Das Spiel von Chemie Leipzig gegen Rot-Weiß-Erfurt am Dienstagabend könnte in die Verlängerung gehen. Die Leipziger kündigten kurz nach Abpfiff der Partie an, Einspruch gegen die 0:1-Niederlage einzulegen. Kurz vor dem Spiel hatte der zuständige Verband einen Chemie-Spieler gesperrt, diesen aber höchstwahrscheinlich mit einem anderen Spieler verwechselt.
Vier Tage zuvor waren nach Abpfiff der Regionalliga-Partie zwischen dem Halleschen FC und Chemie Leipzig ungefähr 100 HFC-Fans auf den Platz gestürmt. Sie rannten zunächst Richtung Gästeblock. Anschließend kam es zu Auseinandersetzungen zwischen HFC-Fans und Chemie-Spielern.
In mindestens einem Video ist deutlich zu erkennen, dass Spieler von Chemie gegen Fans des HFC treten. Die Leipziger bestreiten das nicht, berufen sich aber auf Notwehr und Nothilfe in einer als bedrohlich empfundenen Ausnahmesituation.
Attacke mit Anlauf
Der Nordostdeutsche Fußballband (NOFV) hat daraufhin ein Verfahren gegen die beiden Chemie-Spieler Philipp Wendt und Valon Aliji eröffnet. Letzterer wurde mit einer sogenannten Vorsperre belegt. Das bedeutet, dass er bis zum Abschluss des Verfahrens nicht mehr für die BSG Chemie spielen darf.
In dem entsprechenden Beschluss heißt es zur Begründung, dass der „dringende Verdacht“ bestehe, dass Aliji „einen auf das Spielfeld gelangten Anhänger des Halleschen FC mit einem Anlauf von mehreren Metern und hoher Geschwindigkeit körperlich attackierte und mit hoher Intensität im Brustbereich traf, so dass dieser zu Fall kam“.
Tatsächlich ist in dem Video zu erkennen, dass es einen solchen Angriff mit großem Anlauf und hoher Geschwindigkeit gegeben hat. Nur schwer zu erkennen ist, wo genau der HFC-Fan getroffen wurde. Entscheidend ist aber ein anderer Punkt: Bei jenem Spieler von Chemie Leipzig handelt es sich höchstwahrscheinlich gar nicht um Valon Aliji.
Video zeigt Aliji am Rande des Geschehens
Bereits am Dienstag hatte die LVZ kurz vor Beginn des Spiels gegen Erfurt berichtet, dass offenbar eine Verwechslung vorliegt. Kurz nach Abpfiff schrieb BSG-Vorstandsmitglied Bastian Pauly auf der Social-Media-Plattform Bluesky: „Chemie Leipzig wird Einspruch gegen die Wertung des Spiels gegen Rot-Weiß Erfurt einlegen. Unser Spieler Valon Aliji ist gesperrt worden wegen eines Vergehens, das er nachweislich nicht begangen hat.“
Auch die Redaktion der Leipziger Zeitung kommt nach Ansicht des Videomaterials zu der Einschätzung, dass eine Verwechslung vorliegt. In dem Moment, in dem sich der beschriebene Vorfall ereignet, befindet sich Aliji augenscheinlich deutlich außerhalb des Geschehens.
Der Spieler mit der Nummer 14 greift zwar wenige Sekunden später ebenfalls in die Auseinandersetzung ein, aber anders als im NOFV-Beschluss beschrieben. Als ein HFC-Fan auf einen Chemie-Spieler zurennt, der diesem den Rücken zuwendet, stoppt Aliji den Fan mit einem Fußtritt – aber fast aus dem Stand, ohne Anlauf und Geschwindigkeit.
In einer Stellungnahme an den NOFV, die der LZ vorliegt, äußert sich Aliji so: „In dieser unübersichtlichen Lage habe ich gesehen, wie ein Fan auf einen Mitspieler angerannt kam und mit der Faust ausholte. Dies versetzt mich in einen psychischen Angstzustand, in dem ich zur Verteidigung keine andere Möglichkeit sah, mich körperlich zur Wehr zu setzen.“
Wie der NOFV diesen Fußtritt bewertet, ist unklar. In der offiziellen Begründung für die Sperre von Aliji spielt er keine Rolle.
Chemie möchte sich gegen den NOFV wehren
Chemie Leipzig kritisiert nicht nur die mutmaßliche Verwechslung, sondern auch das Verfahren an sich. Der Verein habe nur wenig Zeit für eine Stellungnahme erhalten und gar nicht gewusst, was den Spielern im Detail vorgeworfen wird. Auch die Vorsperre widerspreche dem Rechtsverständnis der BSG.
Der NOFV hatte diese mit der „sportrechtlichen Schwere der vorgeworfenen Verfehlung“ begründet. Es sei „zur Aufrechterhaltung eines geordneten Rechtswesens und der sportlichen Disziplin dringend notwendig und geboten, den Spieler Aliji mit sofortiger Wirkung im Vorgriff auf das noch durchzuführende sportgerichtliche Verfahren im Wege der einstweiligen Verfügung zu sperren“.
Normalerweise ist für solche Angelegenheiten das NOFV-Sportgericht zuständig. Chemie Leipzig möchte allerdings den Gang vor ein ordentliches Gericht prüfen und dort möglicherweise erzwingen, dass alle Partien wiederholt werden müssen, für die Aliji gesperrt wurde.
Pikant ist ein weiteres Detail: Wie die Leipziger Zeitung erfahren hat, soll der Vorstand der BSG Chemie wenige Stunden vor Anpfiff der Partie gegen Erfurt das NOFV-Sportgericht telefonisch über die Verwechslung informiert haben. Ähnliches berichtet auch die LVZ. Aliji blieb trotzdem gesperrt.
Der NOFV erklärte auf LZ-Anfrage, dass er sich „zu laufenden Sportgerichtsverfahren grundsätzlich nicht äußern und keine Einzelanfragen inhaltlich beantworten“ werde.
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