschiedensten Varianten kennt, um das zu verhindern. Vor allem Gummistiefel werden nicht selten gesichtet. “Manche spielen auch barfuss. Ich kann nur dazu raten normale Fußballschuhe zu nehmen und diese ordentlich mit Klebeband zu umwickeln.” Fußballschuhe sind also während der zweimal 13 Minuten erlaubt, in denen ansonsten ganz normale Kleinfeldregeln zur Anwendung kommen.
Doch das Spiel an sich folgt keinen irgendwie gearteten Gesetzmäßigkeiten, dafür ist der Untergrund einfach zu unberechenbar. “Es kann passieren, dass du mit voller Kraft gegen den Ball trittst und er trotzdem einem Meter vor dir liegen bleibt”, so Guth, der auch schon oft genug Rudelbildung vor den Toren gesehen hat. “Der Ball bleibt ja auch mal vor einem Tor in der Pfütze liegen und dann wird wild versucht ihn rein- oder wegzubekommen.”

Auf Tiki-Taka sollten die Teams also verzichten und am besten gleich auf ihre komplette Spielgestalter-Abteilung. “Am besten ist der gute alte Catenaccio mit langen Bällen nach vorn”, rät der 31-jährige Guth, der wieder höchst selbst mit dem Gastgeberteam Lokomotive Wöllnau dabei sein wird. Am Spieltag selbst unterstützt ihn der Jugendclub des Ortes, der für die kulinarische Umrandung des dreckigen Spiels zuständig ist. Die erwarteten 2.500 Zuschauer sollen ja auch beköstigt werden. Auf dem Acker wurde eigens eine Tribüne aufgestellt, an der irgendwann der Kassenwart vorbeikommen und zwei Euro kassieren wird. Er wird auch am Bauern von Wöllnau vorbeikommen. “Der wird am Spielfeldrand sitzen und sich mit einem Bier in der Hand am Spiel erfreuen”, ist sich Guth sicher. Eine deutsche Meisterschaft wird immerhin nicht täglich auf seinem Acker ausgetragen.

Das Turnier startet 9:30 Uhr und endet 18:00 Uhr. Danach startet das Abendprogramm mit der Leipzig Indie-Band Testdrive sowie dem DJ-Team Freakz Not Dead und DJ Chaqueta Beats.

Mehr Informationen:
www.matschfussball.de

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